Schopfheim Verschönern statt verschandeln

Markgräfler Tagblatt

Intercoiffeur: Waschen, schneiden, föhnen, beichten: Dieter Zimmermann stellte sein Buch vor

„Du hast die Haare schön“, klimperte Marius Lais auf dem Keyboard. Zoe und Noelle, die Enkelinnen des Zeller Intercoiffeurs Dieter Zimmermann, stimmten dann mit englischen Liedern auf ein wahrhaft festliches Ereignis ein. Opa hat nämlich ein Buch geschrieben. Und das präsentierte er Freunden, Wegbegleitern, Kolleginnen und Kollegen und Kunden am Mittwoch im Kleinen Saal der Stadthalle.

Von Hans-Jürgen Hege

Schopfheim. 70 Jahre Geschichte eines – seines – Handwerks hat er in einem Büchlein zusammengefasst. Und der Verleger Johannes Rösler vom AbisZ-Verlag in Friedrichshafen, der vor einem Jahr schon Udo Sikaus Kehraus „Vom Leben eines Gehwegkosmetikers“ veröffentlicht hatte, brachte Zimmermanns Versuch, den Wandel der Frisörkunst in sieben Jahrzehnten für jedermann verständlich auf den Punkt zu bringen, in diesen Tagen unter der Überschrift „Scheitel links, Scheitel rechts“ druckfrisch heraus.

Viel ist in dem Buch zu lesen über Dieter Zimmermanns Jugend, übers Elternhaus, den Beruf der Eltern, die ihren ersten Salon in der Schwanenstadt eröffneten. Von Dieter Zimmermanns steiler Karriere ist die Rede, von Günter Amann, dem Träger des Bundesverdienstkreuzes und ehemaligen Frisörweltmeister, der es verstand, Zimmermanns Ehrgeiz anzustacheln und ihn zu motivieren, nach höheren Weihen in einem Handwerk zu streben, das zum Ziel hat, „die Menschen zu verschönern, nicht zu verschandeln“, wie es der Intercoiffeur formulierte.

Dickes Lob von Günter Amann

Auch Amann war bei der Vorstellung des Buches dabei. Und er erinnerte sich: „Wir haben wahnsinnig schöne Power-, Leistungs- und Qualitätsjahre gemeinsam für diesen Beruf gemacht. Unsere Philosophie von Jugend-, Berufs und Persönlichkeitsförderung stand dabei immer an erster Stelle“, sagte Amann und zollte „dem lieben Dieter“ ein ganz persönliches „Bravo“ als großes Lob für das Buch und für den gelungenen Abend, den die Todtnauerin Monika Schneider mit ihrem Beitrag über „ihr“ Frisörmuseum und über den in Todtnau geborenen Karl Ludwig Nessler bereicherte, der vor 100 Jahren die Dauerwelle erfunden hat.

Nun aber zurück zum Buch des Mannes, der nach eigenem Bekunden rund 100 000 Haarschnitte gemacht hat, von denen keiner dem anderen glich, weil man sich – so der Autor – „bei jedem mit viel Liebe gemachten Schnitt neu beweisen muss“.

Es habe Zeiten gegeben, in denen Frisörsalons „News-Rooms“ glichen, in denen die Herren der Schöpfung über Politik, Sport und Frauen palaverten – und in Zell schon ab Weihnachten über die Fasnacht, die in der Schwanenstadt bekanntermaßen die geliebte Butter auf dem Brot ist und die natürlich auch ums Frisörgeschäft der Zimmermanns keinen Bogen machte.

Kunden schütteten ihr Herz aus, nutzten den Salon mitunter als Beichtstuhl und waren sich dabei der Tatsache bewusst, dass „ein guter Frisör ganz gewiss nicht tratscht“.

Inge Meysel zählte zu den Kundinnen

Viele Preise habe er gewonnen, viele Auszeichnungen erhalten, sagte Zimmermann. Und er erinnert in seinem Buch daran, dass unter anderem auch Inge Meysel einmal zu seinen zufriedenen Kundinnen zählte und dass es auch einmal einen Kunden gab, der nicht in den Laden kam, um sich die Harare schneiden zu lassen, sondern um sich aufzuwärmen und die Zeitung zu lesen.

Am Ende stellt Dieter Zimmermann in seinem Werk die Frage, wie die (Frisör-)Welt in 70 Jahren sein wird. „Gibt es da noch Frisöre? Gibt es überhaupt noch Haare auf dem Kopf? Werden Roboter die Haare schneiden und Apps das Drumherum erledigen?“ Es werde sicherlich Apps geben, die vielleicht sogar Schuhe binden und Waschmaschinen mit allen erdenklichen Programmen steuern können, vermutete er, und war sich sicher: „Eines werden Maschinen nicht haben: das Gefühl der Hände, das nötig ist beim Massieren und ganz individuell gefühlvoll und mit viel Berufspathos die Wünsche des Kunden erfüllen können.“ Die Zeit aber werde hektischer werden, die Menschen noch gefühlskälter und ärmer an zwischenmenschlichen Begegnungen. Gespräche, die man nur mit dem Arzt oder dem Frisör führt, würden verschwinden.

„Vielleicht aber wird gerade der Beauty-Salon einer der letzten Orte sein, wo man all diesen Trends entfliehen kann“, konstatierte der Friseurmeister, um sich dann seinen Freunden zu widmen und die Bücher, die sie mitnahmen, zu signieren. Es blieb viel Zeit für Gespräche auch unter Kollegen und ehemaligen Mitstreitern („Jeder Inhaber eines Frisörsalons in der Stadt ist durch meine Schule gegangen“).

Und es blieb Zeit, die Gemälde zu bewundern, die zu malen Dieter Zimmermann in einem arbeitsreichen Leben mit Kamm, Schere, Lockenwicklern und Trockenhaube scheinbar doch hin und wieder Zeit und Muße gefunden hat.

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