Weil am Rhein Ära endet: Tonio Paßlick prägte das Kulturleben über Jahrzehnte

Weiler Zeitung
Der scheidende Kulturamtsleiter Tonio Paßlick hat in seiner Dienstzeit Maßstäbe gesetzt. Foto: Weiler Zeitung

uhestand: Der Weiler Kulturamtsleiter Tonio Paßlick hat über dreieinhalb Jahrzehnte hinweg die Kultur in Weil am Rhein mit Leben gefüllt / Nun verabschiedet er sich in den Ruhestand

Fast 35 Jahre lang hat Tonio Paßlick als Kulturamtsleiter der Stadt Weil am Rhein das Kulturleben der Stadt geprägt. Der Gemeinderat hatte den früheren Journalisten und Musiker im April 1986 aus rund 350 Bewerbern ausgewählt und mit der Aufgabe betraut, ein Kulturamt aufzubauen und ein eigenes Kulturprofil für Weil am Rhein zu entwickeln.

Am Freitag wurde er von seinen Mitarbeitern an seinem letzten Arbeitstag verabschiedet, bevor er sich bei Oberbürgermeister Wolfgang Dietz für das stetige Vertrauen und die nachhaltige Unterstützung bedankte.

Aufgebaut und gefördert

In verschiedenen Phasen hatte Paßlick in dieser Zeit die Weiler Kulturszene aufgebaut, betreut oder gefördert. Zwischen Juli 1986 und Sommer 1995 verdreifachte er den Umfang des Angebotes der Volkshochschule, schlug den Kauf der ehemaligen katholischen Kirche vor, um dort eine moderne Bibliothek zu integrieren, etablierte ein Theater-Abo mit 500 Abonnenten und ein Klassik-Abo unter dem Titel „Willa Musica“ mit rund 100 Dauergästen.

Er entwickelte ein dezentrales Museumskonzept mit drei Filial-Museen an historisch ursprünglichen Umgebungen (Landwirtschaftsmuseum, Dorfstube Ötlingen und Museum Weiler Textilgeschichte), konzipierte und realisierte im 1988 erworbenen Schwarzenbach-Areal ein Kulturzentrum mit Veranstaltungsraum, 20 Ateliers, Probe- und Kreativräumen und dem Museum in der ehemaligen Werkstatt. Gleichzeitig sorgte er für ein dauerhaftes Ausstellungsprogramm im Stapflehus und weitere Veranstaltungsreihen, mit denen Nischen im überregionalen Kulturangebot besetzt wurden.

Dabei wurde seine partizipative Vorgehensweise deutlich: Wenn ihm die kulturelle Kompetenz eines Weilers zu Ohren kam, suchte er den Kontakt. So entstand nach wenigen Monaten die Reihe „Jazz in Weil“ mit dem Jazz-Experten Dieter Brunow und viele andere erfolgreiche Formate.

Vitra und Kesselhaus

Als Glücksfall und Katalysator für das aufblühende dynamische städtische Kulturleben empfand Paßlick die Tatsache, dass 1989 das Vitra Design Museum und fast gleichzeitig die katholische Kirche St. Peter und Paul eingeweiht wurden. Paßlick knüpfte rasch ein grenzüberschreitendes Netzwerk, wurde Stiftungsrat in der trinationalen Regio-Kulturstiftung und zehn Jahre später in der Basler Stiftung „Lesmuseiques“. In beiden saßen wichtige Kultur- und Wirtschaftsvertreter.

Mit der Folge, dass das Kulturzentrum Kesselhaus im Sommer 1995 mit einem fünfwöchigen Festival gefeiert wurde, das die Stadt fast nichts kostete. Die trinationale Wirtschaft finanzierte die Drehscheibe für Künstler und Musiker aus der Region. Das Kesselhaus hatte sich sofort einen grenzüberschreitenden Namen gemacht – noch gefördert durch den Erfolg des bald semiprofessionellen Theaters im Kesselhaus. Und Lesmuseiques unter künstlerischer Leitung von Gidon Kremer brachte „Rising Stars“ in die Fire Station und den Buckminster Fuller Dome auf dem Vitra Campus.

Innovative Nutzung

Gebäude im Übergang wurden in dieser Phase vorzugsweise genutzt, wie die mit Sand ausgekleidete leere Kirche als Schauplatz für Konzerte und die Oper Orpheus und Eurydike mit Hansjürgen Wäldeles Junger Kantorei und Silke Marchfeld. Die Komposition „Hiob“ von Wäldele wurde ein paar Jahre später in der noch leeren Shedhalle beim Kesselhaus auf sieben Bühnen uraufgeführt.

