Sportmix Die Unsicherheit ist doch enorm

Die Oberbadische
Geräte stehen still: Nichts geht derzeit in Fitnessstudios. Foto: zVg Foto: Die Oberbadische

Gesundheitssport Sportstudios sind geschlossen / Reha unbedingt weiterführen / Aufeinander acht geben

Die Türen der Fitness- und Gesundheitsstudios sind seit Wochen aufgrund der Corona-Pandemie geschlossen. Die Geräte stehen still. Gut 10 000 Betriebe und zwölf Millionen Deutsche sind davon betroffen. Denn Sport tut gut. Das gesundheitliche Wohlbefinden hängt nicht unwesentlich davon ab.

Lörrach. Der Arbeitgeberverband deutscher Fitness- und Gesundheitsanlagen (DSSV) hat ein Video zusammengestellt, um der Politik die mit der Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement ausgearbeiteten Hygiene-Maßnahmen bildlich zu verdeutlichen. Über die Probleme der Branche hat sich unser Sportredakteur Mirko Bähr mit Fabian Gottschalk (38) unterhalten. Der Sportwissenschaftler und zweifache Familienvater aus Stetten ist Betriebsleiter des Rehazentrums in Haagen, wo seit Januar auch eine Fitnessanlage betrieben wird.

Frage: Seit Mitte März stehen die Fitnessgeräte still.

Das ist richtig. Alles, was nicht auf Rezept verordnet ist und der gesundheitlichen Rehabilitation dient, musste eingestellt werden. Fitnessstudios gehören zu den Sportstätten, die für die Öffentlichkeit seither nicht zugänglich sind.

Frage: Wie dramatisch ist die Lage?

Für viele Anlagen, die erst ihren Betrieb aufgenommen oder die Eröffnung just in dieser Zeit geplant haben, sind die Corona-Einschränkungen natürlich ein herber Schlag. Auch wir mussten Kurzarbeit anmelden, doch sind wir bisher mit einem blauen Auge davongekommen, da wir ja schon einige Monate vor der Pandemie loslegen konnten. Es kam schleichend, doch ab dem 17. März ging dann plötzlich nichts mehr. Das war schon ein harter Schlag. Man wusste nicht, wie man mit dieser neuen Situation umgehen soll. Ich habe mich täglich umfassend mit Infos versorgt, wollte immer auf dem Laufenden sein, habe die Berichterstattung aufgesogen, um bei Kunden und Mitarbeitern gut argumentieren zu können. Dazu galt es, Anträge für Soforthilfe zu stellen. Die große Frage, die ich mir schnell stellte, war: Wie rette ich das Unternehmen?

Frage: Zu tun haben Sie also dennoch etwas?

Wir waren und sind alle im Hintergrund fleißig. Wir haben neue Konzepte entwickelt, schnüren ein Gesundheitspaket zum Thema Stärkung des Immunsystems. Wir haben viel Administratives erledigt und ziehen im Hintergrund an den Strippen. Wir nutzen die Zeit positiv, haben auch eine Trainingsapp entwickelt.

Frage: Für viele Fitnessklubs sind die Mitgliedsbeiträge überlebenswichtig.

Das ist wahr. Unsere Mitglieder sind uns treu geblieben, haben weiterhin Beiträge bezahlt. Dafür sind wir ihnen sehr dankbar. Wäre das nicht passiert, wüsste ich nicht, wie das alles aufgegangen wäre. Die Solidarität ist groß. Und wir haben entschieden, dass den Kunden dieser Betrag auf ihre Laufzeit gutgeschrieben wird. Wir haben allen einen Brief geschrieben und wissen, dass das keine Selbstverständlichkeit ist.

Frage: Der Reha- und Physiotherapiebereich ist dagegen nicht von der Schließung betroffen?

