Denn beim Bundesgerichtshof hatten Klägerinnen und Kläger bisher nur dann eine Chance auf Schadenersatz, wenn sie vom Hersteller bewusst und gewollt auf sittenwidrige Weise getäuscht wurden. Diese strengen Kriterien waren nur beim VW-Skandalmotor EA189 erfüllt. Dem EuGH genügt nun fahrlässiges Handeln - was sich leichter nachweisen lässt.
Umwelthilfe: Urteil ist "Meilenstein"
Der ADAC wertete die Entscheidung daher als "gutes Signal für den Verbraucherschutz". Auch die Deutsche Umwelthilfe (DUH) begrüßte das Urteil: "Für die betrogenen Verbraucherinnen und Verbraucher ist das heutige Urteil ein Meilenstein", sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Von der Entscheidung seien bis zu zehn Millionen Besitzerinnen und Besitzer von Diesel-Autos betroffen.
Thermofenster wie im aktuellen Urteil wurden auch von anderen Herstellern standardmäßig eingesetzt. Da sich das EuGH-Urteil auf unzulässige Abschalteinrichtungen allgemein bezieht, könnte es auch auf andere Funktionalitäten in der Abgastechnik von Diesel-Autos übertragbar sein, die derzeit von Gerichten unter die Lupe genommen werden. Mercedes-Konkurrent VW teilte dazu mit: "Der EuGH beantwortet hier abstrakte rechtliche Fragen, die allein die Auslegung des Europarechts betreffen."
Rechtsanwalt Claus Goldenstein, dessen Kanzlei zahlreiche Diesel-Verfahren führt, erwartet die nächste große Klagewelle für die Autoindustrie. Der Ball liegt nun bei den deutschen Gerichten, vor allem beim Bundesgerichtshof (BGH). Der "Dieselsenat" des BGH hat für den 8. Mai bereits eine Verhandlung terminiert, in der er die sich "möglicherweise ergebenden Folgerungen für das deutsche Haftungsrecht" erörtern will, um den unteren Instanzen möglichst schnell Leitlinien an die Hand zu geben. Denn mit dem EuGH-Urteil sind noch längst nicht alle Fragen geklärt. Offen ist zum Beispiel, wie viel Geld betroffenen Autokäufern gegebenenfalls zusteht.