Weil am Rhein „Bau weiterer Straßen nicht möglich“

Siegfried Feuchter
Oberbürgermeister Wolfgang Dietz im Gespräch mit unserer Zeitung. Foto: Siegfried Feuchter

Interview: OB Wolfgang Dietz zu Verkehrsproblemen und anderen aktuellen Themen. „Mut ist gefordert“.

Weil am Rhein - Viel ist in der Grenzstadt in Bewegung, die Stadt entwickelt sich rasant weiter. Wichtige Projekte sind im abgelaufenen Jahr auf den Weg gebracht oder begonnen worden wie der Bau der Dreiländergalerie. Andere wiederum stehen 2019 vor der Fertigstellung wie die Nordwestumfahrung.

Eine Rekordinvestition von 36 Millionen Euro ist im neuen Jahr vorgesehen. Über aktuelle Themen, Projekte, die die Stadt weiter voranbringen sollen, sowie noch ungelöste Probleme sprach unsere Zeitung mit Oberbürgermeister Wolfgang Dietz zum Jahresabschluss.

Frage: Wenn Sie am Ende des Jahres zurückblicken: Gibt es eine Entscheidung, die Sie im Nachhinein bereuen?

Unterstelle ich das jeweils gegebene Wissen zum Zeitpunkt der Entscheidung, so fällt mir spontan nichts ein.

Frage: Oder etwas, was Sie anders machen würden?

Der Zeitplan und der Inhalt des Sportkonzepts haben sich aus meiner Sicht weit von den ursprünglichen Absichten entfernt. Es war von der Verwaltung mittel- bis langfristig konzipiert. Einzelinteressen haben die Gesamtperspektive verdrängt.

Frage: Was war für Sie die wichtigste Entscheidung im abgelaufenen Jahr?

Zwei Entscheidungen will ich betonen: den Gemeinderatsbeschluss, für die Sparkasse ein Grundstück am Messeplatz für den Bau eines Verwaltungsgebäudes zu reservieren. Es entstehen mittelfristig städtebauliche Chancen, das Areal der heutigen Hauptstelle neu zu nutzen. Die Pläne des St. Josefshauses, im Baugebiet Hohe Straße ein großes Wohnbauprojekt mit einem ärztlichen Versorgungszentrum zu realisieren und dabei auch Wohnungen für Menschen mit Behinderungen zu errichten.

Frage: War 2018 für Weil am Rhein ein gutes oder ein eher durchwachsenes Jahr?

In der Summe war es ein gutes Jahr.

Frage: Woran machen Sie Ihre Einschätzung fest?

Was wir uns vorgenommen haben, konnte weitgehend umgesetzt werden. Ich denke beispielsweise an die Nordwestumfahrung, die bis auf den Kreisel an der Heldelinger Straße fertiggestellt ist oder an den Wohnungsbau. Mit der „Hohe Straße“ haben wir das größte zusammenhängende Wohnbaugebiet erschlossen. Das mit 40 Millionen Euro veranschlagte Projekt der Städtischen Wohnungsbau an der August-Bauer-Straße ist im Bau. Das Umgestalten des Rheinparks in Friedlingen hat begonnen. Verwaltung und Gemeinderat haben einiges auf den Weg gebracht.

Frage: Die gute Finanzlage dank boomender Konjunktur müsste Sie eigentlich erfreuen, wenn da nicht die Sanierung der Gemeinschaftsschule wäre. War denn die Kostenexplosion von 4,5 auf 13,5 Millionen Euro nicht vorhersehbar?

Im Zuge der Bauarbeiten sind sehr unerfreuliche Dinge zutage getreten wie Bauausführungen, die nicht mit den Plänen übereingestimmt haben. Leitungen waren kreuz und quer verlegt. Die Annahme, die außen liegenden Waschbetonplatten ließen sich relativ leicht entfernen, erwies sich als falsch. Sie waren anders als geplant verbaut worden. Es tauchten Materialien auf, die heute nicht mehr zulässig sind.

Frage: Nochmals: War das für Fachleute und Planer nicht vorhersehbar?

Im Nachhinein sind alle schlauer. Für die eigenen und die beauftragten Baufachleute wurden diese Umstände erst erkennbar, als Wände, Decken und Fassaden aufgebrochen oder entfernt wurden. Hinzu kam und kommt, dass die Bauarbeiten für uns als Bauherr in eine konjunkturell ungünstige Zeit mit hohen Kosten fallen.

Frage: Welche Lehren und Konsequenzen ziehen Sie aus dem Fiasko?

Ein Gebäude dieser Größenordnung lässt sich heute nicht mehr einfach energetisch sanieren. Die gesetzlichen Bauvorschriften und Standards zwingen geradezu zum Abbruch und Neubau. Ob das wirtschaftlich sinnvoll ist, lasse ich dahingestellt.

Frage: Die Haltinger Festhalle ist 60 Jahre alt. Da stellt sich nach diesen Erfahrungen jetzt die Frage: Sanierung oder Abriss und Neubau?

Die Frage hat für mich im Jahr 2019 keine Dringlichkeit. Für eine später zu treffende Entscheidung haben wir bei einem Bundesprogramm einen Zuschussantrag gestellt. Wie dieser beschieden wird, ist offen.

Frage: Was hätten Sie denn mit den Millionen gemacht, die die Stadt nun in die Sanierung der Gemeinschaftsschule stecken muss?

