Von Jürgen Scharf Schopfheim-Fahrnau. So ein Programm hört man nicht alle Tage. Das Klavierduo Stenzl kam zum jüngsten Konzert bei Klassik im Krafft-Areal mit einem durchdachten Programmkonzept. Nur vordergründig standen bedeutende Musikerjubiläen 2016 im Blickpunkt dieses Recitals für zwei Klaviere. Der eigentliche rote Faden war Johann Sebastian Bach. Eine große Musik braucht eine große Antwort: Ferruccio Busoni reagierte auf Bach mit der Improvisation über den Choral „Wie wohl ist mir, o Freund der Seele“. Es ist der Versuch, Bach aus dem 19. Jahrhundert ins frühe 20. Jahrhundert zu exportieren. Ähnliches kann man von der Übertragung und Bearbeitung des Bach-Chorals „Alle Menschen müssen sterben“ von György Kurtág sagen. Von dem Ungarn spielten Hans-Peter und Volker Stenzl eine Auswahl von sechs Stücken aus „Játékok – Spiele für Klavier“. Es sind meist witzige, aphoristische Stücke, aber auch Spiele Kurtágs mit dem Kontrapunktischen und Bach, dem Prius, wie in „Kyrie – Hommage à J.S.B.“, Ein pfiffiges Stück und eine Entdeckung war György Ligetis Sonatina, ein frühes Werk von 1950 vom „unbekannten“ Ligeti, der ja auch ein Pop-Art- und Beatles-Fan war. Nur der Vollständigkeit halber seien hier die Jubiläen nachgetragen: Kurtág 90. Geburtstag, Busoni 150. Geburtstag, Ligeti 10. Todestag. Man muss als Zuhörer offen sein, sich auf diese modernere Musik einlassen. Gerade beim Nebelkanon aus „Játékok“ sollte man jeden Ton genau hören. Da liefert das souveräne Duo Stenzl Eins-a-Präzisionsarbeit ab, punktuelle Genauigkeit im vierhändigen Spiel: ein sehr genaues Einander-Zuhören und Nachverfolgen. Auffallend war: Die Klavier-Brüder spielen ihr ganzes Programm, auch den abschließenden Koloss Reger, auswendig – eine enorme Konzentrations- und Gedächtnisleistung. Durch das Auswendigspielen klappt die Kommunikation an einem und die Interaktion an zwei Klavieren besser. Wie reizvoll diese selten aufgeführten Stücke klingen, wird bei ihrem von lebendiger Musikalität getragenen Spiel deutlich. Auch der abschließende Reger, ein Brocken namens Variationen und Fuge über ein Thema von Beethoven – eines der meistaufgeführten Werke dieses vernachlässigten wilhelminischen Kontrapunktikers –, war pianistisch und musikalisch sehr ansprechend und ließ keine Wünsche in Sachen Durchhörbarkeit offen. Die Brüder Stenzl wissen den expansiven Klang in den klavierorchestralen Passagen dieser monumentalen Beethoven-Adaption in zwölf Charaktervariationen mit der krönenden gewaltigen Schlussfuge sinngebend zu nutzen: sehr fließend gespielt mit einer im Grunde genommen einzigen ekstatischen Steigerung. Zudem tat der Kontrast zwischen den beiden Konzertflügeln, die versetzt platziert waren – ein Experiment mit dem Klang, um das Spielen bei geöffneten Deckeln zu ermöglichen –, und der ehemaligen Fabrikhalle ein Übriges an Wirkung, so dass das Publikum selbst nach diesem schwierigeren Konzertabend die beiden Gäste nicht ohne zwei Zugaben gehen ließ: zwei vierhändig gespielte finnische Volksweisen von Busoni, bei denen sich Hans-Peter und Volker Stenzl verdammt nahekamen.