Weil am Rhein Brauchtum weiter aufrecht erhalten

Alisa Eßlinger

Porträt: Die Ötlingerin Carole Enderlin ist passionierte Schneiderin und kreiert die regionale Tracht nach

Weil am Rhein-Ötlingen - Alle tragen Dirndl, dabei haben die Markgräfler ihre eigene Tracht: Das alte Brauchtum hochhalten, ist für Carole Enderlin ebenso wichtig, wie ihren alemannischen Dialekt zu pflegen. Mit ein Grund, dass sie Mitglied in der Markgräfler Trachtengruppe ist und dort die Röcke und Kleider schneidert oder alte Erbstücke aufbessert.

Carole Enderlin ist passionierte Scheiderin und das sowohl als Hobby als auch beruflich. Da liegt es nahe, dass sie für die Markgräfler Trachtengruppe die Röcke und Kleider näht. Außerdem repariert sie alte Schürzen, Kleider und Schultertücher, die von den Urgroßeltern übrig geblieben sind.

Die Nähnadel allzeit bereit

Doch in der jüngsten Zeit hatte Enderlin nicht so viel Zeit, den Verein mit ihren Näharbeiten zu unterstützen, da sie dieses Jahr ihre Meisterprüfung absolviert hat. Aber wenn jemand ein Trachtenkleid von ihr benötigt, hält sie ihre Nähnadel allzeit bereit.

Kein Kleid ist wie das andere, denn „jeder Mensch ist unterschiedlich geformt und hat eine andere Persönlichkeit“, erklärt Enderlin. Die eine will Puff-Ärmel und einen Knopfverschluss und die nächste einen Spitzensaum und Reißverschluss. Daher variiert die Zeit, die sie für ein Trachtenkleid benötigt. Der Hauptstoff ist jedoch meistens aus Seide.

"Fürtuch", Schultertuch und Hornkappe machen den Sonntagsstaat

Die Markgräfler Damentracht besteht entweder aus einem Kleid oder einem Rock und einer Bluse. „Die Kleider trugen die Frauen jeden Tag, nur sonntags kamen das ,Fürtuch’ (Schürze), das Schultertuch und die Hornkappe dazu“, erklärt Enderlin.

„Man hat den Markgräflern immer nachgesagt, dass sie sehr stolz seien.“ Aber das liege an diesen Hornkappen. Es brauche sehr viele Klämmerle, um die Kappe zu befestigen. „Wenn ich sie trage, hoffe ich die ganze Zeit, dass sie nicht runterrutscht. Da läuft man automatisch aufrechter“, schildert die Ötlingerin mit einem Schmunzeln.

Schnittmuster für die Trachtenkleidung selber angefertigt

Die Schnittmuster für die Trachtenkleidung hat die Schneidermeisterin selber angefertigt. „Theoretisch kann jede Schneiderin Trachten nähen. Wichtig ist nur, dass es authentisch bleibt.“

Dabei gibt Enderlin auch zu, den ein oder anderen Reißverschluss an die Kleider genäht zu haben. Die Ausnahme mache ja bekanntlich die Regel. Ein Reißverschluss sei einfach praktischer, aber ansonsten schaue sie sehr auf Authentizität, sagt Enderlin.

Authentizität ist wichtig. Ein Reißverschluss darf's trotzdem mal sein

Bei ihrer Großmutter zu Hause habe sie viele Sachen noch von ihrer Uroma gefunden, erzählt die junge Ötlingerin. Doch die alten Stoffe haben häufig Löcher und müssen daher repariert werden. Solange die Reparaturen aufwandsarm sind, wie das Wiederannähen eines Bands an die Schürze, nimmt Enderlin die Nähmaschine, „bei einem Loch muss man schon mal kreativer werden“, erklärt die Schneidermeisterin.

Beim Ausbessern alter Kleidung steht Enderlin vor einer Herausforderung: Um authentisch zu bleiben, braucht es einen guten Blick für Details. „Allerdings sind manche der Kleider noch von den Urgroßeltern, daher kann der Stoff im Laufe der Jahre auch mal brüchig werden. Wenn das der Fall ist, dann hilft nur noch eins: ein neues Kleid.“

Schon immer ein Faible für das Nähen

Mitglied in der Trachtengruppe wurde Enderlin im Jahr 2016, als Michael Lindemer die Leitung des Trachtenvereins übernahm. „Er brachte mir Schürzen zum Ausbessern vorbei. So wurde ich – aber gewollt – in den Verein hineingezogen.“ Gewollt, weil sie schon immer ein Faible für das Nähen hatte.

„Meine Oma und meine Mutter haben beide genäht, und da habe ich einfach mitgemischt“, erzählt Enderlin. I

n der Realschule hatte sie das Fach „Mensch und Umwelt“, wo sie auch von der Schule ans Nähen herangeführt wurde. Zu Hause habe sie dann mit kleinen Näharbeiten angefangen, wie Traubenkernkissen und kleine Taschen. Später wurden es mehr und dann wagte sie sich auch an Röcke und Blusen heran.

Markgräfler Tracht statt bayrisches Dirndl

„Eigentlich wollte ich schon immer eine Tracht haben.“ Ein Bild von ihrer Uroma in der Markgräfler Tracht hatte sie überzeugt. „Ich fand es schon immer cool. Alle ziehen immer ein Dirndel an, dabei haben wir eine eigene Tracht“, erklärt Enderlin.

Aber vor allem sei die Faszination besonders ihrem Beruf geschuldet: „Viele kaufen sich neue Kleider, ziehen diese ein bis zwei Mal an und schmeißen sie dann fort.“

Kleidung fürs Gemeinschaftsgefühl

Früher war die gleiche Kleidung ein Gemeinschaftsgefühl. Das gefällt Ederlin auch heute noch, deshalb ist sie im Trachtenverein. „Unsere Tradition gerät immer mehr in Vergessenheit“, befürchtet Enderlin.

Dieselbe Sorge hat sie auch für ihren alemannischen Dialekt. „Viele ziehen aus anderen Bundesländern nach Weil, um in der Schweiz zu arbeiten, die sprechen dann kein Alemannisch. Es wäre schade, wenn es verloren ginge.“

Das Brauchtum wieder näher an die Menschen bringen

So ist die Trachtengruppe auch auf der Regio-Messe vertreten und bietet eine Fotobox an, wo sich die Leute in der markgräflerischen Tracht ablichten lassen können. Auch die Trachten zum Reinschlüpfen – am Rücken sind die Kleider geöffnet, um einen Einstieg zu erleichtern– hat die Schneidermeisterin umgenäht. „So bringen wir unser Brauchtum auch wieder näher an die Menschen.“

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