Schopfheim Stadtgeschichte als spannender Lesestoff

Werner Müller
Klaus Strütt (links), Hauptverantwortlicher der Jahrbücher, zusammen mit den Autoren der diesjährigen Auflage. Foto: Werner Müller

Das druckfrische Jahrbuch 2023 der Stadt Schopfheim liegt vor. Darin finden sich unter anderem spannende Geschichten über einen Marketing-Pionier und eine „weggeschwemmte Kirche“.

Eine „weggeschwemmte Kirche“ und zwei Gottschalk-Villen. Der 30-jährige Krieg und ein unbekannter SPD-Bundestagsabgeordneter. Und dazu die unglaubliche Erfolgsgeschichte des „Nigrin“-Mannes mit Wiesentäler Wurzeln: Auch die jüngste, die 39. Ausgabe des Schopfheimer Jahrbuches ist gespickt mit spannendem Lesestoff – über die Stadt, ihre Menschen und über ihre Geschichte.

336 Seiten stark

336 Seiten stark ist das Jahrbuch 2023, das Klaus Strütt am Mittwochabend präsentierte. Für den Beigeordneten Thomas Schmitz war es nach eigenen Worten denn auch eine „große Ehre“, das Werk im Beisein von Ehrenbürger Klaus Fleck und zahlreichen Stadträten offiziell entgegenzunehmen. Klaus Strütt sei der „zentrale Dreh- und Angelpunkt“ des Jahrbuchs, bedankte sich Schmitz bei dessen geistigem Vater und hauptverantwortlichen Gestalter seit nunmehr fast vier Jahrzehnten. Das Jahrbuch sei viel mehr als eine Sammlung von tagesaktuellen und historischen Ereignissen, sondern spiegele die Entwicklung der Stadt insgesamt wider, so Schmitz.

Themen und Ideenvielfalt

„Die Themen- und Ideenvielfalt erstaunt uns jedes Jahr“, zollte Fachbereichsleiter Jürgen Sänger dem Macher des Jahrbuchs ein dickes Lob und wünschte den hoffentlich vielen Lesern des Nachschlagewerks „viel Freude bei der Lektüre“. „Mir liegt die Stadt am Herzen, dafür will ich mit dem Jahrbuch einen kleinen Beitrag leisten“, betonte Klaus Strütt. Das Werk solle nicht nur die Ereignisse eines Jahres dokumentieren, sondern auch Einblicke in die Geschichte der Stadt bieten. Strütt dankte den zahlreichen Autoren, die ihre Beiträge honorarfrei zur Verfügung stellten.

Allein 500 Einträge im Namens- und deren 350 im Sachregister machen deutlich, wie breit die Themenpalette der Ausgabe für das Jahr 2023 wieder ausgefallen ist.

Das Jahrbuch bietet im so genannten „Tagesspiegel“ auf knapp 200 Seiten eine umfassende Auflistung der tagesaktuellen Ereignissen auf – angefangen von den Wirren ums Krankenhaus und dem Verkauf der Hebelschule über die Möblierung der Hauptstraße und den Hochwasserschutz in Eichen und Enkenstein bis hin zur endlosen Geschichte um die alten Uehlin-Häuser und dem Wegfall der Post-Filialen.

Auf gut 150 Seiten fördert das Jahrbuch außerdem spannende Details zur Stadtgeschichte zutage und porträtiert Schopfheimer Persönlichkeiten, die Geschichte schrieben – ohne dass in ihrer Heimatstadt davon Notiz genommen wurde.

Modernes Marketing

Wie Carl Gentner zum Beispiel, der als „Pionier“ der Gründerzeit des 19. Jahrhunderts und des modernen Marketings für Furore sorgte. Autor Helmut Blank zeichnet das Porträt des Bauernsohns aus Wiechs (1854 bis 1917), der in den 1870er Jahren nach Göppingen auswanderte, bei einem chemisch-technischen Unternehmen eine Anstellung fand und, mit diesem Fachwissen ausgestattet, später eine Marke ins Leben rief, die bis weit ins 20. Jahrhundert hinein für Furore sorgte: „Nigrin“. Gemeinsam mit seiner Frau stellte Gentner in der Waschküche seines Hauses Schuhwichse her – und hatte riesigen Erfolg.

