Spendenaktion „Leser helfen“Wenn im Alter das Geld nicht reicht
Siegfried Feuchter 18.11.2024 - 10:53 Uhr
Altersarmut ist ein drängendes Problem, mit dem die diplomierte Sozialarbeiterin Christiane Wagener vom Caritasverband bei ihren Sprechstunden in der Seniorenberatungsstelle Weil am Rhein immer wieder konfrontiert wird.
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Immer mehr Menschen rutschen im Rentenalter in die Armut. Das belegen Zahlen. Waren im Jahr 2010 bundesweit noch 12,3 Prozent der über 65-Jährigen von Armut bedroht, stieg diese Zahl bis 2021 bereits auf 17,4 Prozent. Auch Christiane Wagener bekommt diese besorgniserregende Entwicklung zu spüren. Immer wieder sitzen in den Sprechstunden Menschen mit kleinen Renten vor ihr, die nicht wissen, wie sie finanziell über die Runden kommen können. Aus Geldmangel können sie keine notwendigen Anschaffungen tätigen oder erforderliche Medikamente kaufen. Diese Menschen brauchen Unterstützung.
„Es gibt viele Beispiele unter den Seniorinnen und Senioren, wo das Geld gerade noch zum knappen Überleben reicht, aber alles darüber hinaus schwierig bis unmöglich ist“, sagt die erfahrene Sozialarbeiterin, die im vierten Jahr die Seniorenberatungsstelle der Caritas an zwei Tagen in der Woche betreut. In manchen Fällen kann Caritas bei Notlagen älterer Menschen auf Stiftungen und andere helfenden Gruppierungen zurückgreifen, um die Not zu lindern. Doch oft hat auch der Caritas-Kreisverband, dessen Leitspruch „Not sehen und handeln“ lautet, kein Geld mehr zur Verfügung.
200 Euro zum Leben
Um so erfreuter sind Christiane Wagener und Caritas, dass sich das Verlagshaus Jaumann mit seinen drei Zeitungen Die Oberbadische, Weiler Zeitung und Markgräfler Tagblatt mit seiner Weihnachtsaktion in den Dienst einer guten Sache stellt und Spenden sammelt, um gezielt einzelnen Menschen helfen zu können oder deren Not etwas zu lindern.
Und Hilfe ist nötiger denn je. Denn die Zahl der Unterstützungsbedürftigen in Zeiten stark gestiegener Preise wächst, ebenso die Wünsche nach Essensgutscheinen, wie Wagener nur zu gut weiß. Sie schildert aus ihrer Tätigkeit in der Weiler Beratungsstelle ein paar konkrete Fälle. Da ist zum Beispiel eine Frau, die eine Alters- und Witwenrente in Höhe von zusammen 764,71 Euro erhält. Am Ende bleiben ihr nach Abzug laufender Kosten noch 200 Euro zum Leben. Nun musste sie sich wegen starker Zahnschmerzen behandeln lassen, doch die Krankenkasse übernimmt nicht den vollen Betrag der Behandlungskosten. 186 Euro muss die Frau selbst bezahlen, die sie aber nicht hat.
Hoffnung auf Zustupf
Ein anderer Fall. Eine Frau ist seit Geburt stark gehbehindert und auch sturzgefährdet, weshalb sie immer wieder Sehhilfen sowie zusätzlich Zahnersatzleistungen benötigt. „Unterstützt wird sie bei ’Leben und wohnen’. Doch auch hierfür benötigt sie einen Zuschuss für ihre Leistungsabrechnung. Die Kasse übernimmt von den 213,91 Euro nur 57,76 Euro“, berichtet die Seniorenberaterin. Den Rest muss die behinderte Frau selbst begleichen, weiß aber nicht wie. Auch sie hofft nun auf einen Zustupf aus Spenden unserer Weihnachtsaktion.
Überaus dankbar für jegliche finanzielle Unterstützung wäre nach Darstellung von Christiane Wagener auch eine andere Frau, die von der Grundsicherung lebt und „nur Pflegegrad 1 zuerkannt bekommen hat, obwohl sie unter Diabetes und einer körperlichen Beeinträchtigung durch eine Rückgratverkrümmung leidet“. Hinzu kommen finanzielle Probleme. Da sie die Stromrechnung nicht bezahlen konnte, wurde ihr der Strom abgestellt. Außerdem benötigt sie Geld zum Kauf von Medikamenten. Die beantragten Essensgutscheine der Caritas in Höhe von 20 und 25 Euro sind an ein bestimmtes Geschäft gebunden, zu dem die hilfsbedürftige Frau nicht hinkommen kann.
