Schopfheim „Man soll auch letzte Hilfe leisten“

Markgräfler Tagblatt

Ambulante Hospizgruppe: Nach ihrer Qualifikation treten zwei neue Hospizbegleiterinnen den Dienst an

Einen sterbenden Menschen auf seinem letzten Weg zu begleiten, erfordert viel Fingerspitzengefühl. Man muss ganz bei sich selbst sein, sich zurücknehmen und sehr gut zu- und hinhören können.

Von Petra Martin

Schopfheim. Martina Breuer und Dagmar Koppers haben gespürt, dass sie diese Gaben haben - nach einer erfolgreich absolvierten Grundqualifikation stehen sie jetzt im Dienst der ambulanten Hospizgruppe Schopfheim.

Beide Frauen sind von Beruf Krankenschwester, beide haben sich aufgrund persönlicher Erlebnisse bei familiären Todesfällen als auch aufgrund von beruflichen Erfahrungen dafür entschieden, mehr zu machen aus ihrer Eignung, Sterbenden in schwierigen Situationen beistehen zu können - sie unterstützen nun nach ihrer Ausbildung in Theorie und Praxis ehrenamtlich die Hospizgruppe in ihrer wichtigen Arbeit.

„Der Dienst besteht darin, Zeit zu haben‘

„Man spürt, dass man ein Gespür dafür hat.“ Als gereifter Mensch mit Erfahrung, in einem Lebensabschnitt, in dem die Kinder aus dem Haus sind und der Kopf frei ist, fühlt sich Dagmar Koppers der Aufgabe gewachsen. „Mit 20 hätte ich das nicht gekonnt.“

Menschen auf ihrem schwierigsten Lebensabschnitt nicht allein zu lassen in Tragik und Schmerz, mit ihren Fragen und Ängsten, gehört für Dagmar Koppers zum Leben dazu. „Man soll Erste Hilfe leisten“, sagt sie, „und man soll letzte Hilfe leisten“. Die letzte Hilfe, der Dienst der ambulanten Hospizgruppe, besteht freilich nicht aus Pflege- oder Haushaltsleistungen. „Der Dienst besteht darin, Zeit zu haben.“

Die Mitarbeiterinnen kommen auf Anforderung nach Hause oder in Heime, aber auch in Krankenhäuser, wo heute die meisten Menschen sterben. Sie bringen kein Gefühl des Gehetztseins mit, keine Handlungsschablone und kein vorgefertigtes Programm, denn die Wünsche Sterbender sind individuell. Sie bevormunden nicht, sie belehren nicht.

„Wir kommen mit offenen Händen“, beschreibt Lore Barnet, Leiterin der ambulanten Hospizgruppe Schopfheim, ihre Aufgabe. Es gilt zu spüren, was die anderen brauchen, sich vorzutasten in die Welt todkranker Menschen, zu überlegen, wie Sterben aussehen kann - Nähe zu geben. Denn nicht nur die Menschen sind einzigartig, auch die Stadien, in dem die Mitarbeiterinnen der Hospizgruppe die Sterbenden antreffen, variieren.

So werden Menschen begleitet, die nur noch Stunden, einen Tag, eine Woche oder noch zwei bis drei Jahre zu leben haben - je nachdem, zu welchem Zeitpunkt die Hospizgruppe angefragt wird.

Reden oder Spazierengehen gehören zu den Wünschen Schwerstkranker, solange dies noch möglich ist. Und wenn ein Mensch angetroffen wird, der nicht mehr ansprechbar ist, sei es wichtig, nicht „über ihn hinwegzusprechen“, sondern ihn weiterhin anzusprechen. „Wir ermuntern die Angehörigen, Abschied zu nehmen“, erläutert Koordinatorin Friederike Schweigler.

Ein anderes Mal geht es darum, Angehörigen zu vermitteln, dass Essen und Trinken für Sterbende nicht das Wichtigste sein müssen.

Wenn die Mitarbeiterinnen der ambulanten Hospizgruppe erstmals in eine Familie kommen, in der ein Mensch stirbt, dann stoßen sie häufig auf Verunsicherung, weiß Koordinatorin Friederike Schweigler. Deshalb ist schon viel gewonnen, wenn sie Stabilität schaffen und für Entspannung sorgen.

Dass die ehrenamtliche Arbeit belastend sein kann, liegt auf der Hand. Alleingelassen werden die Mitarbeiterinnen aber nicht. Es gibt Supervisionen, Gruppentreffen und Fortbildungen.