„Nigrin“: Der Name bleibt

Er gründete eine eigene Firma und war um 1900 bereits Eigentümer einer großen Fabrik mit mehreren hundert Mitarbeitern. Mit der „genialen Idee“, für seine Produkte mit einem schwarzen Schornsteinfeger auf Stelzen zu werben, machte er deutschlandweit auf sich aufmerksam. Das Unternehmen musste 1974 zwar Insolvenz anmelden, der Name „Nigrin“ indes blieb erhalten und ist nach mehr als 125 Jahre immer noch eine der ältesten Marken des Landes.

An den ersten SPD-Bundestagsabgeordneten aus Schopfheim erinnert Klaus Strütt in seinem Beitrag. Der Name dürfte den wenigstens Schopfheimern bekannt sein: Gustav Herbig. Ein glänzenden Redner, der im Sudetenland geboren wurde, in der Nazizeit im KZ saß, 1948 aus dem kommunistischen Tschechoslowakei nach Deutschland floh und in Gersbach von 1949 bis 1951 eine neue Heimat fand.

Tief in der Stadtgeschichte gegraben hat auch Aaron Schwald. Er schildert detailliert und kenntnisreich das Leid und die Not der Markgrafenstadt und ihrer Bewohner während des 30-jährigen Kriegs (1618 bis 1648). Die Stadt musste den durchziehenden Armeen ständig Tribut zollen und ging pleite; marodierende Soldaten brandschatzten, zerstörten und mordeten; die Pest wütete und forderte 656 Tote – am Ende hatten der Krieg und seine Begleiterscheinungen einem Drittel der Bevölkerung das Leben gekostet.

„Schleichender Niedergang“

Von diesem Schlag sollte sich die einst stolze Markgrafenstadt nie mehr ganz erholen. „Das war – 400 Jahre nach ihrer Gründung – der Anfang vom schleichenden Niedergang für die Bedeutung der Stadt“, so das Fazit von Klaus Strütt.

Er selbst geht in einem Beitrag der Geschichte der Glocken der evangelischen Stadtkirche von 1892 auf den Grund und beschreibt das Schicksal der zwei Gottschalck-Villen und ihrer Bewohner. Der Historiker Klaus Schubring verfolgt die Spuren einer weggeschwemmten Kirche beim heutigen Golfplatz in Ehner-Fahrnau.

Weitere Jahrbuch-Artikel beschäftigen sich mit dem Hochzeitsbuch der Eheleute Camill und Anna Kym-Krafft (Ulla K. Schmid), der zweiten Aktion der Stolperstein-Initiative (Andrea Millhahn-Menne und Ingeborg Teipel), dem 120-jährigen Bestehen der Zeugen Jehovas in Schopfheim (Hansjörg Noe), der 35. Mund-Art Literatur-Werkstatt (Markus Manfred Jung und Volker Habermaier) sowie dem 150jährigen Bestehen der Feuerwehr Langenau.

Zwei Porträts runden das Jahrbuch ab – eines ist dem Gersbacher Rolf Strohm gewidmet („Mitmachen liegt mir am Herzen“, Autor: Werner Müller), das andere der verstorbenen Fasnachtslegende Hermann Wendland („Er brachte Schopfheim zum Lachen“, Autor: Johannes Kaiser).

Das Jahrbuch 2023 ist erhältlich im örtlichen Buchhandel sowie in der Stadtbibliothek und im Tourismusbüro. Es ist außerdem bestellbar über die Homepage der Stadt: www.schopfheim.de/de/Lebenswertes-Schopfheim/Stadtportrait/Jahrbuecher/Jahrbuch-Bestellung

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