Weil am Rhein An der Grenze zum Risikogebiet

Alisa Eßlinger und Marco Fraune
Die Dreiländerbrücke verbindet das seit gestern als Coronavirus-Risikogebiet eingestufte Elsass mit Weil am Rhein. Foto: Marco Fraune

Coronavirus: Innenexperte Armin Schuster spricht sich für verstärkte Grenzkontrollen und Engagement jedes Einzelnen aus / Betriebe sind ebenso betroffen wie Schulen / Bürger gefragt

Weil am Rhein - Eines von weltweit aktuell noch wenigen Coronavirus-Risikogebieten liegt nur einen Steinwurf von Weil am Rhein entfernt. Unsere Zeitung hat am Tag der Robert-Koch-Instituts-Entscheidung auf der deutschen Seite Einschätzungen, Stimmen sowie Stimmungen im Grenzgebiet zusammengetragen. Es geht um Prävention, Maßnahmen und eine mögliche Grenzschließung.

Mit der Forderung, die Grenze zu Frankreich einfach dicht zu machen, lehnt sich der in Haltingen wohnende Innenexperte Armin Schuster (CDU) nicht aus dem Fenster. „Eine Grenzschließung ist aktuell nicht verhältnismäßig.“ Diese Maßnahme sei nur als äußerstes Mittel denkbar. „So weit sind wir bei weitem nicht.“ Doch er habe sich zuletzt in Berlin für intensivere Grenzkontrollen eingesetzt. „Ich gehe auch stark davon aus, dass die Kontrollen nochmals verstärkt werden.“ Schon jetzt seien Flugzeuge, Bahn und Busse unter der Lupe – auch in Weil am Rhein. Sollte dort jemand auffallen, folge der Anruf beim Gesundheitsamt und gegebenenfalls die Quarantäne.

Schuster :Grenzschließung aktuell nicht verhältnismäßig

Gleichzeitig warnt Schuster davor, die Grenzkontrollen als Allheilmittel zu bewerten. Vielmehr könne jeder Einzelne etwas bewirken. „So manche haben noch nicht verstanden, mit wie vielen anderen Menschen sie in Kontakt sind.“ Was jeder Einzelne tun könne, sei wahrscheinlich effektiver als alle Fragen, mit denen man sich in Berlin beschäftige, wie mit Grenzkon-trollen. „Das Virus ist da und wir müssen es durchleben.“ Auch bei kleineren Veranstaltungen müssten sich die Organisatoren fragen, ob eine Umsetzung sinnvoll ist.

Schließlich gehe es aktuell darum, für eine deutliche Verlangsamung der Virus-Verbreitung zu sorgen. Gleichzeitig kennt der Bundestagsabgeordnete die Gefühlslage im Dreiländereck. „Die Besorgnis, die viele Weiler haben, ist verständlich und nachvollziehbar. Auch ich habe ein mulmiges Gefühl, da ich über den Basler Flughafen fliege.“ Sollte er sich in Berlin infizieren, würde Schuster dort in Quarantäne gehen. Erst einmal gehe es darum, die Risikogruppen zu schützen. „Es ist eine spannende Herausforderung für uns alle. Wir müssen es schaffen, Zusammenhalt und Solidarität zu üben.“

Rathaus und Landratsamt

Das Weiler Rathaus agiert aktuell weiterhin als Ortspolizeibehörde. Risikobewertungen von geplanten Veranstaltungen gehören dazu. Die allgemeine Lage ist im Blick und auch die Rolle als Arbeitgeber wird beachtet. „Für alles andere sind übergeordnete Behörden zuständig“, verweist Stadtsprecherin Junia Folk auf das Landratsamt. „Als Arbeitgeber schließt sich das Rathaus der Empfehlung des Regierungspräsidiums in Freiburg an.“ Im Zuge dessen wurden elf im Elsass wohnende Stadt-Mitarbeiter für die nächsten zwei Wochen freigestellt. Dies ziehe Einschränkungen mit sich: So ist die Baurecht-Abteilung in den nächsten zwei Wochen nur noch vormittags erreichbar.

Das Landratsamt hat gestern angesichts der Einstufung des Elsass’ als Risikogebiet Empfehlungen für Reisende und Arbeitgeber gegeben ( u siehe Seite „Regio“). Konkrete Maßnahmen seien hingegen beim Bundesinnenministerium in Berlin angesiedelt. Eine Anfrage unserer Zeitung blieb dort bis Redaktionsschluss gestern aber unbeantwortet.

