Gunter Demnig verlegt die Stolperschwelle vor der Lörracher Justizvollzugsanstalt. Foto: Gabriele Hauger
Gunter Demnig verlegt eine Stolperschwelle vor der Justizvollzugsanstalt. Von hier aus wurden von den Nazis Menschen in den Tod geschickt. Zeremonie und Reden sind bewegend.
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Viele Stolpersteine sind seit 1999 europaweit verlegt worden. Gunter Demnig ist nun erneut nach Lörrach gekommen. Mit seiner Stolperschwelle vor der Justizvollzugsanstalt erinnert er an die Schicksale von Menschen, die während der Nazi-Herrschaft von hier aus deportiert wurden: in Ghettos, Konzentrations- und Vernichtungslager.
Bewegende Klänge von Oskar Szutenberg, links Michael Völkel, Leiter der JVA Freiburg Foto: Gabriele Hauger
Es waren meist jüdische Bürger, die bei ihren verzweifelten Fluchtversuchen in die Schweiz aufgegriffen und zunächst im Gerichtsgefängnis inhaftiert wurden. Doch auch Regimegegner saßen hier ein – so Friedrich Kuhn aus Lörrach, der denunziert wurde. Sein Sohn Herbert ist auch zur Zeremonie gekommen – gedenkt mit zitternder Stimme an seinen Vater, dem er hier vor dem Gefängnis in die Augen schaute. Sein Vater hat überlebt – die meisten anderen nicht.
In ehrendem Gedenken
Daran gedenkt in sehr emotionalen Worten Margarete Kurfeß in Vertretung des Oberbürgermeisters. „Ich spreche in tiefer Demut, in ehrendem Gedenken“, sagt sie vor Vertretern aus Politik, Gesellschaft, Kultur und von der jüdischen Gemeinde. Sie erinnert an „das düsterste Kapitel unsere Geschichte“. Das Gefängnis, eigentlich ein Ort der Gerechtigkeit, wurde zum Teil eines menschenverachtenden Systems. „Hier begann für viele unschuldige Männer, Frauen und Kinder ihr letzter Weg.“ Dies solle Mahnung sein, betont Kurfeß. Es sei wichtig, dass es Menschen gebe, die daran erinnern, dankt sie auch den Vertretern der AG Erinnerungskultur. „Viel zu viele schwiegen damals. Wir müssen als Gesellschaft wachsam sein.“
Rosen als Zeichen Foto: Gabriele Hauger
Gedenken, das nicht bloßes Ritual, bloßes Erinnern ist, sondern zum Handeln auffordert: Dazu ruft Landesrabbiner Moshe Flomenmann auf. In der Thora stehe: „Wer die Vergangenheit nicht kennt, hat keine Zukunft.“ Er betont die wichtige Aufgabe der Justiz – gerade auch heute in Zeiten wachsenden Antisemitismus. In die Polizei könnten Juden in Deutschland heute vertrauen, so der Rabbiner. Was aber passiere, wenn ein jüdischer Mitbürger auf der Straße angegriffen werde? Oftmals kämen die Täter schnell wieder frei. Paragrafen dürften nicht missbraucht werden, betont er. Recht und Gesetz müssten zusammengehen. Die Schweizer Grenzbeamten, die Flüchtlinge an der Grenze zurückwiesen und der Gestapo übergaben, handelten nach dem Gesetz – menschlich recht war es nicht, so Flomenmann.
Rabbiner Moshe Flomenmann legt weiße Rosen an der Stolperschwelle nieder. Foto: Gabriele Hauger
Die Unabhängigkeit der Gerichte, deren Bedeutung hebt auch Michael Völkel, Leiter der JVA Freiburg, hervor. Ohne Demokratie könnten Gefängnisse indes zu Orten des Unrechts werden. Dies müsse man sich gerade in der heutigen Zeit immer wieder bewusst machen. „Erinnern ist mehr als je eine eine Verpflichtung.“ Die Stolperschwellen seien „sichtbares Erinnern und unverhoffte Konfrontation“, so Völkel.
Sichtbares Erinnern
Sein Dank gilt dem zurückhaltend agierende Künstler Gunter Demnig, der anschließend nach Konstanz zu einer weiteren Verlegung reist. Aber auch der Stadt und der AG Erinnerungskultur. Deren Vertreter Jürgen Krause macht in seiner Rede aus anonymen Zahlen bewegende Schicksale. Wie die der Juden Kurt und Bernhard Loeb aus Stetten oder Arthur Juliusberger, die am 10. November 1938 um 10 Uhr in Lörrach der ersten Verhaftungswelle zum Opfer fielen. Rund 30 Männer wurden noch an diesem ersten Abend nach Dachau gebracht.
Briefe als Zeugnis
Ulrich Tromm erzählt vom Schicksal eines 16-Jährigen Juden, der aus Amsterdam geflohen war und 1943 im Lörracher Gefängnis landet. Überraschend zuversichtlich schreibt er von hier mehrere Briefe an seine Eltern, Briefe, die diese – inzwischen deportiert – nie erreichen. Auf seinen Abtransport wartend, bittet er darum, dass sie doch seine Schuhe beim Schuster abholen mögen.
Aus dem Register des Lörracher Gefängnisses ließen sich weitere Schicksale berichten. So wie das der drei aus Rotterdam an die Schweizer Grenze geflüchteten Brüder Gutmann. Diese wurden 1942 eingeliefert. Der Austrag lautet: „11.12.42, 10 Uhr, überführt nach Auschwitz.“
Stolperschwellen gibt es neben den Stolpersteinen seit einigen Jahren. Sie erinnern nicht an Einzelschicksale, sondern an Opfergruppen.
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