Schopfheim Schreiber ohne Furcht und Tadel

Harald Pflüger

Abschied: Redaktionsleiter des Markgräfler Tagblatt, Werner Müller (wm), geht in Ruhestand

„Er ist der Schnellste...Obwohl er nicht mehr zu den Allerjüngsten zählt, zeigt er wie es geht.“ Wer „Werner Müller“ in die Suchmaschine eingibt, erhält 2,4 Millionen (!) Suchergebnisse und stößt auf obigen Satz. Doch der bezieht sich auf den KTM-Werkspiloten Werner Müller. Für das Markgräfler Tagblatt (MT) kann es nur einen Werner Müller geben. Den Werner Müller. Kürzel: wm. In den 1980er, 1990er, 2000er und 2020er Jahren prägte er den (Schreib-)Stil unserer Zeitung wie kaum ein anderer. Jetzt geht er nach 38 Jahren im „Zeitungsgeschäft“ in Ruhestand.

Von Harald Pflüger

Schopfheim. Als Werner Müller nach Abitur und Studium im Jahr 1984 sein Volontariat beim Oberbadischen Volksblatt in Lörrach begann, waren E-Mail und Internet für ihn noch Science fiction. Es war ein Handwerk im wahrsten Sinne des Wortes, das wm von der Pike auf erlernte. Zu den Arbeitsutensilien gehörten neben der mechanischen Schreibmaschine und „Tipp-Ex“ Schere und Kleber. Irgendwann kam der Panda. Nicht die „tolle Kiste“ auf vier Rädern, sondern ein gleichnamiger Computer, der die Schreibmaschine ersetzte. Später wurden futuristisch gestylte Apparate mit einem Apfel-Logo auf den Schreibtisch gestellt. Werner Müller ist Zeitzeuge der rasanten technischen Entwicklung der Zeitungsherstellung.

Der Anfang

Die Anfänge. Die lagen in einer verqualmten Redaktionsstube des Oberbadischen Volksblatts in der Haagener Straße in Lörrach.

Werner Müller, der Nichtraucher, hatte seinen Schreibtisch zwischen dem zweier Kettenraucher.

Den Weg zum Arbeitsplatz legte er auf zwei oder vier Rädern zurück. Ersteres am liebsten. Denn Sport, das ist eine der Leidenschaften Müllers. Wind und Wetter konnten ihn nicht davon abhalten, mit dem Rad zur Arbeit zu kommen. Und Ferien? Nicht ohne mein Velo!

Ein weiteres Hobby des studierten Politikwissenschaftlers (M.A.), der in seiner Freizeit seine Nase gerne in Bücher steckt, ist die Beschäftigung mit politischen, historischen und philosophischen Themen. Und dann ist da noch die Musik: Ob Rolling Stones, Bruce Springsteen oder The Who: Müller hat sie alle gesehen und gehört.

Der Wechsel

Nach seinem zweijährigen Volontariat wechselte Werner Müller vom Oberbadischen Volksblatt (heute: Die Oberbadische) zum Markgräfler Tagblatt nach Schopfheim. Werner Müllers Gespür für Sprache und seine Führungsqualitäten fielen auch Verleger Dr. Jaumann auf. Und so war es keine Frage, dass ihm 1989 die Redaktionsleiterstelle beim Markgräfler Tagblatt angeboten wurde, als diese vakant wurde, und die Zusammenarbeit mit Petra Martin, Peter Schwendele und Harald Pflüger begann.

Seine erste Wirkungsstätte lag Ecke Hauptstraße, Scheffelstraße. Mit direktem Blick auf den Marktplatz und dem Fotolabor unterm Dach. Im Sommer heiß, im Winter kalt. Später dann der Umzug (inklusive Kistenschleppen) ins jetzige Domizil in der Hauptstraße 51 in Schopfheim.

Der Chef

Müller ist so, wie man sich einen Journalisten im besten Sinne vorstellen muss: Ein bestens vernetzter Schreiber ohne Furcht und Tadel, der kein Blatt vor den Mund nimmt und für die gerechte Sache kämpft. Mit dem Florett und nicht mit dem Schwert, um Verleger Dr. Jaumann zu zitieren.

Und ein Redaktionsleiter, dessen Autorität von seiner Kompetenz und seiner Schreibe herrührt.

Einer, der als Journalist Vorbild sein kann, den man um Rat fragt, einer, der die Redaktion als Team versteht und sich vor die Kollegen stellt, sollte dies nötig sein.

Und einer, den man ruft, wenn die Technik hakt.

Einen schöneren Beruf könne er sich nicht vorstellen, hatte Werner Müller einmal gesagt. Müller ist Journalist mit Leib und Seele. Der Job. Mehr Berufung als Beruf.

Der Konstante

Bürgermeister und Gemeinderäte kamen und gingen. Das Stadtbild Schopfheims wandelte sich. Baustellen öffneten und schlossen sich, einige blieben bestehen.