An der Dreiländerbrücke

Obwohl das Elsass als Risikogebiet klassifiziert wurde, herrschte gestern Mittag immer noch reges Treiben auf der Dreiländerbrücke. Sowohl von der französischen als auch von der deutschen Seiten kamen Menschen, um das Nachbarland zu besuchen. Die Passanten zeigten sich wenig beeindruckt von der Dynamik im Elsass, wie eine Umfrage zeigte. Gemeinsam mit ihren beiden Töchtern ging Karin Hund in Weil am Rhein einkaufen – wie an anderen Tagen auch. „Ich habe keine Bedenken wegen des Virus’, es bleibt alles wie gehabt.“ Sie würde es bedauern, falls die Gerüchte um eine Brückenschließung wahr werden. „Meine Tochter ist bereits für 14 Tage von der Schule befreit.“

Eine Krankenschwester aus dem Elsass ist schockiert, dass ihre Landsleute für zwei Wochen nicht mehr in Südbaden arbeiten gehen dürfen: „Ich finde die Bestimmung in Deutschland zu hart.“ Für eine ebenfalls auf der Brücke laufende Elsässerin ist die Coronavirus-Aufregung ein „großer Mist“. Sie hat keine Bedenken, die Grenzen zu überqueren: „Das ist doch nur eine heftige Grippe.“ Auch die ebenfalls aus dem Elsass kommende Doris Brengard nimmt die Situation eher gelassen: „Das Virus ist auf beiden Seiten überall.“ Von einer Grenzschließung hält sie nichts.

Die Schulen

Zwei Lehrer und 16 Schüler vom Kant-Gymnasium müssen nun zu Hause bleiben. Schließlich sei das eine „klare Aufforderung vom Präsidium“, weiß Schulleiter Martin Haas. Dabei wurden auch alle grenzüberschreitenden Ausflüge und Exkursionen abgesagt.

Die zweiwöchige Freistellung vom Unterricht birgt allerdings auch Probleme. Denn unter den Schülern, die im Elsass wohnen, befinden sich auch Gymnasiasten, die dieses Jahr ihr Abitur absolvieren. Haas: „Natürlich kann kein 100-prozentiger Unterricht stattfinden, aber wir versuchen, die 16 Schüler miteinzubeziehen.“ Darum seien die Klassenkameraden angehalten, ihre Mitschüler auf dem neuesten Stand zu halten, sodass die Freigestellten das Arbeitsmaterial verfolgen können.

Auch für die anderen Weiler Schulen gelten dieselben Regelungen: In der Realschule sind 13 Schüler betroffen und in der Gemeinschaftsschule 16. Die Anzahl der elsässischen Schüler des Oberrhein-Gymnasiums war gestern nicht zu erfahren. In allen drei Schulen sind die Lehrer von einer Freistellung nicht betroffen.

Die Betriebe

In der städtischen Wirtschaftsförderungsgesellschaft „Weil am Rhein Wirtschaft und Tourismus“ (WWT) müssen zwei Mitarbeiter aufgrund der Empfehlung des Regierungspräsidiums zu Hause bleiben. „Das Rathaus hat die Maßnahme ergriffen und wir schließen uns daran an. Wir wollen einfach nichts riskieren“, berichtet WWT-Geschäftsführer Peter Krause. Das Pensum könne dabei nicht kompensiert werden, sodass Arbeit wohl liegen bleibe. „Wir müssen schauen, dass die Touristeninformation weitergeführt werden kann.“

Das Laguna Badeland nehme den Virus nicht auf die leichte Schulter, aber hat dennoch seine Türen weiter für alle Besucher geöffnet. „Jeder darf kommen, solange die Grippe-Regeln eingehalten werden. Außerdem tötet das Chlor die Viren ab, daher gibt es keine Ansteckungsgefahr im Wasser“, erklärt Birk Exner von der Geschäftsleitung. Auch die Mitarbeiter seien angehalten, die Anweisungen des Robert-Koch-Instituts zu befolgen. Was die Ursache der aktuell deutlich rückläufigen Zahl der Badegäste ist, kann Exner nicht genau bewerten. „Ob das an der Verschärfung der Lage im Südelsass liegt oder der Saison zuzuschreiben ist, können wir nicht einschätzen.“

Der Marktkauf im Rhein-Center stellt seine Mitarbeiter aus dem Südelsass für die nächsten zwei Wochen frei. Um die fehlenden Arbeitskräfte zu ersetzten, springen Mitarbeiter aus anderen Märkten dort ein, heißt es.

Volker Hentschel, Koordinator des Diakonischen Werks im Landkreis Lörrach und im Weiler Mehrgenerationenhaus angesiedelt, stellt sich täglich die Frage, welche Veranstaltungen noch abgesagt werden müssen. Bislang komplett betroffen ist der Seniorenbereich, da die älteren Menschen besonders gefährdet sind. „Es ist aber immer eine Frage der Abwägung.“ Drei Mitarbeiter der Diakonie, die im Elsass wohnen, durften nicht zur Arbeit kommen. Auch im Mensabereich in den Schulen müssten auf französischer Seite wohnende Mitarbeiter zu Hause bleiben, weiß Hentschel.

Umfrage

Heizung

Der Ausbau des Fernwärmenetzes im Landkreis Lörrach nimmt Fahrt auf. Würden Sie, falls möglich, Ihr Haus an das Netz anschließen lassen?

Ergebnis anzeigen
loading