Schopfheim Sozialwerk wehrt sich gegen Vorwürfe

Anja Bertsch
Die Möglichkeit, den Lebensabend In den eigenen vier Wänden zu verbringen: Das Versprechen des „Service-Wohnens“ im Dietrich-Bonhoeffer-Haus. Foto: Anja Bertsch

Es rumort im Evangelischen Sozialwerk – Trägerverein von Georg-Reinhardt- und Dietrich-Bonhoeffer-Haus sowie weiterer Angebote für Senioren in Schopfheim und dem Wiesental. Was ist dran an den Vorwürfen von Mietwucher und mieser Stimmung?

Auslöser der Unmuts-Welle, mit der sich das Evangelische Sozialwerk (ESW) und insbesondere Geschäftsführer Matthias Lang, seit Oktober 2024 neu im Amt, konfrontiert sieht: Kurz vor Weihnachten erhielten Bewohner des Dietrich-Bonhoeffer-Hauses eine Mieterhöhung von saftigen 20 Prozent. Statt einer Kaltmiete von bisher 16 Euro sollen sie künftig 19,20 pro Quadratmeter zahlen.

Guter Service, stolzer Preis

Ob mit oder ohne Erhöhung: Ein stolzer Preis, auch für hiesige Verhältnisse. Indes: Den Bewohnern des Hauses direkt am Bahnhof wird sogenanntes „Service-Wohnen“ angeboten: eigenständiges Wohnen, jedoch mit der Möglichkeit, bei Bedarf – und gegen Bezahlung – unkompliziert die Pflege des im selben Haus beheimateten Pflegediensts Curare in Anspruch nehmen. Die Möglichkeit also, den Lebensabend bis zuletzt in den eigenen vier barrierefreien Wänden und vertrauter Nachbarschaft zuzubringen.

Vorwurf der Mietwucherei

In Reaktion auf die Erhöhung hatten sich Betroffene an die Öffentlichkeit gewandt und den Vorwurf der „Mietwucherei“ erhoben. Je nach Wohnungsgröße steige die Miete um 200 Euro, so eine Beispielrechnung.

Im Verlauf der Debatte wurde klar: Die Erhöhung betrifft allein die acht „Erstbezieher“, die direkt nach der Eröffnung im Jahr 2020 eingezogen waren. Die Mehrheit derer, die seit 2021 neu zum Wohnprojekt hinzugestoßen waren, stieg direkt bei besagten 19 Euro ein, da da bereits klar gewesen sei, dass die bisherige Kalkulation nicht trägt, wie Geschäftsführer Matthias Lang auf Nachfrage deutlich macht.

Dass nun auch die Mieten für die Erstbezieher auf dieses Niveau angehoben werden, ist in den Augen Langs keineswegs unbotmäßiger Mietwucher, sondern schlicht betriebswirtschaftliche Notwendigkeit – und in gewisser Weise auch eine Frage der Gerechtigkeit. Tatsächlich hätten fünf Parteien sich mit der Erhöhung nach Gesprächen auch arrangiert.

Wenngleich die Zahl der faktisch Betroffenen klein ist – die Stimmung hat für alle im Haus, und auch in den übrigen Bereichen des Unternehmens gelitten. Mit einer offensiver Kommunikation nach innen und außen versuchen hauptamtlicher Vorstand und Geschäftsführer Matthias Lang und Verwaltungsratsvorsitzender Jürgen Multner nun, die Wogen zu glätten und so manches ins rechte Licht zu rücken, was in ihren Augen aus dem Blick geraten ist.

„Schwarze Null ist Pflicht“

„Wir sind ein privatwirtschaftliches Unternehmen mit betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten“, macht Lang deutlich. Auch wenn das ESW das „evangelisch“ im Namen trage: „Wir bekommen keinerlei Geld von Kirche, Kommune oder Land.“ Ebenfalls im Namen: das „gemeinnützig“, das sowohl die zum Verein gehörende gGmbH Georg Reinhardt-Haus als auch die gGmbH Curare im Namen tragen.