Kein Spielraum mehr
Ein älterer Mann, der von der Grundsicherung lebt, hofft ebenso auf Unterstützung. Er bräuchte auf Empfehlung seiner Ärztin ein pflanzliches Mittel zur Behebung seiner gesundheitlichen Probleme. Doch dieses Mittel kann er sich nicht leisten, weil er laut der Seniorenberaterin keinerlei finanziellen Spielraum für zusätzliche Ausgaben hat. Dasselbe gilt für eine ältere Frau, die im Betreuten Wohnen lebt, aber ihre Stromrechnung nicht mehr bezahlen kann.
Diese fünf Fälle zeigen, mit welchen Problemen Rentnerinnen und Rentner in der Altersarmut zu kämpfen haben und denen Geld für ein würdevolles Leben im Alter fehlt. Alleinstehende Frauen sind besonders von Armut betroffen, da sie oft schlechter abgesichert sind, bedingt durch ein niedriges Einkommen zu Erwerbszeiten und daraus resultierender unzureichender Vorsorge oder durch längere Phasen der Kindererziehung. Froh wäre die Sozialarbeiterin, wenn sie einen kleinen Finanztopf hätte, um möglichst unbürokratisch Einzelfallhilfen leisten zu können. Dem ist aber nicht so.
Weihnachtswunschbaum
Dankbar ist sie Christine Krauth, der Leiterin der Sozialabteilung bei der Weiler Stadtverwaltung. Denn sie hat im vergangenen Jahr den Vorschlag von Christiane Wagener, einen Weihnachtswunschbaum im Rathausfoyer aufzustellen, spontan umgesetzt. Menschen mit geringem Einkommen können einen Wunsch im Wert von maximal 30 Euro mitteilen, der dann anonymisiert auf einem Zettel am Weihnachtswunschbaum aufgehängt wird. Bürger wiederum erfüllen dann die Wünsche. So beispielsweise würde sich ein älterer Mann freuen, wenn er wieder einmal ein „schönes Stück Fleisch“ zu Weihnachten essen könnte. Und ein anderer hat einen Friseurbesuch auf die Wunschliste geschrieben.
Aber es sind nicht nur Geldsorgen, mit denen Christiane Wagener konfrontiert wird. Es gibt auch die soziale Armut. Das heißt, zahlreiche ältere Leute leiden unter Einsamkeit. „Viele leben sehr vereinsamt und können am gesellschaftlichen Leben aufgrund ihres kleinen Budgets oder aus gesundheitlichen Gründen nicht teilnehmen“, sagt die Sozialarbeiterin, die neben ihren vielfältigen Beratungen auch Hausbesuche macht.
Wichtige Hilfe für Ältere
Christiane Wagener, die die Seniorenberatungsstelle der Caritas in Weil am Rhein leitet, ist Ansprechpartnerin für zahlreiche Anliegen der Rat und Hilfe suchenden Menschen. „Senioren haben nur eine geringe Lobby. Deshalb sind sie oft ausgegrenzt von der gesellschaftlichen Teilhabe“, sagt die Sozialarbeiterin. Zu ihr kommen ältere Leute mit den unterschiedlichsten Anliegen zum Thema „Älter werden heute“. Ob Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht, ob Hausnotruf, Finanzierung der Pflege, Vermittlung von begleitenden Hilfen wie Essen auf Rädern oder Vermittlung von Tages- und Kurzzeitpflege.
Darüber hinaus sieht sich Christiane Wagener als Sprachrohr für die Ratsuchenden und unterstützt beispielsweise bei Rechtsansprüchen, der Koordination des Hilfesystems oder bei falschen Abrechnungen und sonstigen Problemen. Dabei wird mitunter die hilfreiche Arbeit durch bürokratische Hürden erschwert. Die Seniorenberaterin macht auch die Erfahrung, dass es viel schwieriger geworden ist, in Pflegeheimen und Sozialstationen einen freien Platz für pflegebedürftige Menschen zu finden. Dies wiederum hängt auch mit den fehlenden Fachkräften in diesen Einrichtungen zusammen
Die Mitte-Parteien warnen vor Wahlerfolgen der AfD. Kürzlich hatte Friedrich Merz (CDU) gesagt: „Einmal 33 reicht für Deutschland“, in Anspielung auf die Bundestagswahl 2033 und die Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933. Was halten Sie davon?