Spendenaktion „Leser helfen“ Wenn die Psyche nicht mehr mitspielt

Siegfried Feuchter
In das neue kirchlich-diakonische Zentrum bei der Lörracher Christuskirche an der Nansenstraße 10 ist der Fachbereich Seelische Gesundheit dieser Tage umgezogen. Foto: Siegfried Feuchter

Psychische Erkrankungen und seelische Probleme, die immer häufiger auftreten, sind oft nicht sichtbar. Der Sozialpsychiatrische Dienst für den Kreis Lörrach von Diakonie und Caritas bietet erkrankten Menschen wichtige ambulante Hilfe.

„Wir sind die erste Anlaufstelle für Menschen mit psychischen Problemen“, sagt Jörg Breiholz, Leiter des Fachbereichs Seelische Gesundheit beim Diakonischen Werk. Wie gefragt die Beratungsstelle ist, zeigen die Zahlen. 621 Menschen haben im vergangenen Jahr den Sozialpsychiatrischen Dienst aufgesucht. Des Weiteren stehen 593 individuelle Beratungen und Begleitungen sowie zusätzlich 1000 telefonische Beratungen zu Buche. Die Zahlen für dieses Jahr liegen noch nicht vor, sie dürften jedoch noch höher sein.

Die meisten der Betroffenen sind zwischen 40 und 65 Jahre alt, stehen im Berufsleben, leben vielfach allein und leiden an einer Depression. Auch Menschen mit Symptomen von Schizophrenie suchen den hilfreichen Dienst von Diakonie und Caritas auf und nehmen die sozialpsychiatrische Versorgung mit Beratung, Begleitung und Unterstützung in Anspruch. Die Angebote sind kostenfrei. Oft entsteht der Erstkontakt durch Kliniken, wenn depressiv erkrankte Menschen nach einem Aufenthalt weitere Begleitung und Hilfe zur Alltagsbewältigung sowie beim Aufbau von Kontakten zu anderen Menschen benötigen. Der Sozialpsychiatrische Dienst kooperiert mit Kliniken, Ärzten und anderen Fachdiensten, zudem verfügt er über das notwendige Netzwerk, um psychisch kranken Menschen helfen zu können.

Häufig Depressionen

„Die Ursachen für Depressionen sind vielschichtig“, sagt Jörg Breiholz und fügt hinzu: „Oft geht ein sozialer und finanzieller Abstieg mit dieser Erkrankung einher.“ Lebenskrisen, berufliche Überforderung wie „ich kann nicht mehr“, Existenzängste, Arbeitslosigkeit oder private Probleme wie Trennung vom Partner oder Ehescheidungen gehören beispielsweise zu den Ursachen, die Menschen depressiv werden lassen können. Die Folge: Ein Leeregefühl und fehlender Antrieb. Diese Menschen ziehen sich zurück und wollen viel Zeit mit sich allein verbringen. Dadurch brechen die sozialen Kontakte ab, auch Hobbys werden vernachlässigt. Nicht selten entstehen Suizidgedanken. Es sind Situationen, in denen Betroffene nicht mehr weiter wissen. Da ist Hilfe dringend erforderlich. Mit Außenstehenden zu reden, kann helfen, Veränderungen anzugehen.

Die Fachleute des Sozialpsychiatrischen Dienstes informieren über Behandlungsmöglichkeiten, bieten in Gesprächen und Therapien psychologische Beratungen an, unterstützen und begleiten nach einem Klinikaufenthalt, versuchen über die drei Tagesstätten für die psychisch erkrankten Menschen eine Tagesstruktur herzustellen, helfen bei der Freizeitgestaltung und im Umgang mit Ämtern und Behörden. Auch machen sie bei Bedarf Hausbesuche und beraten bei Problemen. Die psychisch kranken Menschen sollen am Leben und in ihrem gewohnten Umfeld teilnehmen, wie Jörg Breiholz im Gespräch mit unserer Zeitung verdeutlicht. Vielfach sind an Depressionen erkrankte Menschen auch auf finanzielle Hilfe angewiesen, da sie durch die Erkrankung keiner Arbeit mehr nachgehen können.

