Schopheim/Wiesental Neues Jahr, alte Probleme bei der S 6

Gerald Nill
Wiederholt enden seit Monaten immer wieder Züge in Schopfheim, fahren aufgrund von Verspätungen nicht nach Zell und lassen Fahrgäste unfreiwillig am Schopfheimer Bahnhof „stranden“. Foto: Gerald Nill

Der Fahrgastverband Pro Schiene beklagte schon im abgelaufenen Jahr eine massive Verschlechterung der Pünktlichkeit der Wiesentalbahn. Dass ein Zug außerplanmäßig in Schopfheim endet und Passagiere das Ziel Zell nicht erreichen, häuft sich. 

Bahn-Kenner Karl Argast von Pro Schiene spricht von teilweise chaotischen Zuständen. Er ist schon länger erbost über die Unzuverlässigkeit des Betreibers SBB Deutschland: „Züge der S 6 wenden vermehrt aufgrund von Verspätungen in Schopfheim, was sich allerdings nicht immer und auch nicht jedem erschließt.“

Unsere Zeitung berichtete bereits im Herbst, dass sich die Zugverspätungen und Ausfälle auf der Wiesentalverbindung häufen. Im neuen Jahr setzen sich die Mängel unvermindert fort. In dieser Woche haben Züge den Ziel-Bahnhof Zell wieder nicht erreicht. Die Fahrt dauerte zum Beispiel am Dienstagnachmittag vom Badischen Bahnhof Basel bis Zell sage und schreibe 2 Stunden – statt 40 Minuten. Betroffene beklagen die damit verbundenen Umstände ebenso wie die Desinformation. Auch am Donnerstag kam es auf der Wiesentalstrecke zu Unregelmäßigkeiten und Verspätungen.

Massive Verspätung: Aus Minuten werden Stunden

Abfahrt Dienstag, 13.17 Uhr, Badischer Bahnhof. Bereits in Riehen bleibt der Zug stehen. Durchsage des Fahrers: Ein Stellwerkproblem, einige Minuten Verzögerung. Dann geschieht 30 lang Minuten lang nichts: keine Durchsage, keine Bewegung, absoluter Stillstand. Einige können es mit Humor nehmen, schließlich sitzt man im Warmen, während draußen Fahrgäste, die in Gegenrichtung wollen, genauso lange am Bahnsteig stehen.

Genau nach 30 Minuten setzt sich der Zug langsam in Bewegung. Man schöpft Hoffnung, dass nun alles nach Plan weiterläuft, zumal der Zug ja nun wieder im Takt ist. In Haagen bleibt der Zug jedoch wieder außerplanmäßig stehen. Diesmal kommt die Ansage vom Band: „weil ein entgegenkommender Zug abgewartet werden muss“.

Endstation Schopfheim – wie weiter nach Zell?

In Schopfheim folgt dann das außerplanmäßige Aus für diesen Zug: Aufgrund der hohen Verspätung fährt die S 6 nicht weiter bis Zell, sondern endet in Schopfheim. „Schon wieder“, entfährt es einigen entnervten Fahrgästen, die die Bahn regelmäßig benutzen.

Die Fahrgäste verlassen den Zug, gehen durch die Unterführung zum Gleis 2 und gesellen sich zu den Wartenden, die aufgrund des Ausfalls schon mindestens 30 Minuten dort stehen. Schneeregenschauer und Windböen machen das Warten nicht zum Vergnügen. Die Info-Anzeige kündigt den nächsten Zug in 15 Minuten an. Eine Zeit, die wie in Zeitlupe verrinnt. Was, wenn jetzt wer einen dringenden Termin hat? Was, wenn jetzt wer ein Baby dabei hat?

„Was für eine Unzuverlässigkeit, was ein Chaos!“

Endlich wird der nächste Zug mit einer Durchsage angekündigt: Einfahrt aus Basel auf Gleis 1. Die Hälfte der Fahrgäste rennt durch die Unterführung zum ersten Gleis. Taschen platzen, Lebensmittel kollern auf den Boden. Der Zug aus Basel rollt ein. Und dann der Hammer: Die Zuganzeige wechselt auf „Geschlossen“. Auch dieser Zug endet in Schopfheim und löst damit entrüstete Reaktionen aus. „Was ist das für eine Unzuverlässigkeit, was für ein Chaos!“ Erst der übernächste Zug schafft es tatsächlich, nach Zell zu fahren, wo man entnervt schließlich um 15 Uhr ankommt – knapp zwei Stunden nach Beginn der Odyssee in Basel.

