Weil am Rhein Design als Weltverbesserer?

Weiler Zeitung
„Better Nature“: Alexandra Daisy Ginsberg in der Vitra Design Museum Gallery neben ihrer Videoinstallation zur Marsbesiedlung. Foto: Jürgen Scharf Foto: Weiler Zeitung

Ausstellung: Es duftet: Alexandra Ginsberg mit „Better Nature“ in der Gallery des Vitra Design Museums    

Von Jürgen Scharf

Weil am Rhein. Bakterien erzeugen biologisch abbaubares Plastik, Glühbirnen leuchten dank biolumineszierenden Enzymen, ein Mahlzeitwecker sagt, wann es Zeit fürs Essen ist: Fiktive Ideen für eine bessere, nachhaltigere Zukunft? Sie stammen von der britischen Künstlerin Alexandra Daisy Ginsberg, die glaubt, dass Design die Welt besser macht.

Das Erste, was man merkt, wenn man die Gallery des Vitra Design Museum betritt: Es riecht. Eine Geruchszerstäuber-Haube gibt verschiedene Duftnoten ab. Ginsberg hat den Duft ausgestorbener Blumenarten in Zusammenarbeit mit einer Geruchsforscherin mit Hilfe von DNA-Proben aus dem Pflanzenarchiv rekonstruiert.

Schöne neue Designwelt: Die Ausstellung „Better Nature“ befasst sich mit synthetischer Biologie, einer neuen Form von Gentechnik. Man muss aber nicht Biologie studiert haben, um hinter das Geheimnis von Ginsbergs „besserer Natur“ und „besserer Welt“ zu kommen. In ihren utopisch anmutenden Arbeiten verbindet die studierte Architektin Design, Naturkunde und Wissenschaft. Zugegeben: Ginsberg ist ja weit in der Zukunft. Aber ohne Visionen kommt die Menschheit auch nicht voran. Ob dieses radikale Future-Design das Richtige ist, wird sich erst herausstellen müssen.

Gut, probiotischer Joghurt ist heute schon in jedem Supermarkt erhältlich, aber ob mit E.chromi angereicherter Joghurt sich jemals in unserem Darm ansiedeln wird, um nach Krankheiten Ausschau zu halten und Krankheitserreger zu entdecken? Vielleicht gibt es diese modifizierten E.coli-Bakterien im Laufe der nächsten 100 Jahre, wer weiß. Auch andere Organe will Ginsberg manipulieren, dabei kann man Design und Körper nicht mehr klar unterscheiden.

Vor allem geht es um körperinterne biologische Überwachung. Von Ginsberg erdachte Technologien könnten das Gesundheitswesen radikal auf den Kopf stellen. Sie hat eine eigene Dickdarm-Alchemie erfunden. Mit leuchtenden Nierensteinen und einem schadstoffsensitiven Lungentumor skizziert sie visionäre Krankheitsbilder der Zukunft. Dazu passt der Einwegbecher aus Keratin.

Ein bisschen an die Alchemie des Mittelalters, wo man Gold herstellen wollte, erinnert die gar nicht mal unappetitliche Umwandlung von Fäkalien in Gold. Der Dickdarm als unser wertvollstes Organ – das dürfte die ultimative geheime Rezeptur von neuem Körperdesign sein! In Vitrinen liegen lauter solche Organe, auch der verfremdete Golddarm – futuristische Körperwelten.

Die utopischen Träume einer besseren Zukunft und die Heilsversprechen von Designern, die neue Organismen erfinden wollen, werden hinterfragt und stehen auf dem Prüfstand. „Was ist besser?“ Vögel oder Plastikflaschen? Besser für wen? Und was heißt überhaupt „besser“? Fragen, die auch der Wandtext und die Projektbeschreibungen nicht eindeutig beantworten können.

Der Besucher sucht mit Ginsberg nach Antworten in der Welt der Wissenschaft. Die Interaktionsdesignerin und Harvard-Gastwissenschaftlerin, deren Arbeiten zweimal vom London Design Museum für „Designs of the Year“ nominiert wurden, setzt, wie sie sagt, „Ideen in die Welt“, auch wenn es nur darum geht, diese zu testen. Sie könnten ja eine Art Fahrplan für die Zukunft sein.

Auf der Grundlage ihrer biotechnischen Forschungsarbeiten entwirft Ginsberg, die eng mit Wissenschaftlern, Ingenieuren, Designern, Unternehmern und Techno-Utopisten zusammenarbeitet, ihre spekulativen Zukunftsszenarien, zu denen digitale Animationen, Installationen und poetische Illustrationen wie botanische Zeichnungen gehören. Ihre Arbeiten macht die Künstlerin erklärtermaßen für Museen und Galerien.

In „The Wilding of Mars“ ist eine nichtmenschliche Umgebung zu sehen. Der Mars, eine planetarische Wildnis, nur von Pflanzen besiedelt, ohne menschliche Lebensform. In einer stimmungsvollen Videoreihe breitet sich auf mehreren Monitoren die „Better Nature“ des roten Planeten aus. Wäre ja schön, wenn diese andere Welt so bliebe und der Mars nur von Pflanzen statt Menschen besiedelt und keine neue Erde würde...

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