Eine Konstante gab es in all den Jahren, und die hieß Werner Müller. Als Werner Müller 2009 für 25-jährige Tätigkeit geehrt wurde, bescheinigte ihm Geschäftsführer Martin Pförtner, nicht nur eine tragende Säule des Verlagshauses zu sein, sondern attestierte ihm einen souveränen Schreibstil sowie eine spitze und stilsichere Feder. Die beweist Müller samstags in seinem Stadtspiegel, den er im Wechsel mit seiner Kollegin Petra Martin schreibt.

Der Hotzenwälder

Dass er gebürtiger Hotzenwälder ist, daraus hat Werner Müller nie einen Hehl gemacht. Der Journalist Peter Ade überschrieb einen Beitrag über den Hotzenwald so: „Volk mit kernigem Humor“. Er verwies auf den ehemaligen Bundespräsidenten Gustav Heinemann, der die Hotzen darum so sehr mochte, weil sie das Herz auf dem rechten Fleck hätten. „Sie wirkten am Anfang wohl etwas zurückhaltend, fast scheu, bald aber lässt sich hinter einer rauen Schale ein weicher Kern erahnen. Freundlich, hilfsbereit - der Hotzenwälder sagt, was er denkt. Und er nimmt vor den „Großen“ kein Blatt vor den Mund. Schon gar nicht vor denen, die meinen, sie seien die Allergrößten…“

Die Bürgermeister

Für Schopfheims Bürgermeister Dirk Harscher geht mit dem Abschied Werner Müllers vom Markgräfler Tagblatt eine Ära zu Ende. Eine Ära, die für Harscher geprägt war von einer fairen und vertrauensvollen Zusammenarbeit Müllers mit der Verwaltung und dem Gemeinderat. Dafür dankt ihm Harscher „von ganzem Herzen“ und wünscht ihm „einen wohlverdienten Ruhestand“. Müller sei immer nah dran gewesen an den Menschen. Seine Berichterstattung, so Harscher, „war gekennzeichnet von Hintergrundwissen und Sachverstand“. Jemand wie Werner Müller, der seinen Beruf mit Herz und Seele ausgefüllt habe, sei ein Glücksfall für jede Redaktion.

Er habe Werner Müller immer sehr geschätzt, weil er ein prima Rechercheur war, der sich nicht auf eine Meinung verlassen habe, sagt Harschers Amtsvorgänger Christof Nitz. Müller sei ein exzellenter Kenner der Stadt Schopfheim, der am politischen Geschehen beteiligten Akteure und des Vereinswesens. Müller, so Nitz, sei immer top informiert und habe gute Informanten („die er mir leider nie genannt hat“). Klasse seien „seine treffenden Kommentare“ gewesen. Müller habe eine Zeit erlebt, in der sich das Zeitungswesen „wahnsinnig verändert“ hat. Auch diese Zeit habe er mit Bravour gemeistert.

Dass er sehr sportlich ist, habe man auch an seiner Arbeit gemerkt. Immer das Ziel vor Augen, habe er nie aufgegeben, wenn er an etwas dran war.

Persönlich habe er Werner Müller als sehr fairen Redakteur erlebt, auch wenn man vor allem am Anfang seine Differenzen gehabt habe. Im Laufe der Zeit habe man aber gemerkt, was man aneinander habe.

Dass dem scheidenden Redaktionsleiter im Ruhestand langweilig wird, glaubt der Ex-Bürgermeister angesichts dessen Hobbys nicht.

Eine lange Zeit hat Werner Müller auch Bürgermeister Klaus Fleck begleitet. Fleck erinnert sich an viele wunderbare Gespräche und daran, dass das, was vertraulich war, auch vertraulich blieb. Müller habe sich immer intensiv um Hintergrundwissen bemüht, um Dinge richtig einordnen zu können.

Das Telefon

Noch etwa aus dem Nähkästchen: Wichtigstes Arbeitsutensil ist für wm das Telefon. Wer in die Redaktionsstube kam, was coronabedingt in den vergangenen zwei Jahren seltener geschah, sah wm meist mit dem Telefonhörer am Ohr, den Blick auf die Straßen Schopfheims gerichtet. Dass er den Beinamen „Telefonator“ erhielt, kommt nicht von ungefähr. Gäbe es keine Flatrate, käme noch ein weiterer Anruf hinzu. Der der Geschäftsführung wegen der Telefonrechnung.

Die Spatzen

Die Spatzen pfiffen es bereits von den Dächern. Ab 1. Juli wird sich Werner Müller in die Schar derer einreihen, die vermeintlich nie Zeit hat, die der Rentner. Haus und Garten, die Familie und die Hobbys werden die frei werdenden Stunden füllen. In der Redaktion wurden bereits Wetten abgeschlossen, wann sich wm den Redaktionsalltag zurückwünscht.

Verabschiedung

„On the cover of the Rollin` Stone“, wie Dr. Hook & the Medicine Show sangen, schaffte es der Musikfreund Werner Müller zwar nicht. Dafür anlässlich seines Ruhestands in den Lokalteil unserer Zeitung. Doch nach Abschied feiern ist beim Markgräfler Tagblatt niemandem zumute, nachdem Kollege Peter Schwendele durch eine schwere Krankheit so plötzlich aus dem Leben gerissen wurde.

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