Steinen Grachten, Dom und Schneiderhof

Markgräfler Tagblatt
Schlafkammer. Foto: Markgräfler Tagblatt

Tourismus: Kreuzfahrtunternehmen hat Bauernhausmuseum in sein Programm aufgenommen

Wer als Lehrer Schulklassen bändigen und als Ortsvorsteher in vollen Hallen sprechen kann, der hat auch keine Probleme mit Busladungen von Touristen.

Von Harald Pflüger

Steinen-Endenburg. Jürgen Kammerer, Lehrer im Ruhestand, ehemaliger Ortsvorsteher von Endenburg, Gründer und langjähriger Vorsitzender des Vereins zur Erhaltung des Schneiderhofs in Kirchhausen und heute Ehrenpräsident, nimmt in dem Bauernhausmuseum Gäste aus aller Welt mit auf eine Zeitreise in die Vergangenheit.

Wenn erforderlich, erfolgt die Führung auch in englischer Sprache. So wie dieser Tage, als die Teilnehmer

Gäste aus aller Welt

einer Flusskreuzfahrt von Amsterdam nach Basel zu einer Stippvisite auf den Schneiderhof kamen.

Die Gäste aus Amerika, Kanada, Südafrika, den Philippinen und Hongkong waren zehn Tage lang auf dem Rhein unterwegs und besuchten die Sehenswürdigkeiten in Amsterdam (Grachten), Köln (Dom), Koblenz (Deutsches Eck), Rüdesheim (Drosselgasse), Karlsruhe (Schloss) und Basel (Kunstmuseum).

Jürgen Kammerer ist stolz darauf, dass ein Kreuzfahrtunternehmen den Schneiderhof in sein Programm aufgenommen hat. 500 Personen erwartet der Ehrenpräsident dadurch in diesem Jahr zusätzlich.

30 Minuten Zeit hat Jürgen Kammerer jeweils, um die Gäste durch die 300-jährige Geschichte des Hofes zu führen und Anekdoten aus dem Leben der letzten Bewohnerin, Berta Schneider, zu erzählen. Der Besuch ist getaktet und wird von örtlichen Reiseleitern begleitet.

Führung auf Englisch

Es herrscht Kaiserwetter, und auf der Wiese vor dem strohgedeckten Schneiderhof weiden zwei Pferde. Die Bustouristen erwartet eine Bilderbuchkulisse, und es dauert nicht lange, da werden die ersten Smartphones gezückt. Fotoapparate haben nur noch die wenigsten dabei. Nicht minder pittoresk finden die Besucher die lange Unterwäsche, die zum Trocknen aufgehängt wurde. Und dass Ruth Noack an diesem Tag zufällig Reisig bündelt, ist das Tüpfelchen auf dem i.

In fließendem Englisch erzählt Kammerer von der Geschichte des 1696 erbauten Hochsäulenhauses, das noch bis 1985 bewirtschaftet wurde. Nur dank der sparsamen und einfachen Lebensführung der letzten Bewohnerin blieb der ursprüngliche Zustand des Anwesens fast ein Jahrhundert lang unverändert erhalten. Hier lebte Berta Schneider mit ihren Tieren, die, wie Kammerer versichert, alle eines natürlichen Todes starben. Wasser lieferte Berta Schneider der Brunnen vor dem Haus, Strom brauchte sie nicht, ebenso wenig einen Fernseher, und das Brennholz lieferte der eigene, 20 Hektar große Wald. Was in der Welt geschah, erfuhr Berta Schneider von Jürgen Kammerer, der ihr bis zu ihrem Tod mit 91 Jahren im Jahr 1986 ein guter Freund war.

1987 wurde der gemeinnützige Verein zur Erhaltung des Schneiderhofes in Kirchhausen gegründet, der noch im selben Jahr das Anwesen mit Hilfe eines zinslosen Darlehens der Gemeinde Steinen von der Erbengemeinschaft erwarb. Der Verein hält nicht nur den Schneiderhof am Leben, sondern auch die Erinnerung an Berta Schneider wach.

80 000 Besucher

Das kommt an diesem Nachmittag bei allen vier Führungen zum Ausdruck. Über die Schwelle betreten die Besucher, so wie es schon 80 000 vor ihnen getan haben, die schwarze, zweistöckige Rauchküche (das Haus hatte nie einen Schornstein). Kammerer erzählt vom Schwarzwälder Schinken, der hier geräuchert wird, und dessen Duft in der Luft hängt. Und er steuert Anekdoten bei, wie die, dass sich Berta Schneider einmal selbst aus dem Krankenhaus entlassen hat, um das Brennrecht nicht zu verlieren. Nach zwei Tagen – der Schnaps war gebrannt – ließ sie sich zurück in die Klinik fahren und weiter behandeln. Dort gab es schließlich, was der Schneiderhof nicht hatte: ein Badezimmer.

Von der Rauchküche führt Kammerer seine Gäste dann in die liebevoll eingerichtete Stube mit Kunst, Kachelofen und Herrgottswinkel, lässt die Besucher Platz nehmen und zeigt die Verwendung des Kienspans als Lichtquelle. Durch die Schlafkammer geht es dann zurück ins Freie. Das wiederholt sich noch dreimal, und doch unterscheiden sich die Führungen in Nuancen. Schließlich ist jede Gruppe anders. Für einen ehemaligen Pädagogen ist das aber kein Problem.

Weitere Informationen: Schneiderhof in Kirchhausen: Ostern bis November Sonntag und Feiertage von 13 bis 17 Uhr, Mittwoch und Samstag von 15 bis 17 Uhr. Internet: www.bauernhausmuseum-schneiderhof.de

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