Weil am Rhein Der Nachlassverwalter Fräulein Zapfs

Weiler Zeitung
Helene Zapf als Zwanzigjährige Foto: zvg Foto: Weiler Zeitung

Thomas Hofer rettete 1977 die Werke von Helene Zapf-Beydeck vor der Vernichtung – und veröffentlichte sie

Von Boris Burkhardt

Weil am Rhein-Haltingen. Wie lange Helene Zapf bereits verstorben war, bevor man sie in ihrer ärmlichen Haltinger Wohnung fand, weiß man nicht. Denn ausgerechnet zu jener Zeit war Thomas Hofer mit seinen Eltern in Urlaub. Später kümmerte er sich mit seiner Mutter um den Nachlass der Mundartdichterin und Philantropin und gab mit anderen ihren dritten Gedichtband heraus, der heute etwas in Vergessenheit geraten ist. Zum 110. Geburtstag erinnert sich Hofer an die beliebte Frau, die er bis zu seinem 17. Lebensjahr begleitete.

Es war im April 1977. Der damals 17-jährige Thomas Hofer stand mit seiner Mutter Friederike vor 70 Bananenkisten mit den verschiedensten Manuskripten und Schriftstücken, insgesamt etliche Tausend. Kaum mehr hinterließ Helene Zapf-Beydeck: Ein Bett, einen Schrank, einen Tisch und zwei Stühle, zählt Hofer auf. Und ein gut erhaltenes Harmonium, das die Vormundschaft seiner Familie als Dank für die „Nachlassverwaltung“ überließ.

Das Harmonium stiftete die Familie dem Museum für historische Tasteninstrumente in Bad Krozingen. Hofer betont das, weil damals das Gerücht aufgekommen sei, seine Familie habe sich an der „Nachlassverwaltung“ bereichert. Helene Zapfs Eltern waren als gut situierte Bürgerfamilie landläufig bekannt; man konnte sich damals kaum vorstellen, wo sonst die ganzen wertvollen Möbel gelandet sein sollten.

Heute ist es hingegen kein Geheimnis mehr, in welch ärmlichen Verhältnissen Helene Zapf, die, wie Hofer sagt, trotz guter musikalischer Ausbildung von Beruf „Tochter“ war, ihre letzten Lebensjahre verbrachte, nachdem ihr Vater gestorben war. Kaum bekannt ist hingegen, dass Zapf ihren Tod offenbar vorausahnte. Jedenfalls wird Hofer nie vergessen, wie sie 1976 beim Grillfest im Familiengarten auf die Einladung fürs nächste Jahr erwiderte: „Nächstes Jahr lebe ich nicht mehr.“

Seit er zwölf Jahre alt war, hatte Hofer regelmäßigen Kontakt zur Familienfreundin. Hofer blieb der Frau auch nach ihrem Tod sehr verbunden. Einen Monat hatten er und seine Mutter Zeit, den Nachlass in den Bananenkisten zu sichten und zu sortieren. Der alte Anglerpass des Vaters fand sich darin, Lehrerlisten des Lörracher Gymnasiums, aber natürlich auch die „unerschöpfliche“ Menge von Gedichten und Erzählungen, für die Helene Zapf-Beydeck heute bekannt ist.

„Wir versuchten, die Schriftstücke ihren verschiedenen Wohnorten zuzuordnen“, erinnert sich der gebürtige Haltinger Hofer. So befindet sich der künstlerische Nachlass von Helene Zapf und ihren Eltern heute im Markgräfler Museum Müllheim, im Dreiländermuseum Lörrach und im Weiler Stadtarchiv.

Aus diesem Fundus, den die Familie Hofer mit anderen Haltinger Familien vor der behördlich angeordneten Vernichtung rettete, wurde 1985 die heute bekannteste Anthologie „Feldblueme“ mit Gedichten und Erzählungen herausgegeben. In ihrem Nachlass waren bereits Gedichte und Erzählungen aus ihren letzten dreißig Lebensjahren zusammengestellt.

Ein Fotoalbum als persönliche Erinnerung

Die Auswahl und die Bearbeitung der Texte übernahmen Emil Müller aus Ettikon und „Kant“-Direktor Rüdiger Hoffmann aus Schliengen, unterstützt vom Freundeskreis Helene Zapf unter der Leitung von Eugen Katzenstein und Paula Röttele-Stoll sowie von Hofers und anderen befreundeten Familien. Zapf selbst hatte zu Lebzeiten nur 1936 den kleinen Gedichtband „Reb-Laub“ herausgegeben.

Weniger bekannt ist laut Hofer jedoch die zweite Anthologie, die anlässlich des 90. Geburtsjahrs 1995 herausgegeben wurde: „Heimkehr“. Sie wurde nur in einer Auflage von 1000 Stück gedruckt. Die Initiative für das zweite Werk hatte Michael Feldges, der damalige Leiter des Museums am Lindenplatz. Das Buch wurde von der Stadt veröffentlicht; Hofer durfte das Vorwort schreiben.

Wie reich Helene Zapfs künstlerisches Schaffen war, konnte Hofer auch als Schauspieler in ihrem Theaterstück „Salzfässli“ erfahren. Und doch kennt auch er nur die Spitze des Eisbergs: Material, sagt er, hätte es noch mehr als genug für weitere Bände. Als persönliche Erinnerung an Helene Zapf behielt er ein Fotoalbum aus ihrer Jugendzeit und zwei ihrer Schülerzeichnungen, die sie ihm schenkte: Beide zieren jeweils das Cover der zwei Anthologien.

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