Auch finanzielle Probleme

Das zeigt das Beispiel einer 60 Jahre alten Frau, die psychisch und körperlich schwer erkrankt ist. Arbeiten kann sie nicht mehr. Sie lebt mit zwei Katzen zurückgezogen in einer Wohnung in einer Landkreisgemeinde und bezieht eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Die Frau leidet an Depressionen und hat zusätzlich ständig körperliche Schmerzen. Ihre Rente beträgt 900 Euro, davon muss sie 800 Euro für die Miete bezahlen. Da die Frau inzwischen allein lebt, ist das Geld mehr als knapp. Deshalb hofft sie auch auf einen finanziellen Zustupf aus dem Spendentopf der Weihnachtsaktion unserer Zeitung, um sich und ihre Katzen im kommenden Monat mit Lebensmitteln versorgen zu können. Zwar läuft ein Antrag auf Grundsicherung und Wohngeld, doch Sozialleistungen bekommt sie nur in sehr begrenztem Rahmen, da ihre Wohnung zu groß ist. Alleinstehenden steht nämlich maximal eine 45 Quadratmeter große Wohnung zu, wobei maximal 600 Euro Warmmiete bezahlt werden. Deshalb wird für die Frau dringend eine kleinere Wohnung gesucht, was sich allerdings laut Breiholz auf dem angespannten Wohnungsmarkt bislang als schwierig erweist. Die anhaltende Unsicherheit, wie viele Sozialleistungen diese Frau künftig zu erwarten hat, erschwert ihr seelisches Leiden und ruft Ängste in ihr hervor. Ihre Wohnung verlässt die 60-Jährige nur in Begleitung, sei es zum Arzt oder zum Einkaufen. Neben dem Sozialpsychiatrischen Dienst sind dabei auch Freunde eine wichtige Stütze, die für die Frau einkaufen oder mit ihr zum Arzt gehen.

Ehrenamtliche gesucht

Bewährt hat sich der vor zehn Jahren gegründete ehrenamtliche Besuchsdienst. „Derzeit können wir nur noch auf sechs Ehrenamtliche zurückgreifen, dabei wäre der Bedarf viel größer“, sagt Jörg Breiholz und hofft, weitere Personen für diesen wichtigen Dienst gewinnen zu können. Denn psychisch Erkrankte freuen sich, wenn sie aus der Isolation herausgeholt werden. Mit diesen Menschen reden, zuhören, mal gemeinsam Kaffee trinken oder spazieren gehen gehören zu den Aufgaben des Besuchsdienstes. Eine wichtige Hilfe sind auch die drei Tagesstätten in Lörrach, Rheinfelden und Schopfheim, in denen die seelisch Erkrankten eine Tagesstruktur erhalten. Sie finden dabei Gesprächsgruppen und können leichte Tätigkeiten, beispielsweise in der Hauswirtschaft, übernehmen. „Manche kommen täglich von 10 bis 16 Uhr“, berichtet Jörg Breiholz.

Der Leiter des Sozialpsychiatrischen Dienstes weist ebenso auf den „Leuchtturm“ hin, ein besonderes Angebot für Kinder, deren Eltern psychisch belastet sind. Das über die Jugendhilfe finanzierte Projekt wird von Kindern zwischen sechs und zwölf Jahren rege angenommen. Für die betroffenen Kinder ist dies einmal in der Woche ein wichtiger Rückzugsort und laut Breiholz ein „Highlight“. Denn hier machen sie die Erfahrung, dass sie nicht allein mit ihren Problemen sind, sondern dass es auch noch andere Betroffene gibt.

Hilfe für psychisch Kranke

xx
ostenlose Beratung für Menschen mit seelischen Problemen und psychischen Erkrankungen, bei Krisensituationen, Suizidgedanken oder altersbedingten seelischen Störungen leistet der Sozialpsychiatrische Dienst für den Landkreis Lörrach. Träger dieser Einrichtung sind die Diakonie und der Caritasverband. Der ambulante Dienst für psychisch belastete oder psychisch erkrankte Menschen ist seit Neuestem nicht mehr in der Haagener Straße untergebracht, sondern er bietet nunmehr seine Dienstleistungen sowie Beratung und Hilfe bei seelischen Problemen im neuen kirchlich-diakonischen Zentrum bei der Christuskirche Lörrach an der Nansenstraße 10 an.

Leiter des Fachbereichs
Seelische Gesundheit mit seinen 28 Mitarbeitern, davon sechs im Sozialpsychiatrischen Dienst, ist der diplomierte Sozialpädagoge Jörg Breiholz (61), der seit 32 Jahren beim Diakonischen Werk tätig ist. Der Sozialpsychiatrische Dienst, den es seit 1988 gibt und der die erste Anlauf- und Beratungsstelle ist, hat im Landkreis Lörrach drei Tagesstätten für psychisch erkrankte Menschen – in Lörrach, Rheinfelden und Schopfheim.

Umfrage

Donald Trump

Präsident Donald Trump hat die US-Militärhilfen ausgesetzt, bis der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj „den Fokus auf Frieden“ legt, wie es aus dem Weißen Haus  heißt. Was halten Sie davon?

Ergebnis anzeigen
loading