Curare als Sorgenkind

Das bedeutet durchaus, dass eine Gewinnorientierung nicht im Vordergrund steht – „aber die Kosten müssen wir decken. Die schwarze Null ist Pflicht.“ Und zwar im Sinne des Ganzen, wie an dieser Stelle Multner ergänzt: „Wenn ein Zweig dauerhaft in Schieflage ist, kippt irgendwann alles“ – und das meint im Fall der ESW nicht allein das Servicewohnen, sondern auch das stationäre Pflegeheim Georg-Reinhard-Haus und den ambulante Pflegedienst Curare.

Sorgenkind in diesem Sinne ist insbesondere der Pflegedienst, der ältere Menschen im gesamten Kleinen und großen Wiesental ambulante Pflege anbietet und darüber hinaus im Eisweiher eine ambulant betreute Wohngemeinschaft (WG) für zehn Menschen betreibt. „Curare steht nicht gut da“, bekennt Lang nach einem intensiven Blick in die Bücher.

WG-Miete wird steigen

Gerade die WG – unter ideellen Gesichtspunkten ein Vorzeigeprojekt – sei ein Zuschussgeschäft. Zehn Bewohner mit einer Betreuung rund um die Uhr: Der Personalschlüssel ist hier besser als in jedem Pflegeheim oder Krankenhaus, macht Lang deutlich. Klar sei daher schon jetzt: Auch hier müssen die Mieten angehoben werden. Wann und wie hoch, ist aktuell noch nicht klar, da es auch ums grundsätzliche Konzept gehe. Klar ist nämlich auch: Auf eine kostendeckende Höhe können die Mieten gar nicht angehoben werden.

Persönliche Vorwürfe

Auch über den Mietwucher-Vorwurf hinaus sehen sich ESW und insbesondere Lang persönlich Anwürfen ausgesetzt, die in einem anonymen Schreiben auch unserer Redaktion erreicht haben: Die Stimmung sei schlecht. Mit Lang, vor seinem Wechsel ins ESW bekanntlich über 30 Jahre lang bei der VR-Bank tätig, habe ein neuer Geist Einzug gehalten – der Fokus nun auf Zahlen statt Menschen gerichtet, so der Tenor. Dies wiederum in negativer Absetzung zu Vorgänger Martin Mybes, der sich vergangenen Herbst in den Ruhestand verabschiedet hatte.

„Sicherlich: Die Dinge ändern sich. Es gibt an vielen Stellen Handlungsbedarf. Dinge müssen neu gerechnet und angeschaut werden, damit das Boot insgesamt nicht ins Schlingern gerät. Und genau das ist auch die Aufgabe des neuen Geschäftsführers“, hält Multner dem entgegen.

Weiter Optimierungsbedarf

Heißt das im Umkehrschluss, dass der neue Geschäftsführer nicht das wohlbestellte Haus übernommen hat, das man sich wünscht? So deutlich wollen weder Lang noch Multner werden und formulieren lieber positiv: „Es gibt Bedarf und Potenzial für Optimierungen“ – sei es im Kleinen bei den Routen der ambulanten Pflegekräfte, sei es bei der Vereinheitlichung von Mieten oder beim Konzept im Eisweiher.

Trotz aller Zahlenzwänge zeigt Lang sich optimistisch, das ESW auf gutem Kurs zu halten – und zwar gemeinsam mit den etwa 160 Mitarbeitern und den etwa 130 Bewohnern der verschiedenen Häuser, über eine intensivere Vernetzung mit anderen Anbietern im Pflegebereich und eine Öffnung des Hauses – in dem sich neben der Tagespflege beispielsweise auch ein Veranstaltungsraum findet, der künftig auch Nutzer von außerhalb offenstehen soll.

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