Das weiß auch Michael Reimann, Chef der Stadtgärtnerei, der sich bereits seit längerer Zeit mit der Thematik auseinandersetzt und mit seinem Team versucht, Flächen wieder insektenfreundlicher zu machen. Das bedeutet in erster Linie, nicht nur stur permanent glatt gemähte Rasenflächen zu produzieren, denn dort finden die kleinen Lebewesen, die so wichtig für das natürliche Gleichgewicht und so unverzichtbar für den Vorgang der Pflanzenbestäubung sind, wenig bis nichts, an dem sie sich laben können.
„Wenn wir Wildkräuter und Wildgräser stehen lassen, erhalten wir in jeder Hinsicht mehr Vielfalt“, sagte Raimann.
Auf der anderen Seite erweise es sich immer wieder als schwierig, die Natur – auch im Stadtgebiet – gewissermaßen zu zähmen, denn die Samen von Wildgräsern verbreiten sich nicht nach einem vorgegebenem Muster, sondern mit der Zeit zeige sich deren Wuchs auch an Stellen, wo man ihn nicht unbedingt haben wolle, etwa an Straßenrändern, so Raimanns Erfahrung.
Dies wirke dann schnell mal nachlässig in der Betreuung des städtischen Umfelds, und insofern stoße die von Bauhof und Stadtgärtnerei gefahrene Linie in der Bevölkerung auch immer wieder auf unterschiedliche Reaktionen. Reimann: „Der eine findet es gut, der andere weniger, der eine sagt, tolle Vielfalt, der andere meint, es sehe unordentlich aus.“
Konfliktpotenzial ist da
Dieses Konfliktpotenzials ist sich auch Stefan Wetzel voll bewusst. „Es wird Kontroversen geben, die aber hoffentlich auf Dauer fruchtbar sein werden“, so der Bauhofchef. Zu rechnen sei mit kritischen Stimmen, die nachhaken, wieso die Stadt an manchen Stellen nicht öfter mähe und für ein Ortsbild sorge, das als vermeintlich sauberer oder ordentlicher empfunden wird.
Die Stadt ist gleichwohl von ihrer Linie überzeugt. „Wir brauchen die Insekten, wir müssen ihnen Lebensraum bieten“, betont Bürgermeister Harscher. Insofern wolle man nicht nur die eigenen Grundstücke behutsam pflegen und mit dem jetzigen Vorstoß einige ideale Flächen schaffen, sondern auch an die Bürger appellieren, sich der Thematik auf ihren Privatgrundstücken verstärkt zu widmen.
Sowohl Harscher als auch Christine Arncken vom Hof Dinkelberg und Klaus Böttger vom BUND haben festgestellt, dass die Versiegelungen und Verschottungen auf Privatgrundstücken in den letzten Jahren deutlich zugenommen haben. „Das schadet nicht nur der Flora, sondern sorgt auch dafür, dass sich im Sommer die Temperaturen in der Stadt zusätzlich aufheizen“, betonte der Bürgermeister.
Auch private Grundstücksbesitzer können sinnvolle Beiträge leisten
Klaus Böttger rügte die „Bequemlichkeit“ vieler Bürger, die es sich zunehmend sparen, die Flächen bei ihren eigenen Häusern zu begrünen. Das sei nicht nur schlecht für die Insekten, sondern für die Artenvielfalt und die Natur insgesamt. „Man muss sich klarmachen, dass alles miteinander zusammenhängt“, so der Vorsitzende der Schopfheimer BUND-Ortsgruppe – denn werden die Insekten zurückgedrängt, dann ist nicht nur die Befruchtung vieler Pflanzen gefährdet, sondern dann bleiben auch die Vögel aus, deren Ernährungsgrundlage die Kleinlebewesen vielfach bilden.
Dabei könne der private Grundstücksbesitzer auf ganz simple Weise sinnvolle Beiträge dazu leisten, dass die erschreckende Entwicklung – rund 70 Prozent der Masse der Insekten ist bundesweit in den letzten Jahren verschwunden – gestoppt wird: Einfach im eigenen Garten seltener mähen, und wenn, dann die Wildblumen, die scheinbar ganz von selbst aus dem Boden sprießen, stehen lassen.
Umschwung in Sachen Insektensterben und Artenvielfalt möglich
Sollten Stadt und Privatleute in diesem Sinne vermehrt an einem Strang ziehen, könnte in nicht allzu ferner Zukunft ein Umschwung in Sachen Insektensterben und Artenvielfalt erreicht werden, sind Klaus Böttger und Christine Arncken überzeugt.
Stefan Wetzel sieht es genauso. Der Bauhof habe sich aber entschlossen, die Thematik Schritt für Schritt anzugehen. Zunächst will man auf den drei jetzt ausgewählten Insektenweiden Erfahrungen sammeln – auch ganzjährig – und dann weitere Schlüsse ziehen, bevor man die insektenfreundlichen Flächen weiter ausdehnt. Auch Bürgermeister Dirk Harscher betont, dass die Stadt die Thematik langfristig verfolgen will: „Wir bleiben dran, über die Sache darf kein Gras wachsen.“