Schopfheim Reue für den „Vatertags-Faustschlag“

Petra Martin
Im Amtsgericht trafen sich die Beteiligten wieder, nach deren Zusammentreffen am Vatertag Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung erhoben wurde. Foto: Petra Martin

Gerichtsverhandlung: Zwei Familienmitglieder wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt.

Schopfheim - Die Folgen eines alkoholgeschwängerten Vatertags haben dazu geführt, dass sich zwei Mitglieder einer weit verzweigten Familie vor Gericht verantworten mussten.

„Alkohol, die Gruppe und ein absolut nichtiger Anlass“ - so fasste Amtsgerichtsdirektor Stefan Götz die Dynamik jenes Vorfalls zusammen, bei dem es laut Anklage um gefährliche, weil gemeinschaftlich begangene Körperverletzung ging, die sich an einem Feiertag 2018 in Höhe des Golfplatzes zutrug.

Onkel und Neffe saßen nun zusammen auf der Anklagebank - die Verhandlung begann mit einem reuigen Geständnis des Onkels. „Ich habe zugeschlagen. Das ist nicht meine Art, das kann ich nicht nachvollziehen. Es tut mir leid. Meine Reaktion war falsch, ich stehe dazu, deshalb bin ich heute hier.“

Das Gericht versuchte, Licht in diesen Vorfall zu bringen: Es war der 10. Mai, Hebelfest in Hausen, gleichzeitig Christi Himmelfahrt und landläufig Vatertag. Die große Familie - „das ist bei uns eine Traditionsveranstaltung“ - brach auf, sammelte Freunde und Bekannte ein, um nach Hausen zu marschieren.

Die Gesellschaft, um die es bei Gericht ging, glühte nach Angaben des Onkels vor („Trinkbeginn war 10.15 Uhr“) und nahm dann in Hausen an mehreren Stationen reichlich Gerstensaft zu sich („Jeder Teilnehmer zahlt eine Runde“) – laut dem Angeklagten auch ein paar Kurze; möglicherweise hatte der Onkel bis zu 14 Bier intus. Nach übereinstimmenden Aussagen soll er gewankt und geschwankt haben.

Am Abend trat man den Rückweg Richtung Fahrnau an, manche gingen schneller und waren schon weiter vorausgegangen, andere liefen langsamer; die einen waren weniger, die anderen mehr alkoholisiert.

Der angeklagte Onkel berichtete, er sei in der hinteren Gruppe mit seinem Handy, das er aufgrund seines Alkoholpegels kaum mehr bedienen konnte, auf dem Weg gelaufen, als ein Auto entgegenkam. Dieses habe bis zum Stillstand abgebremst, als er einen Tritt seines Neffen gegen das Auto „vom Hören her“ vernommen habe. „Dann ging es sehr, sehr schnell.“ Ein Mann sei ausgestiegen, habe ein Schimpfwort gesagt und sei auf ihn losgestürzt. Dann habe es einen „Kontakt“ gegeben, so der Angeklagte, der dem Alkoholpegel geschuldete Erinnerungslücken geltend machte und seinen Faustschlag gegen den Fahrer möglicherweise darauf zurückführte, den Jungen noch Stärke beweisen zu wollen. Er sei dann von einem anderen Familienmitglied fixiert und weggeführt worden. Im Entegast habe er sich übergeben müssen, bevor er den Weg heruntergepurzelt und in die Wiese gestürzt sei, sich dabei Finger und Rippen brechend, so der Angeklagte. „Aber das nur nebenbei.“

Die Staatsanwaltschaft Waldshut-Tiengen beschrieb das Ganze so: Aus Verärgerung darüber, dass der Autofahrer zu schnell unterwegs gewesen sei, habe der Neffe gegen das Auto getreten, woraufhin der Fahrer ausstieg und fragte, was das solle. Dann sei der Fahrer von vier Personen einer Gruppe aggressiv bedrängt worden. Ein Faustschlag des Onkels traf den Autofahrer an der Schläfe, außerdem wurde das Opfer an der Kniescheibe verletzt. Der Geschädigte, der keinen Belastungseifer an den Tag gelegt habe, sei noch sichtlich mitgenommen. Eine Zeugin schilderte, „es war wie im Film“.

Die schon vorausgegange Gruppe indes wurde an jenem Vatertag herbeigerufen und kehrte um. Hier machten die betroffenen Familienmitglieder geltend, nicht gewusst zu haben beziehungsweise nicht gewusst haben zu können, was sich da hinter ihrem Rücken abgespielt hatte. Einer aus der vorderen Gruppe sorgte dafür, dass man sich beruhigte.

Der Geschädigte selbst sagte aus, er sei an einer sichtlich alkoholisierten Gruppe in Schrittgeschwindigkeit vorbeigefahren. Dann habe er eine zweite Gruppe gesehen, sei rechts gefahren, als der Angeklagte ihm mit seinem Handy entgegenlief. Dann habe es einen großen Schlag gegen das Auto gegeben, er sei ausgestiegen, um zu fragen, was das solle, „dann sind die auf mich los“, der Angeklagte sei „total aggressiv“ gewesen. Er sei durch die Faust des Angeklagten am Kopf erwischt worden, habe einen Bluterguss am Knie gehabt, später Knie- und Kopfschmerzen.

Zudem sei er von Gruppenmitgliedern Richtung Hausen abgedrängt und festgehalten beziehungsweise auf den Boden gedrückt worden; er habe die Polizei gerufen, was seine Freundin, die Beifahrerin, ebenfalls tat. Die Entschuldigung des Angeklagten vor Gericht nahm der Geschädigte an. „Der Alkohol ist aber keine Ausrede“, betonte er.

Waren die Angeklagten aufgrund ihres Alkoholkonsums vermindert schuldfähig? Sollte der Neffe, der gegen das Auto trat, woraufhin alles seinen Lauf nahm, nach dem Jugendstrafrecht verurteilt werden, weil er damals erst 20 Jahre alt war?

Eine Einstellung des Verfahrens gab es nicht, aber Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Gericht erkannten allesamt einen minderschweren Fall an gefährlicher Körperverletzung.

Für den angeklagten Onkel hatte die Staatsanwaltschaft eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 80 Euro gefordert, für den Neffen, der keine Reue an den Tag gelegt habe, 100 Tagessätze à 60 Euro. Die Verteidigung, die eher eine einfache Körperverletzung erkannt hatte und nicht ausschloss, dass eine komplette Schuldunfähigkeit vorlag, hielt eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen à 60 Euro für den Onkel für angemessen.

Welche Version sich mit welchen Schimpfwörtern zu welchem Zeitpunkt und mit wie viel Promille genau abspielte? Wichtig war dem Gericht festzuhalten, dass die gesamte Provokation vom angeklagten Onkel ausging, dem als Erwachsenen die Konsequenzen übermäßigten Alkoholkonsums hätten bewusst sein müssen, so Richter Götz, der das „öffentliche Stigma“ ansprach und wohl wusste, was die beiden Angeklagten ihrer Familie eingebrockt hatten.

Das Gericht verdonnerte schließlich, das Jugendstrafrecht anwendend, den Neffen dazu, dem Arbeitskreis Rauschmittel 1800 Euro zu überweisen - der junge Angeklagte atmete auf: Er gilt nach dem Urteil, so es denn rechtskräftig wird, als nicht vorbestraft. Sein Onkel muss 50 Tagessätze à 70 Euro hinlegen.

Und dieses Jahr am Vatertag? „Ich hoffe, dass so etwas nie wieder vorkommt“, nahm eines der besonnenen Familienmitglieder die angeklagten Verwandten ins Gebet.

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