Steinen „Gute Einfälle vergisst man nicht“

Markgräfler Tagblatt
Ralf H. Dorweiler. Foto: zVg

Interview: Ralf H. Dorweiler über Buchideen und das Schreiben während des Lockdowns

Steinen - Mit „Die Gabe der Sattlerin“ hat Ralf H. Dorweiler einen neuen Roman herausgebracht. Es ist sein letzter, der in der Wiesentalgemeinde Steinen entstanden ist. Mit dem Autor, der nach Niedersachsen zieht, sprach unser Redakteur Harald Pflüger.

Welche Autoren haben Sie durch ihre Kindheit und Jugend begleitet?

Zuerst habe ich Walt Disneys Lustige Taschenbücher mit Donald Duck und Micky Maus verschlungen, später dann Karl Mays Abenteuer-Romane. Als Jugendlicher hat mich dann das Science-Fiction-Genre in seinen Bann gezogen. Die Romane von Isaac Asimov hatten es mir besonders angetan.

Welchen Klassiker haben Sie noch immer nicht gelesen?

(überlegt länger und murmelt Buchtitel). In der Schule haben sich die meisten wohl nicht um die Lektüre der Klassiker im Deutschunterricht gerissen. Das war nicht immer Zuckerschlecken. Bei mir war es oft so, dass ich mich erst darauf einlassen musste und die Bücher dann doch faszinierend fand. Für „Die Gabe der Sattlerin“ habe ich mich jetzt intensiv mit Friedrich Schiller beschäftigt. In meinem Verlag kamen zwar kurz Bedenken auf, ob Schiller die Leserinnen und Leser nicht zu sehr an den Deutschunterricht erinnern könnte. Aber der Friedrich im Buch ist ein ganz anderer Typ, als man ihn vielleicht erwarten wird. Ich glaube, die Leser werden viel Spaß an ihm haben.

Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen?

Als Hörbuch habe ich gerade „Totenfang“, einen Krimi von Simon Beckett gehört. Als gedrucktes Buch habe ich davor eine Biografie über Herzog Carl Eugen von Württemberg gelesen, der in meinem neuen Roman eine wichtige Rolle spielt.

Was macht für Sie ein gutes Buch aus?

Ein guter Roman muss mich fesseln. Am besten ist es, wenn man das Buch nicht mehr zur Seite legen mag. Wenn man nachts immer noch ein Kapitel anfängt, obwohl man schon längst schlafen sollte. Dafür ist es wichtig, dass man sich mit den Figuren identifizieren kann, mit ihnen mitleidet, sich mit ihnen freut. Ich mag es außerdem, wenn man neben der reinen Romanhandlung auch noch etwas lernt.

Gibt es einen Schriftsteller oder einen Künstler, der Sie auf Ihrem Weg besonders inspiriert hat?

Ich mag die Stimmung in den Bildern von Caspar David Friedrich, die immer einen Neuanfang versprechen.

Wie lange gingen Sie mit „Die Gabe der Sattlerin“ „schwanger“, ehe daraus aus ein Roman wurde?

Der Prozess von der Ideenentwicklung bis zum abgegebenem Manuskript dauerte diesmal etwa anderthalb Jahre. Es begann mit Recherche, Reisen an die Schauplätze, der Charakterisierung der Protagonisten und Feilen an der Handlung. Dazwischen gibt es auch mal Zeiten, zu denen ich gar nichts am Buch mache. Dafür ist das eigentliche Schreiben meist sehr intensiv. So war es auch bei der Sattlerin.

Was hat Sie auf die Idee, dieses Thema aufzugreifen. gebracht?

Ich behandele ja gerne fiktive Geschichten, in denen auch historisch belegte Personen eine Rolle spielen. Beim Gesang der Bienen waren das Hildegard von Bingen und König Barbarossa. Dieses Mal habe ich 1781 als Handlungszeit gewählt, weil es für die Entwicklung des jungen Friedrich Schiller vom Regimentsarzt zum Schriftsteller ein entscheidendes Jahr war. Dazu befand sich Schillers Landesherr, Herzog Carl Eugen von Württemberg, ebenfalls in einem Umbruch vom Despoten hin zum Landesvater. Eine Wandlung, die ihm schwer fiel. Bei so vielen Umbrüchen und ernsthaften Herren war klar, dass ich die Geschichte aus dem Blickwinkel einer jungen Frau erzählen wollte, die den beiden eher unorthodox hilft, ihre Probleme in den Griff zu bekommen. Sie selbst ist allerdings auch auf Hilfe angewiesen... Ich fand das sehr reizvoll. Herausgekommen ist eine lockere, bunte Geschichte, in der altes Handwerk und die Reiterei wichtige Rollen spielen.

Was gefällt Ihnen an der Protagonistin am besten?

Charlotte ist eine junge Frau, die ihre Rolle im Leben nicht annehmen möchte. Statt ein schmückendes Anhängsel zu sein, möchte sie Glück und Liebe erleben. Sie rennt am Tag der eigenen Hochzeit davon, um ihr Glück zu finden. Dabei gerät sie an eine Räuberbande, muss ins ferne Hofgestüt Marbach reisen und mehrfach über sich hinauswachsen. Ich mag an ihr, dass sie den zahlreichen Männern auf ihrem Weg immer Contra zu geben bereit ist. Und ich mag ihren Mut, das gewohnte Leben zu verlassen, um ein neues anzufangen. Leichtfällt es ihr aber nicht.

Wären Sie gerne eine der Charaktere aus Ihren Krimis und Romanen?

