Stolpersteine in Lörrach Sieben Steine gegen das Vergessen

mek/ndg

Stolpersteinverlegung am Dienstag an drei Orten in der Innenstadt. Neue Erkenntnisse zum Schicksal von Berta Pahl.

Lörrach - Der Prozess der Stolpersteinverlegung soll die Stadt in den nächsten Jahren begleiten und ist ein wichtiger Bestandteil der Lörracher Erinnerungskultur. Nachdem im September 2020 die erste Verlegung mit dem Künstler Gunter Demnig stattfand, folgen nun am Dienstag sieben weitere Steine an drei Orten (siehe Info). Einer erinnert an Berta Pahl, über deren Schicksal in diesem Zusammenhang neue Erkenntnisse zu Tage gefördert wurden.Der Prozess der Stolpersteinverlegung soll die Stadt in den nächsten Jahren begleiten und ist ein wichtiger Bestandteil der Lörracher Erinnerungskultur. Nachdem im September 2020 die erste Verlegung mit dem Künstler Gunter Demnig stattfand, folgen nun am Dienstag sieben weitere Steine an drei Orten (siehe Info am Ende). Einer erinnert an Berta Pahl, über deren Schicksal in diesem Zusammenhang neue Erkenntnisse zu Tage gefördert wurden.

Die Vorbereitung der Verlegung hatte in Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv neue Erkenntnisse zur Folge, erklärt Markus Hofmann, Leiter der Lörracher Initiative für die Verlegung der Stolpersteine. Zudem habe diese die „Nachfahren aus verschiedenen Familienzweigen Heinzelmann-Emden zusammengebracht“. Zehn Familienmitglieder werden laut Hofmann bei der Verlegung anwesend sein, die älteste Nichte feiert am 19. Oktober ihren 90. Geburtstag. Eine Urenkelin, die in Berlin Musik studiert, wird die Verlegung musikalisch begleiten.

Ein typisches junges Paar

Die gelernte Schneiderin Berta Pahl heiratete am 30. Juli 1921 in Lörrach ihren drei Jahre jüngeren Verlobten, Friedrich Heinzelmann-Emden aus Singen am Hohentwiel. Der Grenzaufseher war im Alter von 22 Jahren als junger Bootsmatrose des Marinekreuzers SMS-Emden im Indischen Ozean in Kriegsgefangenschaft geraten und gehörte zu den glücklichen Heimkehrern, die auf kaiserlichen Erlass den Schiffsnamen „Emden“ als vererbbaren Namenszusatz dem Familiennamen hinzufügten durften. Das verblasste Hochzeitsfoto zeigt ein typisches junges Paar, der Bräutigam mit getrimmtem Schnauzer und weißer Fliege, die Braut trägt einen Blumenkranz im Rüschenschleier.

Berta Pahl war am 28. Dezember 1889 in Lörrach geboren worden. Nach der Hochzeit mit dem Zollsekretär Friedrich Heinzelmann-Emden lebten die beiden in der Kreuzstraße 18. Die Söhne Erich und Friedrich wurden 1922 und 1924 geboren.

Depression nach Geburt

Über Berta Pahls Erkrankung ist nur wenig bekannt. Der Geburt von Friedrich folgte offenbar eine Depression, die zu einer psychiatrischen und später stationären Behandlung führte. Als Stationen wurden die Nervenklinik Emmendingen, das Landeskrankenhaus Reichenau und die badische Pflegeanstalt Rastatt dokumentiert. Im März 1939 lässt sich Friedrich Heinzelmann von seiner chronisch kranken Frau scheiden.

Die Heil- und Pflegeanstalt Rastatt übernahm ab 1934 die Rolle einer badischen „Verwahranstalt“. In der Abteilung 463 1984/1, Nr. 6 Pflegeanstalt Rastatt“ ist noch eine Karteikarte von Berta Pahl zu finden. Im September 1939 wurde die Anstalt in Rastatt komplett geräumt und existierte fortan als „Anstalt in der Anstalt“ im württembergischen Zwiefalten weiter.

Deportation im Mai 1940

Zum Zeitpunkt ihrer Deportation am 31. Mai 1940 wurde die 50-jährige Berta Pahl in einem der berüchtigten grauen Busse von Zwiefalten in das ehemalige Samariterstift Grafeneck bei Reutlingen gebracht. Wie alle anderen Menschen in Grafeneck auch, wurde sie direkt nach der Ankunft in der Tötungsanstalt mit Kohlenmonoxidgas ermordet. Ihr Todestag ist der 31. Mai 1940. Zur Vertuschung dokumentierten die Täter wie üblich den Tod in Folge einer Lungenentzündung auf den 23. Juni 1940.

Die Samariterstiftung wurde 1939 von den Nationalsozialisten im Rahmen des Euthanasieprogramms enteignet und die Heil- und Pflegeanstalt Grafeneck zur ersten Tötungsanstalt für behinderte Menschen im Deutschen Reich, mit Gaskammer und Krematorium, umgebaut. Berta Pahl ist eine von 10 654 Menschen mit Behinderung, aus Bayern, Baden und Württemberg, aber auch aus Hessen und dem heutigen Nordrhein-Westfalen, die in Grafeneck ermordet wurden. Aus Lörrach sind nach heutigem Wissensstand 67 Euthanasieopfer zu beklagen, wie der Historiker Kilian Fehr dokumentiert hat.

Die „Aktion T4“

Insbesondere nach Kriegsbeginn wurden Kranke und Behinderte von den Nationalsozialisten als „Ballastexistenzen“, unnötige Esser eingestuft und die Vernichtung „lebensunwerten“ Lebens systematisch vorbereitet. Als Tarnbezeichnung für den Mord an Tausenden wurde die Bezeichnung „Aktion T4“ gewählt. T4 stand für Tiergartenstraße 4 in Berlin, eine zentrale Dienststelle. Die „Aktion T4“ umfasste die gesamten Maßnahmen der„Euthanasie“. Ihr fielen mindestens 120 000 Kinder und Erwachsene zum Opfer. Schätzungen gehen aber von etwa 200 000 bis 300 000 weiteren Opfern aus, die durch „wilde Euthanasie“ und in Lagern ermordet wurden.

Der Stolperstein für Berta Pahl wird verlegt auf Initiative ihrer Nichte, Irene Heinzelmann, sowie auf Wunsch der weiteren Kinder und Enkel von Friedrich und Erich Heinzelmann, mit ausdrücklicher Zustimmung der gesamten Familie.

Info: Verlegung der Stolpersteine

Zur feierlichen Verlegung von Stolpersteinen in der Innenstadt lädt die Stadt am Dienstag, 19. Oktober, um 15.30 Uhr ein. Treffpunkt ist vor dem Gebäude Kreuzstraße 18. Die Verlegung findet in folgender Reihenfolge statt: n  15.30 Uhr, Kreuzstraße 18 (1 Stein) - Berta Pahl – Euthanasieopfer, Aktion T4

n etwa 16 Uhr, Turmstraße 18/20 (zwei Steine) - Frieda und Arthur Juliusberger – Opfer jüdischen Glaubensn  etwa 16.30 Uhr, Haagener Straße 6 (vier Steine), Familie Moses – Opfer jüdischen Glaubens

Da bei der Verlegung nicht gewährleistet ist, dass der Mindestabstand von 1,5 Meter immer eingehalten werden kann, wird darum gebeten, einen medizinischen Mund- und Nasenschutz zu tragen.

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