Der Scharfrichter und seine Helfer haben die Stricke bereits an den acht Haken am Stahlträger an der Decke befestigt und die kleine Holzbühne darunter platziert. Auch der Landgerichtsdirektor als Vollstreckungsleiter ist schon erschienen.
Helmut Himpel stammte aus Schönau und engagierte sich in der „Roten Kapelle“. Bis zu seiner Verhaftung und Ermordung half er Menschen, die von den Nazis verfolgt wurden, und prangerte die Verbrechen des NS-Regimes an.
Der Scharfrichter und seine Helfer haben die Stricke bereits an den acht Haken am Stahlträger an der Decke befestigt und die kleine Holzbühne darunter platziert. Auch der Landgerichtsdirektor als Vollstreckungsleiter ist schon erschienen.
Für den Schönauer Helmut Himpel und sieben weitere „Landesverräter“ ist es nur ein kurzer Weg von ihren Todeszellen über den Hof zum Hinrichtungsschuppen. Es ist ihr letzter Weg. Widerstandslos trotten die acht Männer in den Schuppen, besteigen die drei Stufen des Holzpodests. Klaglos lassen sie sich die Schlingen um den Hals legen. Der Vollstreckungsleiter nickt dem Scharfrichter nur kurz zu und die Falltüren öffnen sich. Acht Menschen fallen, fast geräuschlos, 60 Zentimeter in die Tiefe.
Der Vollstreckungsleiter notiert in sein Protokollbuch: „Vollstreckung der Todesstrafe ordnungsgemäß vollzogen.“ Uhrzeit, Datum, Unterschrift. Fertig. Das sind die letzten Momente im Leben des Schönauer Zahnarztes Helmut Himpel. Seine letzten Momente am frühen Morgen des 13. Mai 1943 im Strafgefängnis Berlin-Plötzensee.
Helmut Himpel wird am 14. September 1907 in Schönau als Sohn des Ehepaars Georg und Lina Himpel, geborene Pfeffinger, geboren. Sein Vater Georg betreibt eine Tierarztpraxis und ist außerdem als Bezirkstierarzt and amtlicher Veterinärrat tätig. Seine Kindheits- und Jugendjahre verbringt Helmut Himpel in Schönau. Nach dem Abitur studiert er zunächst in Karlsruhe und München Elektrotechnik, vollzieht aber 1930 einen Fachwechsel und schreibt sich für das Studium der Zahnheilkunde an der Universität München und später an der Uni Freiburg ein. Nach Beendigung seines Studiums zieht Himpel nach Berlin. Im Jahr 1933 erhält er die zahnärztliche Approbation und eröffnet 1937 in Berlin-Wilmersdorf seine eigene Praxis. Himpel ist äußerst erfolgreich und fachlich angesehen. Zu seinen Patienten zählen Mitglieder des diplomatischen Korps, Schauspieler und Künstler, darunter auch Heinz Rühmann.
Bereits während seines Studiums in Freiburg lernt er seine spätere Lebensgefährtin Maria Terwiel kennen, die zu ihm nach Berlin zieht. Sie studiert zuvor in Freiburg Rechtswissenschaften, muss allerdings ihr Studium aufgeben, da sie als „Halbjüdin“ nicht zur juristischen Prüfung zugelassen wird.
Himpel und Maria Terwiel verloben sich 1940. Eine Heirat ist wegen ihrer „nichtarischen Abstammung“ und der Nürnberger Rassegesetze allerdings verboten. Bereits 1939 kommen beide in Kontakt mit Widerstandskämpfern des illegalen Netzwerkes „Rote Kapelle“.
Zur „Roten Kapelle“ zählen mehr als 150 Menschen, die die entschiedene Gegnerschaft zum Nationalsozialismus verbindet. Sie helfen Verfolgten und dokumentieren Gewaltverbrechen der Nazis. Mit Flugblättern und Klebezettel versuchen sie die Öffentlichkeit über Ungerechtigkeiten und Gewalttaten der Nazis zu informieren.
