Weil am Rhein Beklemmend und mitreißend

Weiler Zeitung
Die „Chatroom“-Aufführung im Oberrhein-Gymnasium überzeugte das Publikum. Foto: Joachim Pinkawa Foto: Weiler Zeitung

Aufführung: Neuntklässlerinnen des OGW zeigen „Chatroom“ / Schlaglicht auf Anonymität des Internets

„Ganz großes Kino!“ Mit diesem Ausspruch höchster Anerkennung der schauspielerischen Leistung bezeichnete am Donnerstagabend eine Schülerin des Oberrhein-Gymnasiums die Theater-Aufführung von „Chatroom“ in der Schule. Und mit dieser Einschätzung stimmten die allermeisten Besucher hörbar und erkennbar überein.

Von Joachim Pinkawa

Weil am Rhein. Tatsächlich lieferten die Schülerinnen der neunten Klassen der Theater-AG unter der Regie von Anne Lindenberg mit dem Drama „Chatroom“ des irischen Schriftstellers Enda Welsh eine grandiose Vorstellung ab. Das Stück, das Welsh Ende 2005 in München mit Jugendlichen entwickelt und uraufgeführt hat, behandelt das Chat-Verhalten jugendlicher Heranwachsender in ihrer Zeit des Wandels von Kindern zu Erwachsenen.

Sechs orangefarbene Stühle im Abstand von jeweils knapp zwei Metern stellen auf der fast ganz dunklen Bühne die Bühnenausstattung dar und symbolisieren so sechs verschiedene Aufenthaltsorte, an denen William (Franziska Leitherer), Jack (Anna Schiering), Eva (Charlotte Welz und Leonie Fiebich), Emily (Sara Ramos), Jim (Mareike Walter) und Laura (Alicia Jenner) vor ihren Computern sitzen. Die sechs Jugendlichen leben alle in derselben Stadt, sind alle um die 15 beziehungsweise 16 Jahre alt und stecken alle im Drama der Pubertät. Sie kennen sich nicht und kommunizieren unter ihren Pseudonymen ausschließlich in der virtuellen Welt des Internets.

Ein jeweils vor ihnen stehender Baustrahler zeigt auf, wenn er angeschaltet ist, dass sie „online“ sind. Sie treffen sich in verschiedenen Chatrooms, wie dem Forum „Die verdammten Besserwisser“ oder dem „Selbstmord-Chat“. Die Anonymität des Internets bietet ihnen den perfekten Rahmen für Diskussionen, Manipulationen und sogar Netz-Mobbing.

Die ersten „Gespräche“ verreißen Filme, Musik, Erwachsene und Musikstars. Offen, schonungslos und brutal formuliert, werden Willy Wonka, „Harry fucking Potter“ und „diese J. K. Rowling-Tussi“, Miley Cyrus („die Schlampe“) und Britney Spears als Verräter der Kindheitsideale von zehnjährigen Mädchen enttarnt.

„Ein Zeichen gegen die verlogene Welt der Erwachsenen setzen“

Spannend und interessant wurde es bei der existenziellen Frage nach dem Wert des eigenen Lebens und als die zynische Abgeklärtheit von William auf die psychisch labile Verfassung von Jim traf. Jim erwies sich als selbstmordgefährdet, da sein Vater die Familie verlassen hatte, als er gerade sechs Jahre alt war und er sich immer als Außenseiter gefühlt hat. Damit wurde aus pubertärem Spaß und Witz bitterer Ernst.

Nervös wurden einige Erwachsene auf ihren Stühlen, als sich einige „Chatter“ von Jims Todessehnsucht fasziniert zeigten und ihn aufforderten, mit einem öffentlich wahrnehmbaren Selbstmord „ein Zeichen gegen die verlogene Welt der Erwachsenen zu setzen“. Die zuvor geordneten Gesprächsstrukturen liefen aus dem Ruder.

Es bildete sich ein vehement für das Leben und immer mögliche Auswege sprechendes Lager, das den Konflikt ausgesprochen gegensätzlich befeuerte, obwohl alle zuvor den Codex beschworen hatten, dass es „keine Einmischung und keine Ratschläge gibt“. Aus dem gefährlichen Strudel, der einen „sehr verletzlichen Menschen an den Abgrund geführt hat“, resultierte das Ergebnis, dass Jim alle Chatpartner am nächsten Morgen live zu seiner Selbstbeseitigung versammelt haben wollte, ihnen aber nicht das Ergebnis ihrer gesponnenen Intrige lieferte, sondern einen emotional flammenden Appell an alle richtete, der mit dem Satz endete: „Ich will einfach nur meine Kindheit zurück.“

Begeistert und mitgerissen haben die Zuschauer die perfekte Darstellung der physischen Teilnahmslosigkeit und die authentisch und mit großer Perfektion eingesetzte Sprache der sieben Darstellerinnen. „Die Mädchen haben ein Jahr hart dafür gearbeitet“, war Anne Lindenberg begeistert von der großartigen Leistung. Das Publikum würdigte diese mit lang anhaltendem Beifall.

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