Steinen Refugium für Tiere und Pflanzen

Markgräfler Tagblatt

Scherracker: Anwohner kritisieren geplante Bebauung / Warnung vor Hochwassergefahr

„Die grüne Lunge Höllsteins“ nannte Altbürgermeister Herbert Stumböck den Scherracker, als dessen Bebauung Thema im Gemeinderat war. An der Überbauung der in östlicher Ortsrandlage gelegenen Grünfläche stört sich nicht nur das frühere Gemeindeoberhaupt, auch Anlieger protestieren.

Von Harald Pflüger

Steinen-Höllstein. Bauland ist knapp - auch in Steinen. Im Osten Höllsteins bietet sich im Scherracker die Möglichkeit, Baugrundstücke zu erschließen. Doch die Erschließung von Bauland kostet Geld. Die Gemeinde Steinen möchte mit Blick auf die angespannte Haushaltslage das Gebiet nicht selbst erschließen, sondern dies einem Erschließungsträger übertragen. Die Erschließung soll die Badenova-Konzept übernehmen. Für die Gemeinde Steinen wäre sie daher kostenneutral. Im Haushaltsplan 2021 sind lediglich Vorlaufkosten in Höhe von 30 000 Euro eingestellt.

Geplant sind im Scherracker laut vorliegenden Plänen drei Einzel- und 18 Doppelhäuser. Doch dagegen laufen Anlieger Sturm. Nicht nur weil sie eine Bebauung vor ihrer Nase fürchten, sondern wegen der Hochwassergefahr, und weil mit der Überbauung ein Refugium für Pflanzen und Tiere verloren ginge.

In einem von gut 50 Personen unterschriebenen Schreiben an die Gemeindeverwaltung wird kritisiert, dass die Gemeinde die Überplanung in Auftrag gegeben habe, obwohl der Scherracker von drei Starkstromleitungen tangiert ist und mehrfach überflutet wurde. Bereits im Mai habe Altbürgermeister Stumböck nachdrücklich auf das Gefahrenpotenzial durch die unerledigte Hochwassersicherung hingewiesen. Die Anwohner verweisen auf abendfüllende Sitzungen und Diskussionen um die Floßkanal-Trasse, mit der der Ortskern vor Überflutungen geschützt werden soll. Zwar sei vom Gewerbekanal bei der ehemaligen Frankfurter Bettfedernfabrik bis zur Wiese ein Bypass gelegt worden. Aufgrund fehlender Zuleitungen sei durch diesen aber noch kein Regentropfen geflossen, heißt es in dem Schreiben.

Mit dem Baugebiet ginge auch ein ordentliches Stück Überflutungsfläche in einem als hochwassergefährdet geltenden Bereich unterhalb des Dinkelberges verloren, so die Kritiker.

Städteplaner Till O. Fleischer (Geoplan) versicherte im Gemeinderat, dass der Wassergraben, der das rund ein Hektar große, vor der Bebauung um einen halben Meter angehobene Gelände umgibt, eine „rundweg schadlose Ableitung der Wassermassen“ gewährleiste.

Weshalb soll die letzte im Außenbereich liegende Grünfläche des Scherrackes einer Bebauung geopfert werden, wo doch beidseitig der Schulstraße und südlich des Friedhofs Flächen zur Bebauung zur Verfügung stehen, fragen sich die Kritiker, die sich auch ans Landratsamt Lörrach gewandt haben.

Dort weist man darauf hin, dass gegen einen Bebauungsplan nicht im Wege eines Widerspruchs angegangen werden könne. Die Bauleitplanung sei ein Kernbestandteil der kommunalen Planungshoheit und gehöre damit zum verfassungsrechtlich garantierten Selbstverwaltungsrecht der Gemeinde. Es liege in der Planungshoheit der Gemeinde, Bauleitpläne aufzustellen.

In einer Replik sagt Stumböck, dass es den Anwohnern in der Schul-, Friedens- und Friedrichstraße aufgrund von erlittenen Hochwasserschäden um die seit Jahren unerledigte Hochwassersicherung gehe. Sollte die Gemeinde die Überplanung des Scherrackers weiterführen, sei das Landratsamt als zuständige Genehmigungsbehörde auf jeden Fall gefragt. Angesichts des Klimawandels und durch Bodenverkarstung sei mit erhöhter Überflutung bei Starkregen zu rechnen, so Stumböck. Würde der Scherracker als Retentionsfläche überbaut, erhöhe sich das Überflutungsrisiko. Weshalb, so der frühere Bürgermeister, sei die Gemeinde nicht darauf hingewiesen worden, der Hochwassersicherung vor einer Überbauung Priorität einzuräumen.

Andere Bewohner sagen, dass sie das Szenario eines Hochwassers schon zweimal erleben mussten und einer erneuten Bebauung im Scherracker nicht zustimmen können, solange der Hochwasserschutz in Höllstein nicht verwirklicht ist. Das Bündtenfeld halten sie für die bessere Alternative zum Scherracker.

Auch andere sind entschieden dagegen, dass das Gewann Scherracker als Baugebiet ausgewiesen wird. Sie möchten die ihnen bei zwei Hochwassern erlittenen Schäden niemandem zumuten. Überdies sei ein Leben in unmittelbarer Nähe von Starkstromleitungen ungesund. Durch die Bebauung könne ein Hochwasser nicht versickern. Zwischen alter und neuer Schulstraße seien noch genügend Grundstücke vorhanden, die zuerst bebaut werden sollten.

Andere Anwohner fragen sich, inwiefern bei der Flächenerschließung die bisherige städtebauliche Prämisse der Innenverdichtung berücksichtigt wird. Die Erschließung des Scherrackers werde massiv vorangetrieben, obwohl es bei den Punkten Hochwasserschutz und Naturschutz noch erheblichen Klärungsbedarf gebe.

Dass das Landratsamt, nicht aber die Gemeinde auf ihre Schreiben reagiert hat, finden Anwohner enttäuschend. Auch in der Gemeinderatssitzung, als der Scherracker Thema war, sei nichts gesagt worden.

Es sind aber nicht nur der Elektrosmog und die Hochwassergefahr, die Anwohner auf den Plan rufen. Es ist auch die Tier- und Pflanzenwelt, die ihrer Ansicht nach ein Refugium verliert. Libellen, Frösche, Fledermäuse und Ringelnattern zählen sie unter anderem als Bewohner der „grünen Lunge“ auf. Auch Rehe wagen sich aus dem Wald um zu äsen.

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