Todtnau Erfinderisch, erfolgreich – einsam

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Geschichte: Am 2. Mai jährt sich der Geburtstag von Dauerwellen-Erfinder Karl Ludwig Nessler zum 150. Mal

Dieser Mann hat das Gesicht der Welt verändert. Er war keiner von den Großen, kein Politiker, kein Wirtschaftskönig und kein Religionsstifter. Er war ganz einfach ein arbeitsamer, kluger und tüchtiger Mensch. Ein Frisör aus dem Schwarzwald, Karl Ludwig Nessler, der Erfinder der Dauerwelle.

Todtnau. Karl Ludwig Nessler kommt am 2. Mai 1872 als Sohn des Schuhmachers Bartholomäus Nessler und seiner Ehefrau Rosina, geborene Laitner, in Todtnau zur Welt. Im Juli 1876 wird Todtnau durch einen Großbrand fast völlig zerstört, auch die Familie Nessler verliert ihr gesamtes Hab und Gut. Später zieht die Familie nach Fahrnau, wo der Vater Arbeit findet und seine große Familie ein neues Leben beginnen kann.

Nach der Schulzeit beginnt Karl eine Lehre als „Barbier“ bei Meister Busam in Fahrnau. Seine Lehr- und Wanderjahre führen ihn über Basel, Mailand und Genf, wo er die italienische beziehungsweise französische Sprache erlernt, bis nach Paris. In einem exklusiven Salon bedient er die Damen der „High Society“. Hier lernt er auch seine spätere Frau Katharina kennen. Sie unterstützt ihn ohne zu zögern für seine „Dauerwellenversuche“ und -studien - nicht immer unbeschadet.

Charles - wie er sich nun nennt - verlegt seinen Wohnsitz von Paris nach London in eine Seitenstraße der Oxford Street und ändert seinen Nachnamen in Nestlé, um ihn französisch klingen zu lassen.

Neben seiner Friseurarbeit bringt ihm eine Erfindung großen finanziellen Erfolg: die künstlichen Augenbrauen und Augenwimpern, die er sich gleich patentieren lässt. Mit einer selbstgebauten Vorrichtung war es ihm gelungen, Augenwimpern so täuschend echt herzustellen dass sie nach Deutschland, Frankreich und sogar bis nach Argentinien verkauft werden konnten. Jetzt, als es langsam aufwärts ging, heiratete er seine langjährige Freundin Katharina.

Patentschutz erhalten

Der 8. Oktober 1906 gilt als Geburtstag der Dauerwelle. An diesem Tag wagt er es zum ersten Mal, die Dauerwelle einem kleinen Kreis von Berufskollegen vorzustellen. Im Jahr 1908 ist es dann endlich soweit: Nessler erhält auf seine Erfindung der Dauerwelle internationalen Patentschutz. Lizenzen vergibt er nach Deutschland, in die Schweiz und nach Österreich. Sein Geschäft wächst, und Nessler baut in der vornehmen South Molton Street Nr. 48 in London das Haus der Dauerwelle.

Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges brachte das Ende des Hauses für Dauerwellen. Nessler wurde als Ausländer behandelt und kam in ein Internierungslager. Sein Geschäft wurde beschlagnahmt und später als Feindeseigentum versteigert. Nessler gelang die Flucht aus dem Lager, und im Januar 1915 fuhr er, als Mister Miller getarnt, auf einem Dampfer nach Amerika.

Nach Anfangsschwierigkeiten kann er sein Geschäft in New York bereits nach sieben Monaten vergrößern. 1919 können endlich auch seine Frau und die Kinder aus England ausreisen. Nesslers Unternehmen wachsen weiter mit Niederlassungen in Chicago, Philadelphia, Palm Springs und Detroit.

Für Frauen die sich wegen der großen Entfernung zur nächsten Stadt keinen Frisörbesuch leisten konnten, baute Nessler auch elektrisch betriebene Heimgeräte zum Preis von 15 Dollar. Die Packung enthielt alles, was zur Selbstherstellung einer Dauerwelle nötig war. Auch dieses Geschäft wurde ein Erfolg.

Allein in den Monaten September und Oktober 1922 stellten die Werkstätten von Nessler 30 000 Geräte her, alle mit vollem Rückgaberecht bei Nichtgefallen. Sein neuer Prospekt enthielt 27 kosmetische Artikel. Seine jährlichen Ausgaben für Werbung betrugen 300 000 Dollar. Beschäftigt waren bei ihm gegen 500 Leute, darunter auch einige Mitarbeiter aus seiner alten Todtnauer Heimat.

Großzügige Heimathilfe

Für die Stadt Todtnau ist Nesslers großzügige Unterstützung und Hilfe unvergessen. Als im Jahre 1923 in Deutschland die Inflation ihrem Höhepunkt entgegensteuert und überall Hunger und Arbeitslosigkeit herrschen, ist Karl Ludwig Nessler einer der Ersten, der Hilfe bringt. Er schickt 34 Zentner Kleidung nach Todtnau, überbringt Spenden und Nahrungsmittel und überweist mehr als 20 000 Mark an die notleidende Bevölkerung in Todtnau.

Auf dem Höhepunkt seiner Unternehmen im Jahre 1928 verkaufte Nessler seine Geschäfte und Fabriken sowie seine Patente für über 1,5 Millionen Dollar und zog sich zum weiteren Haarstudium in sein kleines Labor zurück. Einen großen Teil seines Vermögens hatte Nessler in Kupferaktien angelegt. Am Schwarzen Freitag im Oktober 1929 kam es in New York zum Börsenkrach. Über Nacht waren Nesslers Aktien wertlos geworden, er erlitt Verluste von mehreren Millionen Dollar. Aber noch besaß er einige andere Wertpapiere, auch blieb ihm sein Haus mit dem großen Park. Er war kein armer Mann geworden. Doch kurz darauf folgte der nächste Schlag. Ende 1929 brannte sein Haus und sein Labor ab. Nessler konnte sich nur mit dem Schlafanzug bekleidet retten. Alle seine Aufzeichnungen sowie die Lizenzverträge wurden ein Raub der Flammen.

Später arbeitete er an einer neuen Erfindung: „ChaNess“, einem Apparat für die Hautpflege und Förderung des Haarwuchses. Seine Hoffnung, mit diesem Produkt an frühere Erfolge anknüpfen zu können, erfüllte sich jedoch nicht, die Erfindung konnte sich nicht durchsetzen. Das Gerät fand keinen Absatz. Er hatte die Wirkung und die Möglichkeiten seines Apparates weit überschätzt. Nessler musste die Produktion wieder einstellen.

Enttäuscht zieht sich der erfolgsverwöhnte Geschäftsmann vom öffentlichen Leben zurück. Von Krankheit und Sorgen geplagt, verbrachte er seine letzten Lebensjahre einsam und allein in seinem Haus. Karl Ludwig Nessler stirbt am 22. Januar 1951 in Harrington Park, New Jersey. Sein Grab befindet sich auf dem prominenten Kensico Friedhof Valhalla bei New York.

(Text: Kulturhaus Todtnau)

Das Leben und Werk von Karl Ludwig Nessler kann in einer spannenden Dauerausstellung im Bürstenmuseum Todtnau besichtigt werden. Öffnungszeiten sind Mittwoch und Sonntag von 14 bis 17 Uhr. Informationen unter www.todtnau.museum

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