Doch bis es so weit ist, soll das Grundstück als nicht-öffentlicher Parkplatz genutzt werden. Ein Anwohner schüttelt den Kopf darüber. Er hat sich mit einer Reihe von Fragen an die Fraktionsvorsitzenden gewandt: „Ist es zeitgemäß angesichts heißer werdender Sommer und allenthalben gefordertem städtebaulichen Umdenken, eine bislang mit Bäumen bestandene Grünfläche sowie historischen Baubestand in einen versiegelten Parkplatz umzuwidmen?
„Es geht um das Gesamtensemble der Gründerzeit-Villen“
Ist es zeitgemäß, ein attraktives bauliches Ensemble, zu dem übrigens das Schulungszentrum der IHK einen gelungenen architektonischen Akzent setzt, abzureißen, um für Individualverkehr, den offiziell keiner mehr möchte, bessere Voraussetzungen zu schaffen?“
Der Bürger fragt auch, ob es angemessen sei, in einer Spielstraße Parkflächen planerisch zu forcieren, obwohl damit eine weitere Verkehrsbelastung absehbar sei. Der Anwohner weiter: „Ist es vermittelbar, dass eine berufsständische Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Pflichtmitgliedschaft und Pflichtbeiträgen sich mit so einem Schritt wohl wenig um Gemeinwohl und gesellschaftliche Verpflichtung kümmert, nämlich städtischen Lebensraum lebenswert zu erhalten?“
Der Anwohner will nicht verhehlen, auch persönliche Motive für sein Schreiben an die Fraktionen zu haben. Denn er ist in einer der drei Gründerzeit-Villen in der Amalienstraße, die sich früher im Besitz seiner Eltern befand, aufgewachsen. Seine Großeltern haben das Haus in den Dreißiger Jahren erworben; heute lebt der Anwohner gegenüber. Er findet es wichtig, die „Villa Amalia“ zusammen mit den beiden anderen Häusern als „ein in Schopfheim wahrscheinlich einzigartiges, noch erhaltenes Ensemble“ zu betrachten.
Anwohner: „Ist eine Versiegelung noch zeitgemäß?“
Die Stadtverwaltung ist indes dabei, den Abbruchantrag für die „Villa Amalia“ zu prüfen. „Der Abrissantrag ist in Bearbeitung“, so Jochen Sutter vom Hochbauamt. Die Nachbarschaftsbeteiligung laufe. Fakt sei, dass die Villa unter Denkmalschutz stehe, weshalb die Denkmalbehörde ein Wörtchen mitzureden habe. Dies gehe aus den mittlerweile digitalisierten Akten hervor. Wobei es hier eine Ungereimtheit gebe: In den analogen Unterlagen sei ein Denkmalschutz nicht vermerkt.
Sobald die Stellungnahme des Denkmalamts eingegangen sei, werde die Stadtverwaltung ihre Einschätzung ans zuständige Landratsamt weiterleiten. „Das müssen wir noch in der Sommersitzungspause machen.“ Der Bauausschuss, der erst am 26. September wieder tagt, werde dann per Mitteilungsvorlage informiert.
Die IHK betont indes, die Anlage von nichtöffentlichen Parkplätzen sei nicht Grund für den Abriss, sondern bloße Interimsnutzung. Und: „Eine merkliche Verkehrszunahme erwarten wir nicht.“
IHK: „Im Gegenteil, es wird entsiegelt, und es werden Bäume gepflanzt“
Die Sorge, die Fläche werde durch den Abriss versiegelt, ist laut IHK ebenso unbegründet wie die um den vorhandenen Baumbestand. Im Gegenteil: Mit dem Abriss des Gebäudes würde die Fläche gerade entsiegelt, Stellplätze ließen sich ohne Versiegelung realisieren, und es sollen über den Bestand hinaus weitere Bäume auf der frei werdenden Fläche gepflanzt werden.
Ein Geschichtskenner gibt derweil zu bedenken, dass die Villa der Amalienstraße ihren Namen gab – sie war das erste Haus, das dort errichtet wurde.
Für ältere Schopfheimer ist die „Villa Amalia“ ein fester Begriff. Denn sie wurde von einem bekannten Architekten erbaut: von Johann Siegele aus Südtirol (gestorben 1908), der 1880 auch die örtliche Bauleitung für die katholische Kirche in Schopfheim hatte sowie für Kirche und Rathaus in Schönau. Benannt wurde die Villa nach Siegeles Frau Amalia.
In der „Villa Amalia“, so heißt es, hätten unter anderem der Architekt selbst, Otto Blank, Bürgermeister in der Nazi-Herrschaft von 1935 bis 1945, und ein IHK-Präsident gewohnt. Die „Villa Amalia“ habe kultur- und kunsthistorisch eine größere Bedeutung als das „Uehlin-Haus“, so ein Kenner der Ortsgeschichte gegenüber unserer Zeitung. Es müsse erwogen werden, ob die „Villa Amalia“ wichtig für einen architektonischen Vergleich sein könnte.
Es gehe aber nicht darum, per se das Alte zu bewahren und gegen etwas Neues zu sein, betonen Geschichtskenner. Hier müsse einfach genau abgewogen werden.
Übrigens: Der Sohn von Johann Siegele war der Maler Franz Siegele – etliche Bilder von ihm befinden sich im Besitz der Stadt.