Die leere Shedhalle Süd war zwei Jahre lang Museum auf Zeit für das „Museum für Gestaltung Basel in Weil am Rhein“ , das bis zu 15 000 Besucher pro Ausstellung nach Friedlingen lockte. Und nebenan wurde im nördlichen Kopfbau des Areals die Uraufführung Theaterstücks „Erasmus“ von Frank Geerk gefeiert. Regisseure wie Marion Schmidt-Kumke oder Klaus Zintgraf sorgten für eine Reihe von überregional besetzten und beachteten Theater-Premieren.

Nachhaltige „Grün99“

In der zweiten Phase zwischen 1996 und 1999 bereitete Paßlick das Veranstaltungs- und Kunstprogramm der Landesgartenschau „Grün99“ vor. Immerhin 1200 Veranstaltungen in einem halben Jahr und 30 in einem langen Prozess ausgewählte Kunstwerke. Seine Motivation dafür: nachhaltig wirkende Orte schaffen – auch für die Zeit nach der LGS. Und eigene Projekte konzipieren, Vereine, Musikgruppen und Künstler aus der Region einbinden.

Das Kieswerk blieb erhalten als Ausstellungsort. Und vor allem wollte Paßlick die Veranstaltungsstrukturen auch für Abendveranstaltungen nutzen – Stars wie „Die Ärzte“ oder die „Prinzen“ kamen oder eine afrikanische Nacht bei Stimmen. Noch wichtiger waren große Projekte von Vereinen für den Manager: Konzerte der Orchestergesellschaft oder des Mandolinen-Orchesters und anderer Vereine, auch mal mit Feuerwerk und traumhaften Abenden.

Zwei Jahre vor der Grün99 hatte Paßlick begonnen, Stadtführer auszubilden. Gleichzeitig waren sie der Grundstock für den erfolgreichen Museumskreis. Auch seit 1997 bildete Paßlick mit Fachleuten eine Gruppe von Märchenerzählern aus. Die „Grün99“ selber blieb das intensivste Kulturjahr in den 35 Jahren.

Ab dem Jahr 2000

In der dritten Phase zwischen 2000 und 2012 wurde der Fokus auf ein nachhaltiges Veranstaltungsprofil gelegt: die besonderen Open-Air-Erlebnisse sollten das Kulturprofil dauerhaft prägen. Nach verschiedenen Versuchen blieben zwei als Rückgrat: das Internationale Bläserfestival und das Kieswerk-Open-Air.

In der vierten Phase seit 2013 wurden die Strukturen verfeinert und der Übergang in die digitale Zeit eingeleitet. Festivals wie „Weiler Klang-Räume“, „StringTime“, die Kulturnacht, Markgräfler Musikherbst, der Orgelkonzertzyklus, Konzerte in der Ötlinger St. Gallus-Kirche oder in anderen Kirchen oder die Blues-Konzerte leben von den überregionalen Netzwerken. Thematische Programme wie „humanismus 96“ oder der „Friedlinger Frieden“ werden interaktiv mit der Bevölkerung geplant. Und mit der Partnerstadt Hüningen hatte sich die Beteiligung am Festival „Compli’Cité“ im Januar eingebürgert. Das Kesselhaus ist Werkstatt wie Kultur-Drehscheibe.

Was sagt Tonio Paßlick?

Was bleibt haften nach einer so langen Zeit?

„Unglaublich viele schöne Erinnerungen und Erlebnisse, berührende Momente. Und vor allem Dankbarkeit. Für das Vertrauen und die Unterstützung – durch die Verwaltungsspitze, die Gemeinderäte und die Ämter im Rathaus und viele Besucher. Für den Halt in meiner Familie auch in sehr anstrengenden Zeiten. Für die Unterstützung durch die Medien und für das Engagement der festen und der freien Mitarbeiter. Und der vielen Ehrenamtlichen, die sich begeistern ließen. Und natürlich unglaublich tolle und engagierte Mitarbeiter in all den Jahren…“

Vielfältig aktiv

Tonio Paßlick war neben dem Kulturamt noch in zahlreichen Vereinen tätig. Er ist aktuell Vorsitzender der Ambulanten Hospizgruppe Dreiländereck, Kreisrat bei der Fraktion der Freien Wähler, Mitglied beim Lions-Club Weil am Rhein, beim Tennis-Club Blau-Weiß, dem Städtepartner-Verein und weiteren Vereinen, war lange im Vorstand des Literatur-Vereins Forum Allmende, der Regionalen Interessengemeinschaft Theater Basel. Und 30 Jahre lang Solist beim Trio und Orchester der Musica Antiqua Basel und seither beim Ensemble Willa Musica.

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