Schopfheim „Noch mal mache ich das nicht mit“

Petra Martin

Gemeinderat: Nach dem Hochwasser verlieren die Anlieger in Langenau langsam die Geduld

Schopfheim - Nach dem 20-jährigen Hochwasserereignis im Januar ist den Anliegern der Fabrik- und der Inselstraße in Langenau endgültig der Kragen geplatzt. Sie äußerten ihre massive Verärgerung und ihren Verdruss über den immer noch fehlenden Hochwasserschutz in Langenau bei der Gemeinderatssitzung am Montag in der Stadthalle.

„Das geht viel zu langsam“, schalt Wolf-Dieter Hänßler. Denn auch nach dem Beschluss der Stadt, die Hochwasserprojekte in Enkenstein und Langenau aufgrund des erforderlichen Planfeststellungsverfahrens in Enkenstein zu entkoppeln, sei „nix passiert“. „Wann wird endlich der Hochwasserschutz in Langenau gebaut?“, fragte Hänßler, der ausdrücklich darauf hinwies, dass in Langenau alle benötigten Grundstücke für den Hochwasserschutz zur Verfügung stehen.

Dass die dort angesiedelten Firmen wie Würth Elektronik, ein Maskenhersteller und eine Metalltechnikfirma (alles Hightech-Unternehmen) im Januar nur um Haaresbreite einem immensen Schadenereignis entkommen sind – darauf wies Hänßler ebenfalls hin. Denn: Der Freibord, also der Abstand zwischen der Brücke und dem Wasserspiegel, habe nur noch sechs bis sieben Zentimeter betragen – kaum auszudenken, wenn es an jenem Freitagabend im Januar noch länger geregnet hätte.

Laut einem Gutachten, so Hänßler, wäre bei einer Überflutung das Gefährdungspotenzial auf 35 Millionen Euro zu beziffern gewesen. Der Schaden wäre enorm: Alle Betriebe verfügen über Maschinen, deren Wert im Millionenbereich liege, zudem würden bei Würth Elektronik Mikroprozessoren für Beatmungsgeräte und in der „A+H“ GmbH Masken hergestellt – es gehe also um wichtige Faktoren zur Bekämpfung der Corona-Pandemie. Nur sechs bis sieben Zentimeter Luft seien bei dem Hochwasser im Januar noch unter der Brücke gewesen.

Sorge bereitet auch die unter der Brücke verlaufende Gasleitung, dort wo auch das Treibgut anlandet. Die Gefahr, die von dieser Leitung bei Hochwasser ausgehe, werde höchstwahrscheinlich unterschätzt, warnte Lars Schierhuber, alleiniger Geschäftsführer der Metalltechnik GmbH. Die Forderung laute deshalb, dieses Gefahrenpotenzial so schnell wie möglich zu beseitigen. Er werde nicht bei jedem Hochwasser wieder mit Mitarbeitern und Bagger und Nachtschichten 24 Stunden lang im Einsatz sein, so Schierhuber. Sein Büroteam habe er aus Sicherheitsgründen nach Hause schicken müssen, da er eine Fürsorgepflicht für seine 70 Mitarbeitenden habe. „Ein weiteres Mal mache ich das nicht mit.“

Hochwasser: Gasleitung wurde abgestellt

Der Geschäftsführer wies auf die Gefährlichkeit von Treibgut bei Hochwasserereignissen hin, er selbst habe einmal eine Gasexplosion miterlebt und könne darüber berichten.

Nach Anrufen bei der Firma Badenova sei die Gasleitung dann abgestellt worden. Das bedeute, dass man es zwei Tage lang kalt gehabt habe, berichtete Wolf-Dieter Hänßler nebenbei.

Bürgermeister Harscher teilte mit, dass zunächst der Hochwasserschutz in Enkenstein gemacht werde. Der für Langenau stehe auf der Agenda 2023. Geplant sei der Bau einer „Wand“, die das Hochwasser abhalten solle. Er sei sich bewusst, dass es sich in Langenau an der Kleinen Wiese um ein „Nadelöhr“ handele, so Harscher. Beim Hochwasser sei er immer wieder vor Ort gewesen, er kenne die Lage und sei sich bewusst darüber, dass „dringend etwas gemacht werden muss“.

Die Stadt habe sich auf das Hochwasser vorbereitet und einen Bagger zum Herausfischen der angestauten Stämme bereitgestellt. „Aber das ist kein Dauerzustand“, räumte der Bürgermeister ein, der mitteilte, dass es bereits einen Termin mit dem Gasversorger gebe, um das Problem mit der Gasleitung erörtern zu können. „Wir sind im Gespräch.“ Es gebe in der Stadt nur noch zwei bis drei offene Hochwassermaßnahmen, nach deren Umsetzung die Stadt „die Hochwasserlage im Griff“ haben werde.

Dieser Auffassung ist Wolf-Dieter Hänßler nicht. Die Stadt habe lediglich vor, aus Kostengründen für etwa 80 000 Euro „ein paar Mäuerchen“ bauen zu wollen. Es sei aber ein Irrtum zu glauben, dass das ausreichend sei. Vielmehr müsse, wie es auch von Gutachtern, Hydroexperten in Aachen, empfohlen werde, die Brücke verbreitert werden, um eine Hochwasserverklausung zu verhindern und einen besseren Flutdurchlass zu ermöglichen – dies aber würde laut Hänßler wohl mehr als das Zehnfache kosten, also 800 000 bis eine Million Euro.

Seit 2012 werde nur hin- und herdiskutiert, monierte Hänßler, obwohl die Hochwasserereignisse immer öfter auftreten. So habe es ein 20-jähriges Hochwasser im November 2016, im Januar 2017 und nun im Januar 2021 gegeben – letzteres sei das zweithöchste Hochwasser überhaupt.

Laut Hänßler war es knapp: So habe der Wasserpegel beim Hochwasser 1999 bei 1, 49 Meter gelegen, im Januar diesen Jahres bei 1, 40 Meter. Wenn es etwas länger geregnet hätte, wäre dieser Wert möglicherweise wieder erreicht oder überschritten worden.

Bevor man sich für eine bestimmte Hochwasserschutzmaßnahme entscheide, müsse man berücksichtigen, dass die Kleine Wiese bei einem 50- oder 100-jährigen Hochwasser nicht mehr 40 Kubikmeter pro Sekunde mit sich führe, sondern 78 Kubikmeter pro Sekunde, warnt Wolf-Dieter Hänßler eindringlich davor, am Hochwasserschutz zu sparen.

Dank der Ortsvorsteher

Einen Dank sprachen Ortsvorsteherin Eva Brutschin (Enkenstein) und Ortsvorsteher Walter Würger (Langenau) dem Bauhof für den Hochwassereinsatz im Januar aus. Würger: „Wir sind knapp an einer Katastrophe vorbeigeschrammt.“

Zum Glück habe die Stadt vier Tage Zeit gehabt, sich auf das Hochwasser vorzubereiten. Würger bemängelte, dass seit dem 100-jährigen Hochwasserereignis 1999 nichts in Sachen Hochwasserschutz getan worden sei. Es müssten nun dringend Maßnahmen erfolgen, wie etwa zum Schutz der Gasleitung. An jenem Freitagabend im Januar dieses Jahres sei die Lage grenzwertig gewesen. Wäre der Wasserspiegel zehn Zentimeter höher gewesen. hätte man ein ganz anderes Szenario gehabt. Zum Glück habe es dann aufgehört zu regnen und das Wasser sei zurückgegangen.

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