Tafel in Schopfheim Seit zwei Jahren am Limit

Marianne Rittner
Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass die Regale der Tafel gut gefüllt sind. Foto: Marianne Rittner

Im Dezember warnte der Tafelverband Deutschland davor, dass viele Tafelläden an ihre Kapazitätsgrenzen stießen. Wie sieht es in Schopfheim aus?

Für Sonja Steiger ist das ein bekanntes Bild. Die Dienststellenleiterin beim Diakonischen Werk in Schopfheim, dieses wiederum Träger der Tafel, kennt die Situation vieler Bedürftigen in der Stadt – egal, welcher Lebenslage – und gibt im Gespräch mit unserer Zeitung Einblicke in die Arbeit der Tafel vor Ort.

Mehr Hilfsbedürftige

„Die Tafel in Schopfheim ist bereits seit zwei Jahren am Limit. Wir mussten die Einkaufstage von drei auf einen Tag pro Kunde reduzieren“, sagt sie. Ein Grund sei sicher der Beginn des Ukrainekriegs gewesen, mit der Folge, dass Kriegsflüchtlinge nach Deutschland kamen, die auf staatliche Hilfe angewiesen waren.

Steiger sieht darin aber nicht den alleinigen Grund dafür, dass die Tafelläden deutlich weniger Menschen bedienen können, als Hilfe benötigt wird. Die Tafeln erhielten schlicht auch weniger Waren von den Einkaufsmärkten, da diese dank neuer Bestellsysteme ihre Einkäufe besser angepasst hätten, berichtet sie. Daher müssen sie weniger Waren aussortieren, die sonst der Tafel gespendet worden wären.

Die Tafel in Schopfheim greift daher auf ein anderes Format zurück: Geldspenden, die gezielt für den Kauf von Lebensmitteln eingesetzt werden, ermöglichen es, die Regale und Körbe im Tafelladen zu füllen. Dies sei aber nur eine Kompromisslösung, räumt Steiger ein. Dieses Vorgehen gehe an der eigentlichen Idee der Tafeln – überflüssige Lebensmittel weiterzugeben – vorbei.

Keine Entwarnung

Die Kundschaft der Tafel Schopfheim ist im Vergleich zum Januar des Vorjahres von 1048 auf 909 Kunden zurückgegangen. 325 davon sind Kinder. Von den 584 Erwachsene sind wiederum 105 Rentner.

Das Diakonische Werk sieht darin aber keinen Grund, Entwarnung zu geben. Sonja Steiger und ihre Kollegen erhalten in der Schuldnerberatung oder bei der psychosozialen Beratungsstelle täglich Anfragen von Menschen, die sich in einer finanziellen Notlage befinden und ihren Unterhalt nicht mehr selbst finanzieren können.

Viele Ursachen

„Die Not steigt“, sagt Steiger. Die Ursachen dafür seien vielfältig. Oft hätten diese Menschen längere Phasen der Erwerbsunfähigkeit oder könnten gar nicht arbeiten, da sie krank sind oder Pflegebedürftige oder Kinder zu versorgen haben. Viele seien mit dem bürokratischen Aufwand, Anträge auszufüllen, überfordert, weshalb teilweise Hilfen gestrichen werden. „Bis sie dann eines Tages keinen Strom mehr haben und sich nichts mehr einkaufen können.“

Die Grenze für einen Berechtigungsschein für die Tafel liegt derzeit bei 1300 Euro. Auch Arbeitnehmer mit geringem Einkommen gehören zu den Menschen mit Bedarf. „Der Mindestlohn ist viel zu gering“, sagt Steiger. „In unserer Gegend sind die Mieten so hoch, dass Geringverdiener und Bezieher von Bürgergeld sich den Lebensunterhalt kaum leisten können.“

Kritik an Konservativen

Eine Maßnahme der Bundesregierung lobt Steiger ausdrücklich: Der Job-Turbo bei der Vermittlung von ukrainischen Geflüchteten in Arbeit sei sehr gut angelaufen. Harsche Kritik übt sie hingegen an Äußerungen wie der von CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, dass das Bürgergeld abgeschafft werden soll, oder dass eine Stichtagsregelung für Geflüchtete aus der Ukraine eingeführt werden soll, an der sich orientiere, ob sie weiterhin Bürgergeld bekommen.

Verteilungskampf herrscht

„Solche Aussagen schaffen nur Unfrieden“, ist sich Steiger sicher. „Wir beobachten schon jetzt, dass wir immer häufiger vermitteln müssen zwischen unseren Kunden.“ In den prekären Schichten herrsche ein Verteilungskampf. „Viele deutsche Kunden schimpfen auf Migranten, weil sie sie als Bedrohung betrachten. Sie denken, Geflüchtete nähmen ihnen die Wohnung, den Kita-Platz oder das Essen weg.“ Steiger hat Verständnis für die Nöte der Menschen, betont aber, dass diese Äußerungen an den wirklichen Problemen vorbeiführten. Beim Diakonischen Werk und auch vor Ort in der Tafel sei man bemüht, einen Dialog aller Gruppen herzustellen und über die wahren Ursachen aufzuklären. Diese lägen, meint Steiger, in Versäumnissen der Politik.

Mahnung an Politiker

Etwa 30 Prozent der Kunden in der Tafel sind Deutsche. Steiger weiß aber, dass die Zahl der Berechtigten weitaus größer ist. Das Einkaufen in der Tafel sei für viele Deutsche aber nach wie vor mit Scham belegt. „Ich will nicht mit den Ausländern in einer Schlange stehen“, spitzt Steiger die Aussagen von Betroffenen zu. Sie warnt alle Parteien davor, den anstehenden Bundestagswahlkampf auf dem Rücken der Schwächsten auszutragen. „Die Verantwortlichen im Land müssen sich überlegen, was sie sagen. Bevölkerungsschichten dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden.“

Unterstützer gern gesehen

Noch einen weiteren Wunsch nennt sie im Gespräch. Die Tafel in Schopfheim freut sich immer über ehrenamtliche Helfer. Auch Geldspenden für den Kauf von Lebensmitteln sind willkommen, allerdings müssen diese eigens für den Wareneinkauf deklariert sein.

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