Die Liste sonstiger Vorhaben ist lang, denn die Quelle der Wünsche aus den politischen Gremien und der Öffentlichkeit versiegt nicht und nie. Der neue Gemeinderat, der ab Sommer im Amt sein wird, wird sich nicht nur mit Wünschen befassen müssen. Er wird auch Entscheidungen treffen müssen, einschließlich nachhaltiger Finanzierung. Notwendiges muss wieder Vorrang vor Wünschbarem erhalten – inhaltlich wie zeitlich. Die Öffentlichkeit wird das verstehen. Der Ruf nach Politikern, die die Wahrheit sagen, ist ja allgegenwärtig.

Frage: Apropos Finanzlage: Der Gemeinderat hat vor wenigen Tagen einen Rekordhaushalt verabschiedet mit Investitionen auf einem so hohen Niveau wie noch nie. Hat die Stadt Nachholbedarf?

Allein unsere Bauprojekte wie Gemeinschaftsschule, Nordwestumfahrung, Juno II und die Erweiterung des Rathauses sind Millionenprojekte. Es ist gut, dass wir Unternehmen in unserer Stadt haben, die erfolgreich auf dem Weltmarkt unterwegs sind. Es war von meinen Vorgängern weitsichtig, den Strukturwandel erfolgreich einzuleiten.

Frage: Wäre es in absehbarer Zeit, vorausgesetzt, die Konjunktur läuft weiterhin gut, nicht angebracht, sich auch mit dem Gedanken eines Bürgersaals zu beschäftigen?

Für die kommenden fünf Jahre sehe ich andere, für das Gemeinwohl zwingendere Aufgaben. Ich habe im Zusammenhang mit der Sparkassenhauptstelle, die nicht so bleiben wird, wie sie jetzt ist, meine stadtplanerischen Vorstellungen. Jetzt muss aber die Sparkasse zuerst ihr Verwaltungs- und Dienstleistungszentrum mit 100 neuen Arbeitsplätzen realisieren, dann sehen wir weiter.

Frage: Also wäre das Sparkassengebäude eine Option für einen Veranstaltungssaal?

Bevor man Baupläne schmiedet, muss die Frage beantwortet werden: Wer würde konkret einen solchen Saal nutzen oder nutzen können? Welcher örtliche Verein würde denn aus der Jahnhalle, der Festhalle Haltingen, den Mehrzweckhallen in Märkt und Ötlingen dorthin umziehen? Und was geschieht dann mit diesen besagten Hallen? Die Konsequenzen im Veranstaltungsbereich mit enormen Betriebskosten wären vorgezeichnet. Ich halte nichts davon, dem Burghof in Lörrach Konkurrenz machen zu wollen.

Frage: Bei der Bildung eines Zentrums tut sich die Stadt aufgrund ihrer Struktur mit der langen Hauptstraße erkennbar schwer. Wird die Realisierung der „Dreiländergalerie“ Weil am Rhein einen wichtigen Schritt voranbringen?

Das hoffe ich sehr. Viel wird vom Besatz abhängen. Wichtig ist, dass der bestehende Weiler Handel einen engen Kontakt mit dem Centermanagement anstrebt, um gemeinsam Werbung für Weil am Rhein zu machen und die Einkaufsstadt zu beleben.

Frage: Die Zentrumsbildung hängt auch eng mit der Lösung der Verkehrsprobleme zusammen. Doch auf diesem Gebiet tritt die Stadt mehr oder weniger auf der Stelle.

Wir können keine weiteren Straßen bauen. Also geht es um das Umverteilen des Verkehrs. Diesen wollen wir nicht durch Wohngebiete leiten. Im bestehenden Gesamtverkehrsplan sind unter anderen die Müllheimer Straße, die Römerstraße, die Bühl- und die Turmstraße als Vorrangstraßen ausgewiesen. Welche Alternativen bestehen denn? Wir müssen mit den Bedingungen leben, wie sie sind. Man kann nicht einerseits die Ruhe vom Lande wollen und sich aber gleichzeitig das pulsierende Leben einer Düsseldorfer Königsallee wünschen. Im Übrigen bin ich überzeugt: in zehn Jahren werden die Leute mehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs sein. Beim Individualverkehr droht uns Stillstand durch zu hohe Mobilität.

Frage: Der ersehnte Bahndurchstich nach Friedlingen kommt nicht, zumindest nicht in den nächsten zwei Jahrzehnten. Wie steht’s mit der Tramverlängerung?

Regierungspräsidium und Landesverkehrsministerium haben den Durchstich abgelehnt beziehungsweise auf die lange Bank geschoben. Die Tram-Verlängerung ist eine langfristige Möglichkeit, der Mobilität von morgen zu entsprechen. Der Individualverkehr muss in Zukunft rückläufig sein. Ich befürworte jedenfalls eine verlängerte Tramlinie zunächst bis zum Läublinpark. Davon hängt auch die künftige Verkehrsberuhigung in der Innenstadt ab.

Frage: Die jüngsten Diskussionen ums Sportkonzept müssen für die Verwaltung frustrierend gewesen sein. Oder sind diese Ausdruck einer lebendigen Demokratie?

Eine Verwaltung darf sich nicht frustrieren lassen. Das Sportkonzept war seitens der Verwaltung mittel- und langfristig und in den Zielen breiter angedacht. Jetzt wird fast nur noch über die Beläge von Sportplätzen geredet. Das Sportkonzept muss auch Projekte wie Unterbringung von Wartungsmaschinen, Sanitärtrakt im Nonnenholz oder später die Sporthalle der Rheinschule umfassen.

Der Gemeinderat muss bei der anstehenden Abwägung den Mut haben zu sagen, was aus finanziellen Gründen machbar, nachhaltig und im Unterhalt und in der Erneuerung vertretbar ist. Die Frage muss erlaubt sein: müssen alle Wünsche jetzt und sofort realisiert werden?

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