Schopfheim „Politik war mein Hobby“

Werner Müller

Abschied: Artur Cremans (SPD) verlässt das Stadtparlament / „40 Jahre sind genug“ 

Schopfheim - Ein Gemeinderat ohne Artur Cremans? Eigentlich unvorstellbar. 40 Jahre lang war der Sozialdemokrat eine der dominierenden Figuren im Stadtparlament, er sah vier Bürgermeister kommen und (drei davon) gehen, er gab sein Herzblut für seine Heimatstadt – und jetzt hört er auf.

„40 Jahre sind genug“, betont der Sozialdemokrat, gebürtiger Schopfheimer und (Kommunal-)politiker mit Leib und Seele, aus dessen Mund solche Worte auch deshalb so unerhört klingen, weil das politische Feuer immer noch in ihm lodert.

Tatsächlich hatte es ihm die Politik schon in jungen Jahren angetan – auf den Geschmack kam Cremans als Schüler im Fach Gemeinschaftskunde bei Lehrer Meinrad Rümmele, damals selbst eine feste Größe in der hiesigen SPD.

Nach einer Verwaltungslehre bei der Stadt, für die er als blutjunger Mann die Kasse verwaltete, wechselte Cremans zwar in die Personalabteilung der Firma Ciba in Wehr, für ihn war aber trotzdem klar: „In dieses Rathaus will ich zurückkehren – aber als Stadtrat“.

So stürzte er sich mit voller Hingabe in die Politik. Nach dem Eintritt in die SPD im Jahr 1963 arbeitet er drei Jahre lang als persönlicher Referent für den Schopfheimer SPD-Bundestagsabgeordneten Walter Faller und knüpfte dabei Kontakte bis in die Bundesspitze.

1979 wählte Cremans als Mitglied der Bundesversamlung Gustav Heinemann zum Bundespräsidenten und plauderte dabei auch mit Bundeskanzler Helmut Schmidt. Dreimal trat er bei Landtagswahlen im Gespann mit Peter Reinelt überdies als Zweitkandidat an.

Trotzdem: Das Parkett der großen Politik reizte Cremans nicht wirklich. Dafür lag ihm, der einmal von sich selbst sagte, er sei „angefressen von der Politik“, seine Heimatstadt viel zu sehr am Herzen. In den 70er Jahren verpasste er als Zuhörer keine Gemeinderatssitzung und schaffte 1980 im dritten Anlauf für die SPD selbst den Sprung ins Stadtparlament.

„Ich war bestens vorbereitet“, erinnert er sich. Tatsächlich mischte er von Anfang an kräftig mit. Dabei kam ihm zupass, dass er sich beruflich weitergebildet und unter anderem Kurse in Rhetorik und Dialektik belegt hatte.

Profunde Sachkunde und pointierte Meinungsäußerungen machten Cremans denn auch schon bald zu einem der Wortführer nicht nur seiner eigenen Fraktion, sondern des Gesamtgremiums – an ihm führte im Rathaussaal buchstäblich kein Weg vorbei.

25 Jahre lang hielt Cremans als Fraktionsvorsitzender die Fahne für die SPD im Rathaus hoch. Genau so lange sprang er als ehrenamtlicher Stellvertreter für den amtierenden Bürgermeister in die Bresche. Er leitete zudem sechs Jahre lang den Ortsverein und stand bei etlichen Wahlkämpfen für seine Partei in vorderster Front. Von 2012 bis 2019 mischte er als Kreisrat für die SPD zudem in der Kreispolitik mit.

„Artur Cremans gibt der SPD ein Gesicht“, würdigte der einstige Landtagsabgeordnete Peter Reinelt seinen Genossen einmal. Und auch der frühere Bürgermeister Klaus Fleck (CDU) pries die „große Sachkunde“ des SPD-Stadtrats, mit dem er so manchen Strauß auszufechten hatte.

