Weil am Rhein Die falsche Grabart gewählt

Marco Fraune
Gerhard Hugenschmidt kümmert sich seit 20 Jahren um den Weiler Friedhof. Die „Stillen Gräberfelder“ sorgen dabei für den meisten Ärger. Foto: Marco Fraune

„Stilles Gräberfeld“: Friedhofsgärtner Gerhard Hugenschmidt bemerkt Unzufriedenheit. Aufruf zur Aufklärung auf dem Friedhof.

Weil am Rhein - Trauernde, die auf im Boden befindlichen Urnen anderer Verstorbener stehen, deutliche Unebenheiten im von Unkraut durchsetzten dürftigen Rasen oder auch die falsche Lage auf dem Friedhof: Das dritte und aktuelle „Stille Gräberfeld“ wird von Hinterbliebenen teils schlecht bewertet (wir berichteten). Die Situation stellt sich aber vielschichtig dar.

Im Gespräch mit unserer Zeitung gibt Friedhofsgärtner Gerhard Hugenschmidt Einblicke, warum sich die Bereiche aktuell so darstellen. Gleichzeitig wirbt er bei Angehörigen, sich vorab vor Ort zu informieren und sich ein genaues Bild zu machen.

Frage: Das neueste Stille Gräberfeld bietet Platz für etwa 70 Urnen. Doch dieses ist auf dem Weiler Friedhof nicht sonderlich gut gelegen. Wer entscheidet, wo ein solches Feld bereitgestellt wird?

Wir schlagen der Friedhofsverwaltung etwas vor. Beim letzten Gräberfeld wurde kritisiert, dies liege zu weit am Rand des Friedhofs und dort sei es zu dunkel. Daher wollten wir wieder zurück ins Zentrum des Friedhofs rücken, also an den Hauptweg, wo sich das erste Stille Gräberfeld auch befindet. Die Zufriedenheit konnte jedoch nicht gesteigert werden. Daher lautet mein Rat, dass die Betroffenen einen Termin auf dem Friedhof ausmachen, um zu schauen, wo der Bestattungsplatz ist. Wir können dann zeigen, welche Bestattungsmöglichkeiten wir haben.

Frage: Mittlerweile sind es rund 1000 Urnen, die in den Stillen Gräberfeldern liegen. Sind dies zugleich die neuralgischen Bereiche auf dem Friedhof oder stehen auch andere in der Kritik?

In der Kritik stehen diese Gräberfelder ganz besonders, weil hier auf ganz engem Raum sehr viele Menschen und sehr viele unterschiedliche Kulturen bestattet sind. Wenn dann, obwohl es verboten ist, auf den Bestattungsfeldern Kerzen angezündet und Blumen abgelegt werden, bedeutet das natürlich immer, dass es Ärger gibt.

Frage: Zu einem konkreten Fall: Vor wenigen Tagen hat sich ein betroffener Weiler im Gespräch mit unserer Zeitung beschwert, dass Trauernde an den Stillen Gräbern zeitweise auf anderen Urnen stehen. Was ist die Erklärung dafür?

Es wird immer so sein, dass die Leute über die Gräber laufen. Selbst wenn wir einen Zaun darum errichten, würden die Leute dorthin laufen, wo die Urne des Angehörigen ist und dort eine Kerze anzünden oder Blumen ablegen.

Frage: Auch der Zustand des Gräberfeldes steht in der Kritik. Sowohl dürftig wachsendes Grün als auch größere Unebenheiten werden als Negativpunkte genannt. Können Sie das nachvollziehen?

Ich kann das nachvollziehen, dass man mit der Situation nicht glücklich ist. Nur können wir das im Moment nicht vermeiden. Wenn wir mehrere Bestattungen in einer Woche haben, dann wächst der Rasen aktuell nicht mehr an, den wir ausstechen. Und jetzt bei der Hitze ist es sowieso problematisch.

Frage: Und die Absenkungen?

