Schopfheim/Lörrach Ekato zieht vor Gericht den Kürzeren

Werner Müller
Ein Zeichen der Solidarität mit den Betriebsräten setzte die IG Metall vor dem Lörracher Arbeitsgericht Foto: Werner Müller

Das Arbeitsgericht lehnt die fristlose Kündigung von zwei Betriebsräten in erster Instanz ab. Gut möglich allerdings, dass der Prozess auf höhrer Ebene fortgesetzt wird. Gegenstand des Verfahrens sind Handyaufnahmen während einer Versammlung.

Das Arbeitsgericht lehnt die fristlose Kündigung von zwei Betriebsräten in erster Instanz ab. Gut möglich allerdings, dass der Prozess auf höhrer Ebene fortgesetzt wird. Gegenstand des Verfahrens sind Handyaufnahmen während einer Versammlung.

So was gab es noch nie: Die Firma Ekato ist auf dem besten Weg, mit ihrem Versuch, zwei Betriebsratsvorsitzende auf dem Klageweg fristlos zu feuern beziehungsweise ihres Amtes zu entheben, eher unfreiwillig Arbeitsrecht-Geschichte zu schreiben.

Juristisches Tauziehen womöglich bis zum Bundesarbeitsgericht

Beim juristischen Tauziehen vor der neunten Kammer des Arbeitsgerichts Freiburg zog der weltweit operierende Hersteller von Rühr- und Mischtechnik am Montag in erster Instanz zwar den Kürzeren. Doch der dem Rechtsstreit zugrunde liegende Sachverhalt hat durchaus das Zeug für ein juristisches Tauziehen bis hinauf zum Bundesarbeitsgericht.

„Fall lässt großen Bewertungsspielraum“

„Dieser Fall lässt großen Bewertungsspielraum“, verdeutlichte Arbeitsrichter Andreas Brogiel beim Kammertermin in Lörrach. Denn zu einem Verfahren wie diesem gebe es bislang noch keine einschlägige Rechtsprechung. Es sei deshalb durchaus denkbar, dass der Beschluss der Kammer auch noch höhere Instanzen beschäftigen werde.

Dabei bezeichnete der Richter den eigentlichen Sachverhalt zwischen den Parteien an sich als „unstrittig“. Demnach hatte die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende bei einer Betriebsversammlung mit ihrem Handy unerlaubterweise „einige Minuten lang“ Videoaufnahmen von einer Rede des Geschäftsführers gemacht.

Geschäftsleitung sieht schweren Vertrauensbruch

Die Geschäftsleitung sah darin nicht nur einen schweren „Vertrauensbruch“, sondern auch einen Verstoß gegen die Persönlichkeitsrechte und den Datenschutz, der eine weitere Zusammenarbeit unmöglich mache.

Beklagte sehen „einmaliges Momentversagen“

Der Betriebsrat räumte den Fehler ein und entschuldigte sich dafür, betonte aber zugleich, die Aufnahmen seien keineswegs geplant gewesen, sondern spontan als „Gedächtnisstütze“ erfolgt, weil der Geschäftsführer das Gremium plötzlich aus heiterem Himmel attackiert habe. Es handele sich um ein einmaliges „Momentversagen“, das sich nicht wiederholen werde.

Dass Kläger und Beklagte vor Gericht selten einer Meinung sind, ist das eine. Erschwerend für die Urteilsfindung in diesem Fall kommt jedoch hinzu: Die Betriebsversammlung fand in hybrider Form statt – das heißt, nur ein Teil der Belegschaft nahm in Präsenz daran teil, der andere lediglich digital via Übertragung auf elektronischen Medien.

Präzedenzfall fehlt

Und exakt mit so einem Fall, in dem noch dazu das heutzutage allgegenwärtige Handy eine entscheidende Rolle spiele, habe die Rechtsprechung bislang noch nichts zu tun gehabt, gab Richter Andreas Brogiel zu verstehen. Er verwies zudem darauf, dass für die Entlassung beziehungsweise die Amtsenthebung von Betriebsräten „besonders strenge Maßstäbe“ gelten.

Unternehmensanwalt sieht „rote Ampel überfahren“

Dessen ungeachtet sprach der Rechtsanwalt des Unternehmens von einem „gravierenden Rechtsverstoß“ der Betriebsräte, die entgegen anderslautenden Beteuerungen auch „keine Reue erkennen“ ließen. Dieser „absolute Rechtsbruch“ rechtfertige eine fristlose Kündigung. Die beiden Betriebsräte seien „ganz bewusst über die rote Ampel gefahren“, erklärte er und fügte hinzu, auch eine „Wiederholungsgefahr“ sei zu befürchten.

Der Vertreter der Betriebsräte hingegen führte aus, seine Mandanten hätten ihren Fehler erkannt, sich umgehend entschuldigt und versichert, so etwas komme nie wieder vor. Davon wolle die Firmenleitung aber offenbar nichts wissen.

„Einschüchterungsversuch“ in Richtung Betriebsrat

Tatsächlich habe sich der Betriebsrat, der die besagte Versammlung in einer „Mausefalle im Keller“ verfolgt habe, durch pauschale Vorwürfe des Geschäftsführers angegriffen gefühlt und in einer spontanen Reaktion zum Smartphone gegriffen, um damit „persönliche Notizen“ für weitere Gespräche zu machen. Das Handy sei heutzutage ja ein „gängiges Mittel“ für Gedächtnisstützen. Der Geschäftsleitung komme es mit der Klage in Wahrheit „auf Einschüchterung an, um den Betriebsrat klein zu halten“.

Fall mit großer Tragweite

Wie auch immer: In erster Instanz wies die Kammer die beiden Anträge der Firma Ekato – fristlose Kündigung und Amtsenthebung der beiden Betriebsräte – zurück. Nach „sorgfältiger Abwägung“, wie Richter Andreas Brogiel mit Blick auf die Tragweite des Verfahrens angekündigt hatte. Das Unternehmen kann gegen diesen Beschluss binnen eines Monats nach Zustellung der schriftlichen Begründung Beschwerde beim Landesarbeitsgericht einlegen.

IG-Metall: „Kündigung ist keine Lösung“

Die erstinstanzliche Entscheidung ist Wasser auf die Mühlen der IG Metall, die zu Verhandlungsbeginn vor dem Arbeitsgericht Flagge zeigte. „Hände weg vom Betriebsrat! Kündigung ist keine Lösung!“, stand da auf einem Transparent zu lesen. „Wir sind froh über den Beschluss“, erklärte denn auch Gewerkschaftssekretär Thomas Bittner auf Nachfrage. „Positiv“ sei vor allem, dass die beiden betroffenen Kollegen keine Angst mehr um ihren Arbeitsplatz haben müssten – fürs Erste zumindest. Gelte es jetzt doch abzuwarten, ob Ekato tatsächlich Beschwerde gegen den Richterspruch einlegen werde.

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