Schopfheim Rote Karte für die Stadtfinanzen

Anja Bertsch
Die Reißleine ziehen soll der Gemeinderat bei den Ausgaben. Foto: Anja Bertsch

Alarmierte Mienen im Gemeinderat: Das Landratsamt verweigert der Stadt die Genehmigung für geplante Kredite. Im Haushalt für 2025 muss daher nachgearbeitet werden. Darüber hinaus braucht es grundsätzliche Einschnitte, macht Kämmerer Spohn deutlich.

Die Ansage aus Lörrach ist eine unrühmliche Premiere: Den erhobenen Zeigefinger hatte die Kommunalaufsicht der Stadt für deren Haushaltsführung schon öfter gezeigt. Nun gibt es erstmals echte Konsequenzen: Der Haushalt wird in der bislang vorliegenden Form nicht genehmigt. Die Nachricht erreichte die Stadt selbst am Donnerstag, die Gemeinderäte am Freitag. Übers Wochenende rauchten im Rathaus die Köpfe, um den Haushaltsentwurf so hinzubiegen, dass er im zweiten Anlauf das Okay aus Lörrach bekommt. Endgültig beschlossen werden soll das Zahlenwerk in der Gemeinderatssitzung am 9. Dezember.

50 Bürger im Ratssaal

Etwa 50 Bürger drängten sich im Zuhörerbereich des Ratssaal – die meisten mutmaßlich nicht, um in die Untiefen und Details der Haushaltsplanung mit abzutauchen, sondern um Präsenz zu zeigen für Stadt-Museum und/oder Schweigmatter Schwimmbad, die ebenfalls und eigentlich weiter oben auf der Agenda standen. Da allerdings machte Thomas Gsell (SPD) einen Strich durch die Rechnung: Auf seinen Antrag hin wurden die Haushaltsberatungen nach vorn gezogen – auch mit Blick darauf, was die Hiobsbotschaft aus Lörrach für die weiteren Beschlüsse des Abends bedeuten könnte. Das indes war letztlich gar nicht so viel.

Strukturelles Defizit

Das Problem der Stadt ist vor allem das Dauer-Defizit im Ergebnishaushalt. Dieser bildet grob gesagt den laufenden Betrieb von Personalkosten über Gebäude- und Straßenunterhalt bis zu ÖPNV-Zuschüssen und Kinderbetreuung ab; von Investitionen – Baumaßnahmen oder Anschaffungen – ist da noch gar keine Rede. Das Ungleichgewicht zwischen Aufwendungen und Erträgen wiederholt sich Jahr für Jahr – ein strukturelles Defizit also, das sich nicht von allein löst, im Gegenteil: Die Defizit-Bugwelle, die die Stadt vor sich herschiebt, wird in den kommenden Jahren immer höher, wenn sich nicht gravierend etwas ändert, machte Kämmerer Thomas Spohn klar. Deutlich wird das in der auf fünf Jahre ausgewiesenen mittelfristigen Finanzplanung: Diese prognostiziert ein stetig steigendes Defizit, das 2028 um die acht Millionen Euro liegen könnte.

Kredite und Schuldendienst

Eine solide Finanzplanung sieht anders aus – und eben daher hat das Kommunalamt als Kontrollbehörde nun die rote Linie gezogen: So lange die Stadt das Defizit im Ergebnishaushalt nicht in den Griff bekommt, ist nicht daran zu denken, Kredite aufzunehmen oder sogenannte Verpflichtungsermächtigungen für Investitionen im folgenden Jahr auszusprechen. „Schulden an sich sind nicht schlimm, und oft sinnvoll, um Investition zu tätigen“, machte Spohn in diesem Zusammenhang deutlich. „Das gilt aber nur, wenn man auch den Schuldendienst leisten kann.“ Eben das sieht das Landratsamt in der aktuellen Finanzverfassung der Stadt nicht gegeben.

Eigentlich hatte die Stadt fürs kommende Jahr sogar mit 3,8 Millionen geplant. Weil sich doch noch einige Posten zum Positiven veränderten, hatte sich der gewünschte Kreditbetrag zuletzt auf 600  000 Euro reduziert – die vom Landratsamt nun allerdings auch noch kassiert wurden.

Lösung „über Nacht“

Übers Wochenende hat die Finanzverwaltung um Kämmerer Spohn das Problem gelöst, um den Gemeinderäten eine Lösung und dem Landratsamt einen genehmigungsfähigen Haushalt zu präsentieren – zumindest oberflächlich: „Wir sparen nicht ein, wir schieben“, machte Spohn deutlich. Unter den erst einmal aufs kommende Jahr geschobenen Projekten findet sich die Schlauchpflegeanlage für 125 000 Euro ebenso wie die Anschaffung eines Raumteilers für die Kita im Loh für 1500 Euro; neun Posten insgesamt, die sich auf die geforderten 600 000 Euro summieren. Wirklich gelöst ist das Problem mit solchen Not-Aktionen natürlich nicht. Auch hier droht sich eine Bugwelle aufzutürmen, ebenso wie bei den Investitionen.

Zum Mantra geriet an diesem Abend daher die Rede von einer Klausurtagung, in der sich Verwaltung und Gemeinderat im Frühjahr zusammenfinden sollen, um die nach Worten des Stadtoberen nötige Radikalkur zu beschließen: „Das Wunschkonzert ist vorbei. Wir müssen runterkommen von den Ansprüchen und ans Eingemachte, vor allem bei den freiwilligen Maßnahmen“, predigte Bürgermeister Harscher an diesem Abend einmal mehr. In den vergangenen Jahren sei Schopfheim den schlechten Prognosen zum Trotz immer irgendwie davongekommen. Das sei nun endgültig vorbei: ein „weiter so“ funktioniere nicht mehr. Auch Thomas Gsell zeigte sich alarmiert: „Das Wasser steht uns nicht nur bis zum Hals. Ich habe das Gefühl, dass wir schwer schnappatmen und vielleicht sogar untergehen. Die Lage ist wirklich dramatisch.“

Debatte um Einzelbeträge

In der Diskussion über den Haushaltsentwurf am Montag ging es dann vor allem um Rückfragen zu einzelnen geplanten Beträgen. Um einen 76 000 Euro geringeren Ansatz für die Elternbeiträge in der Kleinkindbetreuung etwa, um knapp 150 000 Euro, die für den Umbau der Wiesenbrücke veranschlagt sind und womöglich ein Luft nach unten haben, oder um 30 000 Euro für die Planung des Radschnellwegs, die nach einem aufschiebenden Kreistagsbeschluss womöglich erstmal obsolet sind.

Die großen Schlachten, falls es sie denn gab, waren in den vergangenen Wochen in nicht-öffentlichen Sitzungen hinter verschlossenen Türen geschlagen worden. Die – nach Ausscheiden der immer-kritischen Unabhängigen aus der Kommunalpolitik vermutlich einhellige – Verabschiedung des Haushaltsentwurfs ist für die Sitzung am Montag, 9. Dezember, geplant.

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