Da die Angehörigen bei der Beisetzung als Beigabe sehr viele Schnittblumen in die Gräber werfen, ist klar, dass sich der Boden absenkt. Wir haben auch Probleme, wo die Bestattungen schon drei Jahre zurückliegen. Dort wurde sogar Rollrasen verlegt und man sieht nun Absenkungen. Wenn wir dann mähen, leidet der Rasen an einigen Stellen besonders.

Frage: Einzige Lösung wäre, Grabbeigaben zu verbieten.

Auch die Urnen sollen verrotten und es wird verrottbares Material gewählt. Deswegen wird man auch dann Absenkungen haben.

Frage: Ist es anzuraten einzugreifen, oder ist die aktuelle Toleranzschwelle die richtige?

Es ist für mich sehr schwierig: Wir versuchen immer, tolerant zu sein. Aber wenn man zu viel Toleranz walten lässt, nimmt es Überhand.

Frage: Wie stellte sich die Entwicklung in den vergangenen Jahren dar?

Die Unzufriedenheit ist etwas, was in der Vergangenheit nicht so extrem ausgeprägt war. Sie ist in den vergangenen Jahren gestiegen. Daher kann ich den Menschen nur empfehlen: Kommen Sie raus, lassen Sie sich auf dem Friedhof beraten – unabhängig vom Bestatter. Schauen Sie sich die Grabart an. So erreichen wir einen hohen Grad an Zufriedenheit. Bei 85 Prozent der Sterbefälle kommen die Angehörigen auch auf den Friedhof. Die einzigen, die zuvor nicht kommen, sind die, die ein Stilles Grab wählen. Und dann gibt es die Probleme.

Frage: Welche Erwartungshaltung besteht bei den Menschen hinsichtlich eines Stillen Grabes?

Es sollte immer englischer Rasen vorhanden sein und das Umfeld sich immer in einem tip-top Zustand befinden. Wir versuchen viel, aber es ist nicht immer alles möglich. Wenn die Beschwerden kommen, dann versuche ich, dem Abhilfe zu schaffen.

Frage: Und konzeptionell: Welche Vorstellungen haben die Menschen, die ein Stilles Grab wählen? Wovon gehen sie aus?

Ich weiß es nicht. Viele Menschen haben jedenfalls die falsche Grabart gewählt. Wenn ich sehe, was an Blumen hingelegt und an Kerzen angezündet wird: Diese Leute benötigen ein Grab, an das sie gehen, etwas ablegen und mit dem Angehörigen reden können. Das ist an einer Wiese schwer möglich. Wenn es sich um ein aktuelles Stilles Gräberfeld handelt, bei dem noch Erde bewegt wird, verstehe ich, dass es dann besonders schwer fällt, in Ruhe zu trauern.

Frage: Spielen die Kosten auch eine Rolle?

Bei einigen schon, bei einigen auch nicht. Ein Teil der Menschen hätte eine andere Wahl getroffen, wenn sie sich zuvor bei uns hätten beraten lassen.

Frage: Der Friedhof ist eigentlich ein Ort der Ruhe: Nun ist Unruhe aufgekommen. Wie sehr ärgert Sie das?

Das bereitet mir auch schlaflose Nächte, wenn solch eine Unruhe ist. Es ist nicht so, dass wir die Bestattungen durchführen und abgestumpft sind. Wir sind ganz normale Menschen, die mit den Angehörigen mitfühlen und wissen, dass sich die Menschen hier in einer ganz schwierigen Situation befinden.

Frage: Sie sind schon seit 20 Jahren der verantwortliche Friedhofsgärtner. Sie sagen: Das ist emotional mein Friedhof. Wo entwickelt sich Ihr Friedhof in den nächsten zwei Jahrzehnten hin?

Im Moment geht der Trend ganz klar zu den Gärtner-betreuten Grabfeldern, die pflegefrei für die Angehörigen sind. Dort gibt es momentan die meisten Bestattungen. Die Erdbestattung in der jetzigen Form wird vielleicht noch etwas rückläufig sein, aber nicht mehr viel. Es wird immer bei 20 bis 30 Prozent Erdbestattung bleiben, weil von den Religionen her die Menschen das Bedürfnis haben, den Körper zu bestatten und nicht die Asche.

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