Von teilweise „chaotischen Zuständen“ spricht auch Pro Schiene. Teilweise werde die S 6 nämlich noch mit 20-minütiger Verspätung bis Zell geführt; dann wieder werde die Etappe ersatzlos gestrichen.

„Fahrgäste sind mit Recht mehr als sauer“

Argast nimmt auch die Betriebsleitung der DB in Karlsruhe in die Pflicht. Sie sei „nicht über die Örtlichkeit im Wiesental im Bilde“. Für den Nahverkehrsexperten ist klar, dass sich Fahrgäste andere Mobilitätswege suchen und auch auf das Auto umsteigen, wenn die Bahn die Zuverlässigkeit nicht liefert, merkt Argast an. „Arztbesuch, kulturelle Veranstaltungen und so weiter werden mindestens zu Tagesunternehmungen.“

Pro Schiene befürchtet sogar eine schleichende Streckenkappung, wenn das Angebot und auch die Resonanz immer schlechter werden. Böse Erinnerungen werden wach: Vor 45 Jahren musste schon einmal für den Erhalt der Wiesentalbahn bis Zell gekämpft werden. Mobilitätswende und Klimawende seien ernsthaft in Gefahr, schließt Argast im Namen von Pro Schiene Dreiland. Dabei hatte die S 6 vor drei Jahren einmal Traumwerte von 99 Prozent Pünktlichkeit.

Björn Oeschger, Sprecher von SBB Deutschland, bezeichnete die Ausfälle im Herbst noch als Einzelfälle. Jetzt bezieht Daniel König, Marktleiter der SBB Deutschland, Stellung zu den Problemen. „Es handelt sich um eine Stellwerksstörung des Stellwerks Lörrach der Deutschen Bahn, die zu einem Totalunterbruch zwischen Weil und Steinen sowie zwischen Riehen und Zell führte“, berichtet König mit Blick auf die Ausfälle am Dienstag. „Nebst sechs Fahrten der S5 hat die Störung genau die geschilderten Zugfahrten betroffen.“

Betreiber SBB verweist auf Infrastruktu der DB

König erläutert weiter, dass die SBB Deutschland als Betreiber der Wiesentalbahn auf die Schieneninfrastruktur der Deutschen Bahn angewiesen sei. „Unser Antrag und die entsprechende Absprache war, dass keine Züge der S 6 vorzeitig gewendet werden, sprich Ihre und die nachfolgende S 6 waren nicht für eine vorzeitige Wendung in Schopfheim vorgesehen“, führt König aus. „Daher konnten wir am Bahnhof mit den beschränkt nutzbaren Tools der Deutschen Bahn auch keine direkte Information durchführen.“

SBB will eigene Leitstelle aufbauen

Für eine Verbesserung bei derartigen Situationen werde aktuell eine eigene Leitstelle in Lörrach mit erhöhten Personalressourcen eingerichtet. „Wir als Unternehmen reagieren schnell auf die seit wenigen Jahren geänderten Rahmenbedingungen im deutschen Bahnverkehr mit einem ungeplanten Invest“, so König. Grundsätzlich sei die SBB „in einem intensiven Austausch mit der Deutschen Bahn“. König betont: „Unsere sonstige sehr hohe Qualität der Linien S 5 und S 6 resultiert auch daraus, dass diese Zusammenarbeit in vielen Fällen – vor allem mit den örtlichen Eisenbahnern der Deutschen Bahn – sehr gut funktionieren kann.“

Und er versichert: „Die Passagiere haben den Anspruch, sicher und pünktlich an ihr Ziel zu gelangen.“ Dass dies nicht funktioniert hat, tue ihm sehr leid. „Was wir voll auf unsere Schulter nehmen müssen, sind die fehlenden Durchsagen nach der Erstinformation in der S 6 im Bahnhof Riehen. Dies bitten wir vielmals zu entschuldigen“, sagt König zur Kommunikation bei Störungen.

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