Von Ines Bode Steinen. Da staunte das Publikum im Mühlehof nicht schlecht: Direkt aus Buenos Airos sei er zu diesem Konzert in der „KaffeeMühle“ geflogen, meinte der Pianist Roger Helou leichthin - mit Bandoneonist William Sabatier gab er eine geschliffene wie mitreißende Vorstellung. Und noch eine Nachricht ließ aufhorchen: erst seit zwei Monaten spiele das Duo zusammen. Somit erklärte sich die Vokabel „Impro“ (Improvisation) in der Ankündigung: „… auf Top Niveau im Tango Stil“. Bei Tango denkt man unweigerlich an Lateinamerika. Als Glücksfall war demzufolge zu werten, dass der Verein „Kunst und Kultur“ einen waschechten Argentinier präsentieren konnte. Mittels konzentriertem Habitus nahm der Mann in pinkfarbigem Hemd und mit Künstlerdutt seinen Anschlag vor. Ihm zur Seite stand einer der raren Bandoneonisten Europas: der Franzose William Sabatier. Und heißt es nicht, dass das Bandoneon strammen Tango-Akkorden erst die typische Farbe verleihe" Sabatier galt große Aufmerksamkeit, denn was er bot war ein weltvergessenes Spiel. Einzig sein, sichtliche Gebrauchsspuren aufweisendes, Zuginstrument fesselte ihn – übrigens eine deutsche Erfindung. Zarteste Töne entlockte er seinem Bandoneon (nach Heinrich Band), wie er es an anderer Stelle gänzlich in die Breite riss. Bedient in Ganzkörpermanier, ähnlich dem legendären Joe Cocker-Move, schienen alle Körperfasern des Musikers eingebunden. Ruckartige Bewegungen erzeugte der Rhythmus in seinem Leib. Sein Rumpf zuckte unentwegt in jegliche Richtung, der Kopf wurde nach hinten geworfen, ein Fuß stieß unablässig nach rechts. In der Jugend verfiel Sabatier dem argentinischen Tango, heißt es in der Vita. Er vermöge die Bandbreite der Tangokultur aufzusaugen. Dem war nichts hinzuzufügen, und so erlebten die Gäste ein meisterlich hingedonnertes Oktavengewitter. In interpretatorischer Symbiose spürte das Duo dem Existenziellen dieser Stilrichtung nach. Vielfach versenkte es sich in klangliche Schattierungsfülle. Verdichtete Tonalität beim Part des Bandoneons, klare und saubere Gebilde seitens Tastenmanns. Bravourös teilte man sich die solistischen Aufgaben. Trotz ihrer kurzen Verbundenheit, wurde die stille Kommunikation deutlich. Ein Blick oder zwei Worte genügten da – ganz die Profis eben. Angesichts soviel leidenschaftlicher Kunst war es die reine Freude, sie zu genießen. Eine Repertoireliste gab es, abgearbeitet jedoch in munterer Spontaneität. Titel kündeten von „La Yumba“, „Un momento“, „La Maleva“ oder auch „Negracha“ und „Milonga del Angel“. Letzteres, der Milonga, gilt als Tanzform des Tango Argentino, und zu eben solcher war das Publikum bis Mitternacht eingeladen. Die Idee stamme von Gisela Wilms (Steinen), teilte Vereinsvorsitzende Ute Engler mit. Recht zahlreich waren Tanzpaare der Einladung Wilms gefolgt. Sie drehten sich beim schummerigen Flair. DJ Tiziano legte Tango samt Tandas und Cortinas auf. Da waren nicht nur „zwei ernste Mienen und vier Beine, die sich amüsieren“ zu sehen (Ute Engler). Bewundern ließen sich Tänzer, die in sichtlich kongruenten Posen die Gelegenheit auskosteten. Genießerlaune tat sich auch seitens Veranstalter auf. „Bude rappelvoll“, flachste Stephan Mohr. Echten Ansturm löste das Konzert aus, ein Meter trennte Zuhörer und Musiker. Diese verzichteten auf die übliche Bühne – und dafür wäre bei der großen Gästeschar ohnehin kein Platz gewesen.