Schopfheim Momente aus dem Leben einer Lyrikerin

Jürgen Scharf
Zu einer Hommage an die Dichterin Ingeborg Bachmann trafen sich (von links) die Sängerin Melina Bruderer, die Referentin Frauke Bareiß-Ohloff und Gastgeberin Frauke Rohloff in der Kürnberger Antik-Scheune. Foto: Jürgen Scharf/Jürgen Scharf

Eine Hommage an die Dichterin Ingeborg Bachmann zum 50. Todestag war der Vortrag von Frauke Bareiß-Ohloff bei „Kunst in Kürnberg“. Sie hat Ingeborg Bachmann nie persönlich kennengelernt, aber sie ist von dieser Frau fasziniert.

Einmal wäre Frauke Bareiß-Ohloff der berühmten Lyrikerin fast begegnet. Sie wollte sie in Rom besuchen, doch der Tod der Schriftstellerin unter tragischen Umständen kam dem zuvor.

Die gelernte Buchhändlerin Ohloff war 31 Jahre alt, als sie Bachmanns Roman „Malina“ gelesen hat, eigentlich zu jung, wie sie sagt, um den Roman in seiner ganzen Tragweite und Tiefe zu erfassen. Seither konnte sich Frauke Ohloff, die selber schriftstellerisch tätig wurde, dem Einfluss von Ingeborg Bachmanns Sprache nicht mehr entziehen.

40 Zuhörer in der Scheune

Über ihre jahrzehntelange Beschäftigung mit der Dichterin und Hörspielautorin sprach die seit ein paar Jahren in Müllheim lebende 80-Jährige im Rahmen des Projekts „Kunst in Kürnberg“.

Zusammen mit ihrem 2018 verstorbenen Ehemann Otto Bareiß, einem Antiquar und Archivar, dem sie auch ihre Ausführungen gewidmet hat, sichtete Ohloff während sechs Jahren das schriftstellerische Schaffen Bachmanns, die Wirkung ihres Werkes in der literarischen Welt, Publizistik und Wissenschaft und brachte 1978 eine umfangreiche Bibliografie mit einem Geleitwort von Heinrich Böll heraus. Bescheiden sagt sie, dass ihr Mann die Hauptarbeit geleistet habe und sie nur Mitarbeiterin an dieser Bachmann-Bibliografie gewesen sei.

Der einstündige Vortrag lockte trotz Regen an die 40 Zuhörer in die Scheune mit der Dauerausstellung antiker Möbel und Kunstwerke. Eine schöne Atmosphäre für eine literarische Begegnung mit dem ausgelegten roten Teppich, umgeben von antiquarischem Mobiliar und viel Kunst – Stelen von Albert Staiger, Holzarbeiten von Werner Oestreich, Computerkunst von Max Kehm, Farbkompositionen und Keramikobjekte des Gastgeber-Ehepaars Rohloff und ganz neu einige interessante organisch-abstrakte Metall- und Steinskulpturen von Werner Deschler.

Hausherrin Frauke Rohloff erzählte zur Begrüßung die schier unglaubliche Geschichte, wie sie ihre Fast-Namensvetterin Frauke Ohloff kennengelernt hat, und trug eines von Bachmanns letzten Gedichten („Böhmen liegt am Meer“) auswendig vor. Zur Einstimmung gab es noch einen musikalischen Prolog.

Bachmann als Lebensthema

Die Freiburger Sängerin Melina Bruderer, eine „Entdeckung“ der Rohloffs, sang zu einem Soundtrack Lieder aus der Lebenszeit von Bachmann Jazzstandards und Songs von Billie Holiday, Ella Fitzgerald, John Lennon und Tina Turner. Bücher von und über Ingeborg Bachmann sowie die Bibliografie von Otto Bareiß und Frauke Ohloff lagen auf einem Büchertisch aus: ein stimmiges Ambiente. In dieser persönlichen Umgebung schilderte Frauke Ohloff, wie ihr Bezug zu der ungewöhnlichen Literatin war. Bachmann ist ihr Lebensthema, das spürte man in jedem Satz ihres sehr intim gefassten Vortrags, bei dem man ihre Empathie und Bewunderung für die Dichterin und philosophisch geschulte Intellektuelle heraushörte.

Ohloff erzählte, was sie so weiß – und sie weiß ziemlich viel –, hat sie doch mit ihrem Mann in Redaktionen, Archiven, Verlagen und Bibliotheken nach Informationen über Bachmann gesucht, bekannte Leute interviewt, Artikel zusammengetragen, viel Material gesammelt, recherchiert, sodass sie bis heute in ihren Erinnerungen aus dem Vollen schöpfen kann. Man glaubt ihr, wenn sie sagt: „Bachmann ist mein Leben.“ Noch heute, im Alter, kann sie sich für diese bedeutende Lyrikerin der Neuzeit begeistern.

Ohloff hat ihren Vortrag systematisch und chronologisch aufgebaut. Sie stellte Bachmann in den historischen Kontext, schilderte deren Liebesbeziehungen zu berühmten Autorenkollegen wie Paul Celan und Max Frisch, aber auch zu dem Komponisten Hans-Werner Henze, für den sie erfolgreiche Opernlibretti schrieb. Diese Begegnungen waren spannende Momente, an denen die Referentin die Zuhörer teilnehmen ließ, ging es doch um die großen emotionalen Übereinstimmungen zwischen Bachmanns idealen Partnern, um Musikalität und Sprachmusik.

„Nichts ist erfunden“

Die große Liebe, so Ohloff, war Paul Celan, den habe Bachmann über alle Maßen geliebt; es sei eine fast existenzielle Beziehung gewesen, in der die lyrischen Empfindungen gestimmt hätten. Sehr differenziert und sachlich schilderte Ohloff die unglückliche Liebesbeziehung zu Max Frisch, der sie „auf unschöne Art“ verlassen hat.

Auch dass Bachmann später in Berlin in ein schwieriges Fahrwasser geriet, sprach sie an, und das tragische Ende hat sie nicht aufgeschrieben, sondern konnte es aus erster Hand erzählen. Alles, was sie sagte, ist Geschichte, nichts ist erfunden, „alles ist so gewesen“.

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