Sozialer Wohnungsbau Auf schmalem Grat

Ingo Dalcolmo
Die Keltersiedlung in Zuffenhausen soll im Zuge einer Nachverdichtung umgebaut werden. Foto: Mierendorf

Kommunale Wohnungsbaugesellschaften geraten zunehmend unter Druck, weil sie für die Öffentlichkeit nicht schnell genug preisgünstigen Wohnraum anbieten können.

Der Rasen vor dem Haus ist frisch gemäht, die Hecke, die den Vorgarten umsäumt, akkurat geschnitten. Zwischen den hochgewachsenen Bäumen ein paar Rosensträucher, liebevoll von ein paar Steinen eingefasst. Das Idyll wäre fast perfekt, wären da nicht die Plakate. Auf einem steht ganz groß „Instand halten statt abreissen! Bezahlbare Wohnungen erhalten“. Seit bekannt wurde, dass die städtische Wohnungsbaugesellschaft SWSG die in den 1920er und 1950er Jahren entstandene Keltersiedlung in Zuffenhausen umbauen will, ist nichts mehr so, wie es war. Die Mieter in dem Quartier haben Angst, dass sie sich nach der Modernisierung die Mieten nicht mehr leisten können. Jetzt hat sich Widerstand formiert.

Vor allem Großstädte von Wohnungsmangel betroffen

Kommunale Wohnungsbauunternehmen geraten zunehmend überall dort unter öffentlichen Druck, wo preiswerter Wohnraum immer knapper wird. Und das aus unterschiedlichen Beweggründen. Betroffen sind vor allem die Groß- und Universitätsstädte wie Freiburg, Heidelberg oder Stuttgart. Den städtischen Wohnbauunternehmen wird dabei unterstellt, sich in den zurückliegenden Jahren lieber auf das lukrative Bauträgergeschäft konzentriert zu haben, als sich um den Bau von preiswerten Mietwohnungen und die Sanierung des Bestandes zu kümmern. Jetzt bleibe oft nur noch der Abriss, so die Kritiker. „Mit den Einnahmen aus dem Bauträgergeschäft finanzieren wir die laufenden Modernisierungen des Bestandes.“ Ohne diese Einnahmen wären viele der notwendigen Maßnahmen gar nicht finanzierbar, wehrt sich Samir Sidgi, Vorstandsvorsitzender der SWSG, gegen die Vorwürfe. Unbestritten ist: In vielen Städten fehlt heute bezahlbarer Wohnraum. Doch die Meinungen über die Frage, wie neuer Wohnraum möglichst schnell geschaffen werden kann, gehen weit auseinander. Die Kommune will im Idealfall jedem ihrer Bürger gerecht werden. Sie will aber auch ihre eigenen Filetgrundstücke, so sie noch welche besitzt, nicht gerade umsonst hergeben. Und es wäre fatal, jetzt wieder in die Fehler der 70er und 90er Jahre zu verfallen und auf der grünen Wiese Satellitenstädte aus dem Boden zu stampfen.

Die städtische Wohnungsbaugesellschaft hingegen ist per Satzung der Versorgung der Bevölkerung mit preiswertem Wohnraum verpflichtet, andererseits aber als privatwirtschaftliche Rechtsform zum unternehmerischen Handeln angehalten. So wandelt sie auf dem schmalen Grat zwischen betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten und dem Anspruch, den die jeweils gewählten Volksvertreter an sie haben. Doch auch eine städtische Wohnungsbaugesellschaft wie die SWSG kann keine Wunder vollbringen. Zwar gehört sie mit einem Wohnungsbestand von 18.000 zu den großen kommunalen Wohnungsgesellschaften in Deutschland. „Das reicht jedoch bei Weitem nicht aus, um den wachsenden Bedarf an preisgünstigen Wohnungen allein zu decken. Den meisten Interessenvertretern sind die Zusammenhänge und Rahmenbedingen bekannt. Besonderen Druck spüren wir deshalb nicht. Wir verfolgen sachlich und seriös unsere Ziele im Sinne des Unternehmensauftrages“, sagt Sidgi.

Nachverdichtung kommt nicht überall gut an

Vor allem Grundstücke fehlen. Wo diese fehlen, setzen die Planer auch schon mal am Bestand an. Wo städtebaulich machbar, werden bestehende Gebäude im Rahmen der Sanierung um ein oder zwei Stockwerke erhöht oder die großzügig bebauten Quartiere aus den 50er Jahren bekommen auch schon mal Gebäude vor die Nase gesetzt. Trotz Wohnungsmangel kommt diese Nachverdichtung nicht überall an. Vor allem bei den Bewohnern der Quartiere regt sich manchmal Widerstand.

Im Landkreis Ludwigsburg musste die Bietigheimer Wohnbau, ebenfalls eine kommunale Tochter, viel öffentliche Kritik einstecken, weil sie auf einem bislang als Grünfläche genutzten Grundstück in einem Quartier im Rahmen der Nachverdichtung neue Wohnungen erstellt hat und die Bewohner der angrenzenden Wohnungen sich nun um den freien Blick betrogen fühlen. Kommunale Wohnungsunternehmen werden aber nicht nur von den eigenen Mietern zunehmend mit Argwohn betrachtet. Immer mal wieder kritisieren private Bauträger, dass kommunale Wohnungsunternehmen ihnen gegenüber beim Grundstückserwerb im Vorteil seien, weil sie als kommunales Unternehmen nicht nur leichter an die Grundstücke kämen, sondern auch bessere Kreditkonditionen erhielten. Carsten Schüler, Geschäftsführer der Bietigheimer Wohnbau, hält das für eine Mär: „Wir stehen im gleichen Wettbewerb wie andere Bauträger, zumal viele Städte schon gar keine eigenen Grundstücke mehr haben.“

Beim vbw Verband baden-württembergischer Wohnungsunternehmen betrachtet man die Entwicklung auf dem sozial geförderten Wohnungsmarkt schon länger mit Sorge. „Wir können nur bauen, wenn wir Bauland haben“, so Verbandsdirektorin Sigrid Feßler. Der vbw fordere von der Politik schon lange ein schnelleres und vereinfachtes Bebauungsplanverfahren sowie Bauordnungsrecht und vor allem die Überprüfung kostenintensiver Baustandards, um größere Wohnungsneubaumengen in kurzer Zeit stemmen zu können. Dazu gehöre natürlich auch ein ausreichendes Fördervolumen.

Das Schicksal der Rosenstöcke in der Keltersiedlung scheint zumindest besiegelt. „Wir machen uns die Entscheidung, ob Abbruch oder nicht, keineswegs leicht“, sagt Helmuth Caesar, der Technische Geschäftsführer der SWSG. Einige der zum Abriss anstehenden Häuser im Quartier seien aber in einem so schlechten Gesamtzustand, dass eine Sanierung nicht mehr in einem finanziell tragbaren Rahmen realisierbar gewesen wäre.

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