Schopfheim „Wer stolpert, wacht auf“

Markgräfler Tagblatt

Stolpersteine: Bewegende Feierstunde zum Andenken an Bella, Wilhelm und Melitta Auerbacher

Beim Gedenken allein darf es nicht bleiben: Darin waren sich alle einig, die am Mittwochmorgen der Verlegung der drei „Stolpersteine“ vor dem ehemaligen Haus der jüdischen Familie Auerbacher in der Wallstraße 5 beiwohnten.

Von Werner Müller

Schopfheim . Es war eine bewegende Feier in der Altstadt. Besonders, als Ronny McMurray, Nachfahre der Familie Auerbacher, das Wort ergriff.

„Ich danke aus tiefstem Herzen für die Einladung“, sagte der 69-Jährige, dessen Eltern vor den Nazis nach Holland geflüchtet waren und der heute mit seiner hochbetagten Mutter Ilse in Israel lebt. Es sei für ihn eine „große Ehre“, an diesem bedeutsamen Tag vor dem Haus seiner Urgroßeltern stehen zu dürfen.

Während im Hintergrund der Künstler Gunter Demnig die drei Messingsteine für Bella, Wilhelm und Melitta Auerbacher sorgfältig in das Kopfsteinpflaster einfügte, schilderte McMurray das Schicksal seiner Großtante Bella, die 1940 von Nazis von Schopfheim aus erst nach Gurs deportiert und dann in Auschwitz ermordet wurde.

„Und heute stehe ich als Abkömmling der Familie Auerbacher, als Jude und als Israeli hier“, erklärte McMurray. Es sei den Nazis nicht gelungen, die Juden zu vernichten – „wir leben noch“. Was geschehen ist, sei geschehen, fügte er hinzu und sprach ein Gebet – erst auf Deutsch, dann auf Hebräisch. Er schloss mit der Mahnung: „So etwa darf nie wieder passieren“.

Darauf hob auch Oberrabbiner Moshe Flomenmann ab. Sechs Millionen ermordete Juden – das sei für viele nur eine Zahl, sagt er. „Doch durch die Stolpersteine bekommen die Menschen einen Namen zurück“, so Flomenmann.

Beim Gedenken dürfe es jedoch nicht bleiben, ebenso wichtig sei, zu verhindern, dass „so etwas wieder passiert“. „Gedenken ist leicht“, meinte der Oberrabbiner, es komme aber darauf an, aktiv gegen Vorurteile und Rassismus einzutreten. Und er wies darauf hin, dass das Judentum eben mehr sei als der Holocaust. In Deutschland gebe es wieder ein lebendiges jüdisches Gemeindeleben.

Schwere Schuld

Von einem „ berührenden“ Anlass sprach Eddi Mutter, der Beigeordnete der Stadt. Erinnerung sei eine Form der Begegnung, erklärte er. So gesehen ermöglichten die Stolpersteine eine Begegnung mit den Menschen, die bis zu ihrer Vertreibung einst hier lebten. „Uns muss allgegenwärtig sei, was hier geschehen ist und was nie hätte geschehen dürfen“, so Mutter. Mit den Stolpersteinen könne man den Opfern der NS-Diktatur „ein Stück Heimat“ zurückgeben. Mutter bedankte sich bei der Initiative um Marianne Merschhemke für dieses „symbolträchtige Projekt“.

Auch zwei frisch gebackene Bundestagsabgeordnete nahmen an der Zeremonie teil – Diana Stöcker von der CDU und Takis Mehmet Ali von der SPD. „Wer stolpert, wacht auf“, würdigte Stöcker die Aktion und erklärte, durch die Stolpersteine bekämen die von den Nazis vertriebenen und ermordeten Menschen wieder ein Gesicht. Insofern seien die Stolpersteine ein „dezentrales Mahnmal“ für die Opfer des Nationalsozialismus.

Mitglieder der Initiative „Stolpersteine Wiesental“ erinnerten in kurzen Beiträgen an das Schicksal von Bella, Wilhelm und Melitta Auerbacher. Ingeborg Teipel schilderte unter Bezugnahme auf den Tagebucheintrag des

Gegen das Vergessen

damaligen Apothekers Hermann Glattes, dass die Deportation von Bella Auerbacher und anderen jüdischen Schopfheimern einen „großen „Menschenauflauf“ in der Stadt ausgelöst habe.

Andrea Millhahn-Menne las aus den „Stedtli“-Erinnerungen von Heiner Schneegaß, der den „Beginn des Todeswegs“ von Bella Auerbach in bewegenden Worten schildert und schreibt, dass das Haus in der Wallstraße „für immer mit dem Schicksal dieser Familie verbunden“ sei und welch „schwere Schuld“ das deutsche Volk mit der Ermordung der Juden auf sich geladen habe.

Marianne Merschhemke erinnerte an Wilhelm Auerbacher, der 1940 mit seiner Frau Melitta ins Exil in die USA flüchtete und dort bis 1962 lebte. Nur einmal kehrte er in seine Heimatstadt zurück, um das ehemalige Elternhaus, das ihm nach der Enteignung durch die Nazis nach dem Krieg wieder zugesprochen worden war, zu verkaufen.

THG-Direktorin Claudia Tatsch betonte, das Gedenken sei – insbesondere für die Jugend – als Auftrag zu verstehen, nach vorne zu denken. Auch deshalb wollen sich die hiesigen Schulen nach ihren Worten auf lokalhistorische „Spurensuche“ begeben, um herauszufinden, ob es noch weitere Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft gebe, an die mit einem „Stolperstein“ zu erinnern ist.

„Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist“, erklärte Markus Heubes, der die Feierstunde moderierte. Er bedankte sich bei der Stadt für die Unterstützung. „Das ist nicht überall so einfach“, meinte er.

THG-Schüler trugen Gedichte von Erich Fried und Bertolt Brecht vor, für die musikalische Begleitung sorgte Andreas Wäldele mit seiner Mandoline.

Die drei Stolpersteine sind wie folgt beschriftet:

Hier wohnte Bella Auerbacher, Jg. 1903, deportiert 1940 Gurs, interniert Drancy, 1942 Auschwitz ermordet.

Hier wohnte Wilhelm Auerbacher, Jg. 1897, Schutzhaft 1938 Dachau, Flucht 1940 USA.

Hier wohnte Melitta Auerbacher geb. Bloch, Jg. 1908, Flucht 1940 USA.

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