Für seine Verdienste in der SPD erhielt Cremans vor zehn Jahren die Willy-Brandt-Medaille, die höchste Auszeichnung, die die älteste deutsche Partei zu vergeben hat.

Zu den Meilensteinen seiner kommunalpolitischen Laufbahn zählt der scheidende Stadtrat unter anderem den Bau der Umgehungsstraße, die Abgabe des einst städtischen Krankenhauses an den Kreis und die Fusion der Städtischen Wohnbau Schopfheim (SWS) mit der Wohnbau Lörrach. Auch der Neubau des SVS-Sportheims, eine bessere Ärzteversorgung und der Abriss der alten Uehlin-Häuser waren – und sind – ihm ein Anliegen.

Für den 75-Jährigen ist jetzt dennoch die Zeit gekommen, sein Mandat niederzulegen.

Dazu trage auch „die jetzige Zusammensetzung des Gemeinderats“ sein Scherflein bei, räumt er ein. Manche Beschlüsse seien für ihn jedenfalls nicht mehr nachvollziehbar“ und mitunter sogar „seltsam“.

Dass die SPD bei der Kommunalwahl vor einem Jahr einen Sitz einbüßte und jetzt nur noch vier Vertreter ins Stadtparlament entsendet, schmerzt den eingefleischten Genossen bis heute. „Es tut weh“, gibt Cremans zu – und betont im gleichen Atemzug, dass seine Fraktion trotzdem immer noch „sehr kompetent“ sei.Das tröstet den Vollblutpolitiker denn doch. „Ich bin“, sagt Artur Cremans resümierend, „mit mir im Reinen“.

Von Werner Müller

Ein Abschied. Eine Zäsur. Ein Verlust. – Es gibt viele Worte, um den Rückzug von Artur Cremans aus dem Gemeinderat zu beschreiben.

Doch keines von ihnen wird dem Einschnitt, um den es dabei geht, wirklich gerecht – alle besagten Worte zusammen vielleicht noch am ehesten.

Denn mit Artur Cremans, dem vermeintlich ewigen Fraktionsvorsitzenden der SPD, kehrt eine, wenn nicht sogar d i e prägende Figur der Schopfheimer Kommunalpolitik der letzten Jahrzehnte dem Stadtparlament den Rücken.

Er wird allen fehlen – seinen Genossen in erster Linie, aber auch dem Gemeinderat insgesamt, der Verwaltung und – nicht zuletzt – der Stadt in Gänze.

Mit der jahrzehntelangen Erfahrung als Stadtrat, seinem wachen politischen Verstand, seinem umfassenden Wissen vor allem in Haushalts- und Personalfragen und seiner Schlagfertigkeit in hitzigen Debatten war er wertvoller Ratgeber, respektierter Wortführer und in der Wolle gefärbter Sozialdemokrat zugleich.

Aus seiner tiefen parteipolitischen Verankerung machte der einstige Referent Walter Fallers zwar nie einen Hehl, auf seine SPD ließ er, trotz mancher Enttäuschung, nie etwas kommen – und dennoch schlug Cremans im Stadtparlament auch Brücken in andere politische Lager.

Natürlich: Der gewiefte Politprofi ging einem Streit nie aus dem Weg, legte die Finger in so manche Wunde, bohrte hartnäckig nach und ließ sich mit halbgaren Antworten auf kritische Fragen nicht abspeisen.

Nein, ein bequemer Stadtrat war der leidenschaftliche Kommunalpolitiker in all den 40 Jahren wahrhaftig nicht. Doch bei alledem ging es ihm vorrangig nie um sich selbst oder um seine Partei, sondern einzig um das Wohl der Stadt und ihrer Bürger.

Und genau deshalb werden ihn nicht nur seine Genossen spätestens ab dem 13. Juli 2020 so sehr vermissen. Wie gesagt: eine Zäsur und ein Verlust – für alle.

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