In jeder Romanfigur steckt ein Stück von mir. Das Schöne ist es ja gerade, sich während des Schreibens in die Figuren hineinzuversetzen. Besonders viel Spaß hat mir das beim Räuberhauptmann Hannikel gemacht. (lacht) Also wähle ich den.

Ihre Protagonistin ist Sattlerin. Sie reiten. Steckt in dem einen oder anderen Buch auch ein klein wenig Autobiografie?

Das Pferd habe ich jetzt seit zwei Jahren. Ein ziemlich zeitaufwendiges Hobby, das ich zum Glück mit meiner Frau teile. Wenn eine Figur zum Abäpfeln der Weiden geschickt wird, eine andere beim Verarzten hilft und eine dritte nach einem Tag im Sattel vor Muskelkater kaum noch Laufen kann, stütze ich mich beim Schreiben natürlich auf eigene Erfahrungen. Das heißt aber nicht, dass ich selbst auch einen Sattel bauen könnte. Aber um es beschreiben zu können, habe ich in einer echten Sattlerei zugeschaut und durfte auch selbst ein bisschen am Leder arbeiten.

Sie sagten, Ihr Roman entstand zum Teil während des Lockdowns. Inwieweit hat die Corona-Krise die Recherche erschwert?

Zum Glück waren die Recherchen schon weitgehend abgeschlossen. Während des Lockdowns hätte ich sonst die Reisen nach Württemberg nicht machen können. Neben Carl Eugens Schlössern habe ich mir natürlich das Gestüt Marbach mehrfach angeschaut und mit vielen Leuten gesprochen.

Als der Lockdown kam, war ich gerade mitten in der Schreibphase. Zu der Zeit sitze ich sowieso meist nur zuhause ,aber die Situation hat auch mir sehr zugesetzt. Ich war wie gelähmt. Ständig habe ich Nachrichten geschaut und im Internet die Infektionszahlen studiert und mir Expertenmeinungen über Impfstoffe angeschaut. Es war schwer, in dieser Zeit der Ungewissheit einen lockeren Roman zu schreiben.

Notizblock, Diktiergerät oder Notebook? Wie halten Sie Ihre Einfälle fest?

Ich bin der Überzeugung, dass man wirklich gute Einfälle nicht vergisst. Darum schreibe ich gar nicht so viel an Ideen auf. Ansonsten habe ich zum Plotten, also zum Entwickeln der Geschichte, am liebsten unbeschriebene DIN-A4-Blätter oder Notizblöcke, die ich in einem Café bei zwei bis drei Milchkaffee fülle. Eine Menge der Ideen der Sattlerin habe ich so in Schopfheim entwickelt. Das Notebook ist dann zuhause wichtigstes Arbeitswerkzeug. Ein Diktiergerät habe ich mal ausprobiert, bin damit aber nie warm geworden.

Wann schreiben Sie am liebsten. Morgens, mittags oder nachts?

Ich musste bisher meist abends schreiben. Dabei finde ich auch die Zeit gleich nach dem Frühstück sehr geeignet, um gedanklich in andere Welten abzutauchen. Wenn die Abgabe des Manuskripts näherrückt, kommt es durchaus vor, dass ich auch mal eine Nacht durcharbeite. Wobei mir das mittlerweile schwerer fällt als bei den ersten Büchern.

Gibt es ein Genre, vor dem Sie einen Heidenrespekt haben?

Historische Romane (lacht). Vor allem, wenn historisch belegte Persönlichkeiten darin vorkommen.

Sie haben Ihre Stelle als Redakteur aufgegeben, um sich ganz dem Schreiben zu widmen. Was gefällt Ihnen am Beruf des Autors?

Ich habe noch viele Stoffe im Kopf, die ich gerne erzählen möchte. Gleichzeitig habe ich festgestellt, dass die Arbeit als Redakteur mich zeitlich sehr gefordert hat. Jetzt habe ich den Schritt gewagt, mich voll und ganz ins Autorenleben zu stürzen.

Damit ist auch ein räumlicher Wechsel einhergegangen. Ich bin mit meiner Frau gerade von Steinen nach Bad Pyrmont in Niedersachsen gezogen, weil wir näher an unseren Familien sein wollen. Beides zurückzulassen fällt mir tatsächlich sehr schwer. Steinen und Südbaden waren in den letzten fast 20 Jahren meine Wahlheimat. Ich habe zum Glück eine Menge Gründe, immer wieder im Wiesental vorbeizuschauen.

Als Journalist müssen Sie ein Thema in wenigen Zeilen auf den Punkt bringen. Als Romanautor können sie weiter ausholen. Was ist schwerer?

Ich fand es eigentlich immer schön, beide Formen ausleben zu können. Aber wer mich kennt, weiß, dass ich gerne ausschweifend werde, wenn ich etwas erzähle.

Wenn Sie nicht schreiben würden, wie würden Sie sich anderweitig kreativ ausleben?

Ich habe einige Zeit nach kreativen Ausdrucksmöglichkeiten gesucht. Ich habe gemalt, gezeichnet und geschauspielert. Ansonsten spiele ich Dudelsack. Aber wenn man in etwas wirklich gut sein möchte, muss man sich irgendwann doch spezialisieren. Ich habe mich fürs Schreiben entschieden. 

Umfrage

Bettina Stark-Watzinger

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger hat sich für Zivilschutzübungen an Schulen ausgesprochen. Damit sollen Schüler besser auf den Kriegsfall, Pandemien und Naturkatastrophen vorbereitet werden. Was halten Sie davon?

Ergebnis anzeigen
loading