Todtnau Deutscher Genpool als Elendbringer

Anja Bertsch
Politisches Kabarett auf höchstem Niveau lieferte Matthias Deutschmann in Brandenberg ab. Foto: Anja Bertsch

Kabarett: Matthias Deutschmann tritt im Brandenberger Gemeindesaal auf.

Todtnau-Brandenberg - Da hockt einer einfach da und schippert sich und sein Publikum im vermeintlich frei flottierenden Gedankenstrom einmal quer durch den Irrsinn der Welt. Locker wirkt das, spontan und improvisiert – und doch sitzen die Pointen messerscharf, wenn der Akteur da vorn die Untiefen der deutschen Politszenerie auslotet und sich bei der klugen Analyse des Weltgeschehens zu geistigen Höhenflüge aufschwingt.

Was Matthias Deutschmann auf Einladung des Kulturhauses Todtnau am Samstag im Brandenberger Gemeindesaal präsentiert, ist politisches Kabarett auf höchstem Niveau – und höchst unterhaltsam.

Eine tragende Rolle im Bühnenspiel spielt das Cello, das Deutschmann zu seinem Markenzeichen gemacht hat, und das ihm beim Sinnieren, Parlieren und Raunen den dräuenden Unterton gibt. Und den Halt, den die übrige Gesellschaft längst nicht mehr hat in Zeiten wegbrechender Gewissheiten über das, was gut ist und was böse, was links und rechts: „Früher haben wir für Nicaragua demonstriert, heute gibt es Ortega.“ Die Bezeichnung „Aufstehen“ für eine linke Sammlungsbewegung scheint da im Moment doch etwas voreilig, überlegt Deutschmann: „Man müsste erst mal aufwachen“.

Auch jenseits des Cellos ist es ein wenig anders hier als beim herkömmlichen Kabarett: „Das Programm hat Workshopcharakter“, verspricht Deutschmann zu Beginn – und so nimmt er beim Ausspielen seiner Szenen mit feinem Gespür die Lacher auf, die Nicht-Reaktionen auf eine Pointe, oder das leise pikierte Geraune („Hohoho“) aus dem Publikum, das hier im Dorftreff doch sehr nah ist. Mit ein paar launig-locker gestreuten Pointen klopft Deutschmann die Stimmungslage ab und klärt die Fronten: „In einem potentiellen Lungenzug Helmut Schmidts steckte mehr Inhalt als einem ganzen SPD-Parteitag“: Klatscht da der CDU-Ortsverein? Oder ist`s doch eher die gequälte Erinnerung der anonymen SPDler im Saal, die sich da applaudierender Weise Bahn bricht? Auf jeden Fall „lieber Brandenberg als Brandenburg“, so der versöhnliche Brückenschlag aus Freiburger Kabarettisten-Gefilden auf die schwarzwälderischen Höhenlagen hinauf.

Und auf jeden Fall keine AfD-Fans hier, wie Deutschmann nach einem Testballon zufrieden notiert: Der startet in Übersee, um dann jedoch zu den deutschen Wurzeln zurückzufahren. „Egal ob wir Deutschen zu Hause bleiben oder auswandern: Wir bringen Elend über die Welt“, lautet nämlich die bittere Bilanz mit Blick auf US-Präsident Donald Trump und dessen Pfälzer Vorfahren: „Es ist unser Genpool, der da aktiv ist“.

Über Kim Jong Un, Friedrich Schiller, Darth Vader und Napoleon Bonaparte mäandert die Performance in bissigen Pointen, mit Hintersinn und gelegentlichen Ausflügen ins Absurde zur Berliner Polit-Szene: Etwa zu AfD-Mann Höcke mit dem für die Position eines „selbst ernannter Reichsmeinungsführers“ doch höchst unpassend-undeutschen Vornamen. Oder zu Angela Merkel, so lange es noch Sinn macht: „Man hat das Gefühl, man muss sich beeilen“, gibt Deutschmann Einblick ins zerrüttete Seelenleben des Kabarettisten: „Es kann jeden Moment vorbei sein.“ Noch aber ist Zeit, um am Beispiel Merkels große Würfe der Weltgeschichte auf ihre Wurzeln zurückzuführen: Merkels „Wir schaffen das“ entpuppt sich da als deutsche Ausgabe von Barack Obamas „Yes we can“ – „und der hat`s von Bob, dem Baumeister.“

Ebenso geschmeidig schlägt Deutschmann die Brücke von den großen Weltreligionen zum privaten Erfahrungsschatz und ebnet dabei die vermeintlich kriegswürdigen Gegensätze zwischen den Religionen mühelos ein: Als einschläfernde Gute-Nacht-Lektüre eigenen sich die heiligen Schriften von Islam und Christentum gleichermaßen („Ich träume Koran und Bibel inzwischen simultan“).

„Wir sehen uns wieder“, verspricht Deutschmann seinem Publikum am Ende eines ausgiebigen Bühnenabends. Bleibt mit Blick auf ein begeistertes Publikum zu hoffen, dass in Zeiten der Ungewissheit zumindest auf diese Ansage Verlass ist.

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