Nein. Diese Maßnahmen sind systemrelevant. Zu Beginn des Lockdowns haben wir deutlich gespürt, dass die Leute Angst haben. Es gab viele Absagen. Nun kehrt das Vertrauen zurück. Die Standards, was die hygienischen Maßnahmen in diesem Bereich betrifft, sind schon immer hoch. Wir haben in der Zeit Kontakt mit den Patienten gehalten, haben Heimprogramme entwickelt, Videos fabriziert, wichtige Infos per Mail oder Post verschickt und die Telemedizin für uns entdeckt. Noch immer versuchen wir, Aufklärungsarbeit in Sachen Corona zu betreiben. Die Unsicherheit ist enorm, manchmal ist sogar eine gewisse Hilflosigkeit und Ängstlichkeit bei den Patienten zu spüren.

Frage: Solch eine Reha-Behandlung darf keine Pause erfahren, oder?

Nein. Es war und ist wichtig, das der Physiobereich offen bleibt. Das war auch kein Thema für uns, schließlich sollten wir für viele Patienten, die medizinisch versorgt werden müssen, da sein. Menschen, die direkt aus dem Krankenhaus kommen und an der Schulter oder am Knie operiert wurden, benötigen Hilfe. Die Gelenke müssen bewegt, vernünftig belastet werden. Stimmt der Bewegungsablauf nicht, können Fehler auftreten, die so einfach nicht mehr wettzumachen sind. Ein weiteres Thema ist die Thrombose-Profilaxe, oder auch bei neurologischen Erkrankungen ist es wichtig, am Ball zu bleiben.

Frage: Wie ist Ihre Meinung? Sollten die Fitnesscenter wieder öffnen dürften?

Ich bin der Meinung, dass Gesundheitseinrichtungen öffnen müssen. Bei uns ist jedenfalls alles geregelt, weil wir eben auch die Physiotherapie unter demselben Dach haben. Da ist alles vorgegeben, sogar die Raumhöhe. Entsprechend sind die Hygienestandards sehr hoch. Das ist unser Vorteil. Das kann man allerdings nicht auf alle Fitnessstudios projizieren. Das sollte individuell entschieden werden. Ich fände es eh sehr wichtig, dass die Klubs gewisse Standards erfüllten müssten, um entsprechende Bezeichnungen führen zu dürfen. Grundsätzlich bin ich aber schon der Meinung, dass Fürsorge und Achtsamkeit im Allgemeinen und unter den Mitgliedern und Trainern das Risiko deutlich verringern. Dazu zählt auch, dass man mit einer Erkältung das Studio nicht mehr aufsucht und wartet, bis man wieder gesund ist. Das gilt auch für die Mitarbeiter. Wir sollten besser aufeinander aufpassen.

Frage: Haben Sie konkrete Hygienetipps für das Nutzen der Geräte?

Ein einfacher Schritt wäre es, dass man selbst die Geräte desinfiziert, wenn man sie nutzen möchte, und nicht dem Vorgänger blind vertraut. Das ist nicht immer möglich, gerade in einem zeitlich eng getakteten Zirkel. Da gilt es dann, sich während des Programms nicht ins Gesicht zu fassen und danach gründlich die Hände zu reinigen.

Frage: Was wünschen Sie sich für die Zeit nach Corona?

Dass die Anerkennung und Wertschätzung für die Berufe im Gesundheitssegment steigen. Sport und Bewegung ist immens wichtig. Die Erfahrung zeigt, dass chronisch Kranke zur Risikogruppe gehören. Davor kann man sich schützen. Nämlich, wenn ich einen gesunden Lebensstil führe. Dazu zählt die richtige Ernährung und ausreichend Bewegung. Wir betreuen und beraten Menschen, damit sie gesund alt werden. Ein starkes Immunsystem ist die Antwort auf Corona & Co. Ich wünsche mir, dass sich die Leute mehr bewegen und besser auf die eigene Gesundheit achtgeben. Mein Motto ist: Alt werden wir alle, aber das Wie können wir selbst bestimmen.

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