„Die Arbeit ist bereichernd“

Zwar erhalten die Ehrenamtlichen kein Geld, nicht mal eine Pauschale, aber die Weiterbildung sei auch eine Art von Bezahlung, sagt Koordinatorin Lore Barnet.

Auffallend sei, dass die Arbeit als so bereichernd empfunden wird, dass die Mitarbeiterinnen der Hospizgruppe lange angehören. Dennoch gilt es zu lernen, Grenzen zu ziehen. „Empathie ja, aber den Sterbenden ’im Rucksack’ nach Hause tragen, nein“, sagt Dagmar Koppers. „Ich kann dem Sterbenden das nicht abnehmen.“ Aber bestimmte Momente als freudige Augenblicke zwischen den beteiligten Menschen wahrzunehmen, ist möglich auf der letzten Wegstrecke eines Menschen.

Das Sterben als Teil des Lebens: „Je mehr man mit dem Tod umgeht, desto natürlicher wird es“, sagt Dagmar Koppers, die nun nach ihrer Qualifizierung in den Dienst der Hospizgruppe tritt.

Die Hospizarbeit beinhaltet immer die eigene Auseinandersetzung mit dem Tod; persönliche Erlebnisse aufzuarbeiten ist sogar Teil der Grundausbildung. „Weil es um existenzielle Fragen geht, erfüllt einen die Arbeit mit Sinn“, sagen die Mitarbeiterinnen. Man komme durch die Beschäftigung mit dem Tod auf eine andere Ebene, weil man viel tiefer in das Thema eintauche, betont Koordinatorin Friederike Schweigler. „Das bringt einem was“, ist sich Martina Breuer gewiss.

Niemand hat es verdient, und niemand will in fremder Umgebung, abgeschoben in ein Zimmer, von dieser Welt gehen. Deutschland brauche die Hospizarbeit, unterstreicht Dagmar Koppers. Denn: „Es geht darum, Sterbenden Würde entgegenzubringen.“ Letztlich komme es darauf an, das Leben zu leben“, macht Leiterin Lore Barnet deutlich. So lautet auch der Leitsatz der ambulanten Hospizgruppe: „Leben bis zuletzt.“

Die ambulante Hospizgruppe Schopfheim besteht aus 35 ehrenamtlichen Hospizbegleitern. Das Einsatzgebiet erstreckt sich von Steinen über das Kleine, mittlere und obere Wiesental bis nach Todtnau. Die Hospizbegleiter üben völlig unterschiedliche Berufe aus. Es sind aber nicht alle ständig einsatzbereit. Manche pausieren, nehmen eine Auszeit oder stehen nicht zur Verfügung, weil sie selbst einen Todesfall in der Familie haben. Berufstätige Frauen können oft nur ein geringes Zeitfenster für ehrenamtliche Arbeit aufbringen. Die ambulante Hospizgruppe kann derzeit keine Nachtwachen anbieten.

Deshalb sucht die Hospizgruppe Verstärkung. Auch Männer werden gesucht; bislang stehen lediglich zwei im Dienst der Gruppe. Im Januar beginnt ein neuer Kurs zur Grundqualifizierung.

Die ambulante Hospizgruppe wird 2020 30 Jahre alt. Sie entstand aus einer bürgerschaftlichen Initiative heraus, die vor 25 Jahren in Hospizgruppe umbenannt wurde. Seit 2000 steht die Gruppe in Trägerschaft des Diakonischen Werks.

Weitere Tätigkeiten der ambulanten Hospizgruppe (neben der Hospizbegleitung): Trauercafé, Trauergruppe.

Der Dienst der ambulanten Hospizgruppe kann von jedem, gleich welcher Religion, in Anspruch genommen werden. Die Gruppe würde sich wünschen, dass sich bei Bedarf auch Krankenhäuser vermehrt melden.

Kontakt: E-Mail: hospizgruppe@diakonie-schopfheim.de (online: www.diakonie-loerrach.de). Einsatzleitung (Lore Barnet, Friederike Schweigler): Tel. 07622/697596-50.

Aufgrund der notwendigen, aber kostenintensiven Fortbildungen würde sich die Hospizgruppe sehr über Spenden freuen.

Spendenkonto: evangelisches Verwaltungsamt Lörrach, IBAN: DE 715206 0410 0105 0204 33 (evangelische Bank eG). Verwendungszweck: ambulante Hospizgruppe Schopfheim.

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