Schopfheim Schwindel erregende Perspektiven

Markgräfler Tagblatt
Räume von unten betrachtet: Michael H. Rohde löst mit seiner malerischen Fotokunst in der Schopfheimer Kulturfabrik beim Betrachter gewollte Irritationen aus. Foto: Jürgen Scharf Foto: Markgräfler Tagblatt

Kunstverein: Ausstellung von Michael H. Rohde in der Kulkturfabrik / Die Welt steht Kopf

Von Jürgen Scharf

Die Welt steht Kopf in den Bildwerken von Michael H. Rohde. Wie macht der Fotokünstler das bloß?

Schopfheim. Sein Geheimnis gibt der in Berlin lebende Rohde nicht preis. Für den Betrachter ist es eine Sache der Wahrnehmung, denn die formale Logik der Bildarchitektur in den sorgfältig kalkulierten und inszenierten Interieurs ist auf den Kopf gestellt.

Der Besucher der Ausstellung des Kunstvereins in der Kulturfabrik sieht quasi Menschen, Gegenstände, Möbel von unten betrachtet.

Rohde empfindet sich eher als Maler mit der Kamera denn als Fotograf, und er passt auch die Farbe gelegentlich kompositorisch an. Der 57-jährige Westfale arbeitet mit Dingen, die er vorfindet. Zuerst hat er verlassene Häuser gesucht und von oben fotografiert, dann die Sichtweise geändert und ist zum Blickwinkel „Bild von unten“ übergegangen. Mit der eigenen Wohnung hat er angefangen, dann Freunde und Bekannte in Berlin „heimgesucht“.

Inspiriert ist er von der holländischen Malerei eines Jan Vermeer, mehr noch dürfte Rohdes Bildkomposition und der Aufbau von den metaphysischen Räumen des italienischen Malers Giorgio de Chirico beeinflusst zu sein. Dessen kafkaeske Szenarien scheinen bei Rohde weiterzuleben. Da schweben die Dinge im Raum, scheint alles verkehrt zu sein, Figuren und Tiere und Objekte liegen wie schwerelos im Raum, es ist, als ob es einem den Boden unter den Füßen wegzieht. Es schwindelt einem, wenn man das sieht.

In seinen wandgroßen Interieurs – teilweise sind sie mehrteilig zusammengesetzt – versucht Rohde, die Fotografie des schönen Scheins zu überwinden und zu einer inneren Sicht der Dinge vorzudringen. Seine Milieustudien erzählen ganze Geschichten. Er hat auch schon Untersuchungen geschichtsträchtiger Räume gemacht hat, das Nietzsche-Haus, das Beethoven-Haus, das Sigmund Freud-Haus oder die Villa Wahnfried im Wagner-Pilgerort Bayreuth auf den Kopf gestellt.

In der Wohnung zweier Schauspielerinnen - eine spielte die Rolle der Ophelia und trägt noch Kostüm und Maske - hat er Badezimmer und Toilette mit der Dame auf der Kloschüssel sitzend aus ungewöhnlicher Perspektive abgebildet. So geht weltweit kein anderer Künstler das Thema Raumansichten an.

Dahinter steckt keine Konzept- oder Zufallsidee, sondern ein jahrelanges Nachdenken und Arbeiten über Perspektive. Der malerische Blickwinkel Rohdes liegt zwischen Malerei und Fotografie. Und vor ihm ist kein Raum, keine Etage sicher, um Einblicke in reale Wohnungen zu bekommen, in alle Winkel und in irritierender gespiegelter Perspektive. Die fallenden Linien sind genauso verwirrend wie mancher Detailreichtum irreal.

Das Mädchenbad ist so ein Beispiel, aber auch die kleine Künstlerküche oder das Kinderzimmer. In diesen metaphysischen Interieurs begegnen einem die Gegenstände in freiem Flug. Das Verrücken realer Dinge, das Hineinbringen in eine surreale Umgebung, die man als Betrachter so nicht vermutet, stellt die Wirklichkeit auf die Probe.

Rohde zeigt den Menschen in diesem Ambiente so, wie sich der Mensch selber nie sehen könnte. Und er zeigt eine Welt, die man nur mit seiner raffinierten Technik so sehen kann: eben „From Below“, wie die Serie heißt, „von unten“.

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