Himpel stellt seine Praxis für Treffen der „Roten Kapelle“ zur Verfügung, behandelt Juden und andere Verfolgte kostenlos und macht heimlich Hausbesuche bei verfolgten Patienten. Illegal besorgt er Juden Lebensmittelkarten und Ausweispapiere. Maria Terwiel arbeitet unterdessen als Schreibkraft in einem Textilunternehmen, wo sie die Möglichkeit hat, Flugblätter zu verfassen und zu vervielfältigen.
Die Gestapo versucht jahrelang vergebens, der „Roten Kapelle“ auf die Spur zu kommen. Sie gibt dem Netzwerk auch den Namen „Rote Kapelle“, weil sie irrtümlich davon ausgeht, dass es sich dabei um eine sowjetische Spionageorganisation handelt. 1942 prangert die „Rote Kapelle“ in einem Flugblatt die als „Euthanasie“ bezeichneten systematischen Morde kranker Menschen an. Helmut Himpel und Maria Terwiel sind maßgeblich an der Verbreitung der Flugblätter und Klebezettel beteiligt, die auch einige Persönlichkeiten und ausländische Journalisten erreichen.
Da die Flugblätter teilweise auch mit der Post verschickt werden, fliegt die Aktion auf. Am 17. September 1942 werden Helmut Himpel und Maria Terwiel in ihrer Wohnung verhaftet und am 26. Januar 1943 vom Reichskriegsgericht wegen Landesverrats zum Tod verurteilt. Sein „Kriegsverbrechen“ offiziell: „Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens und Feindbegünstigung“ – so wird das Schreiben, Drucken und Verteilen von Flugblättern und Klebezetteln vom Reichskriegsgericht umschrieben.
Himpel wird am 13. Mai 1943 in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Er ist 36 Jahre alt. Seine Verlobte Maria Terwiel ist in einem Berliner Frauengefängnis inhaftiert. Ihr Gnadengesuch lehnt Adolf Hitler am 21. Juli 1943 ab. Am 5. August 1943 wird, ebenfalls im Strafgefängnis Berlin-Plötzensee, ihr Todesurteil vollstreckt. Sie ist gerade 33 Jahre alt. Mehr als 50 Mitglieder der „Roten Kapelle“ werden in Berlin-Plötzensee enthauptet oder erhängt. Insgesamt ermorden die Nazis dort 2500 Menschen, die meisten davon sind deutsche Widerstandskämpfer.
Himpel ist nur eines der Opfer, die von den Nationalsozialisten bedrängt, genötigt, in Gefängnisse und Konzentrationslager gesteckt oder getötet werden. Die Gedenkstätte Berlin-Plötzensee erinnert heute an das Schicksal von Himpel und seiner Verlobten Terwiel. Seit 2012 sind in Berlin zwei Stolpersteine für die beiden vor ihrem ehemaligen Wohnhaus verlegt.
Und in Schönau? In Schönau hat man Helmut Himpel vergessen. Allerdings pflegt die Stadt Schönau noch immer das Ehrengrab des Nationalsozialisten Albert Leo Schlageters, der spätestens ab 1933 von der NSDAP zum Nationalhelden und zum „Ersten Soldaten des Dritten Reiches“ hochstilisiert wird. Und auch in der Schrift „900 Jahre Schönau“ von 2013 wird Schlageter als eine der „herausragenden Persönlichkeiten, deren Wirken für die Stadt bedeutsam war“, bezeichnet.
Der Antrag der Freien Wähler (FW), das Ehrengrab zu entfernen, wurde jüngst mehrheitlich abgelehnt. Stattdessen soll das Ehrengrab mit einer Informationstafel versehen werden, die darauf hinweist, dass die Grabstätte auch ein Mahnmal sein soll. Über den Text will der Gemeinderat in der Sitzung im Dezember entscheiden.