Weil am Rhein Die Faszination verlassener Orte

Weiler Zeitung

Interview: Kunstpreisträger Patrick Luetzelschwab über seine Kunst, Corona und die Faszination der Leere

Weil am Rhein. Patrick Luetzelschwab bekam kürzlich den Kunstpreis der Stiftung der Sparkasse Markgräflerland verliehen. 1976 in Freiburg geboren, lebt und arbeitet er in Weil am Rhein. Ursprünglich von der Graffiti-Szene beeinflusst, konzentrierte er sich bald auf die Technik des Siebdrucks. Luetzelschwab stellt regelmäßig in Galerien und auf Kunstmessen aus, zuletzt vertreten bei der art Karlsruhe für die Galerie Stahlberger aus Weil am Rhein und der Galerie Artroom aus Konstanz. Gabriele Hauger unterhielt sich mit ihm.

Frage: Was bedeutet Ihnen die Verleihung des Kunstpreises?

Das ist natürlich eine große Ehre. Im ersten Moment war das gar nicht reell – angesichts der aktuellen Krisensituation. Als ich dann am Aufbau meiner Einzelausstellung im Markgräfler Museum anlässlich der Preisverleihung war, habe ich das Ganze erst so recht begriffen und gespürt, wie großartig das ist, was für eine schöne Würdigung meiner Kunst und welche Unterstützung, die gerade in solchen Zeiten sehr wertvoll ist.

Frage: Welche Auswirkungen hat Corona auf Ihre Existenz als Künstler, aber auch auf Ihre künstlerische Produktivität? Ist sie vielleicht sogar Inspiration?

Die Inspiration ist durchaus da, wird aber sicherlich erst in den kommenden Monaten in Produktivität münden. Das Ganze muss ja erst verarbeitet werden. Man wird gerade auch als Künstler von dieser ungewöhnlichen Erfahrung des Stillstands beeinflusst. Allerdings fokussiere ich mich schon lange auf Orte der Leere und ihre speziellen Stimmungen.

Frage: Spüren Sie konkrete Auswirkungen?

Auftragsarbeiten und Ausstellungen wurden jetzt erst mal auf unbestimmte Zeit verschoben. Das bringt schon eine gewisse Unsicherheit. Ich bin aber in der glücklichen Situation, dass ich in der Museenlandschaft oftmals zuarbeite, und da gibt es doch Arbeitsmöglichkeiten, die weiter bestehen und mich finanziell absichern. Als Künstler muss man sowieso mit einigen Unsicherheiten leben können. Da ist ein weiteres Standbein neben der eigentlichen Kunstausübung immer förderlich.

Frage: Anlässlich des Preises zeigen Sie im Markgräfler Museum in Müllheim Ihre Einzelausstellung „Zeitwerke“. Wie haben Sie die Ausstellung konzipiert?

Die Idee war, eine Übersicht meines Schaffens aus den vergangenen 13 Jahren zu präsentieren. Die Räumlichkeiten in Müllheim sind dafür bestens geeignet. Ich habe die Ausstellung chronologisch aufgebaut – mit rund 40 Werken, quasi von heute aus kommend bis zu meinen künstlerischen Anfängen des Siebdrucks. Jeder Raum ist ein Auszug aus Arbeiten einer von fünf Schaffensphasen.

Frage: Sie fotografieren und bearbeiten Bilder von Industriebrachen, verlassenen Orten. Was fasziniert Sie an dieser Vergänglichkeit?

Es ist die Stimmung, die Geschichte, die dahinter steht. Die spezielle Atmosphäre, die Leere der alten Industriehallen, in denen man die Vergangenheit quasi riechen kann, und die Historie, wenn man sich vorstellt, wie darin einst gearbeitet wurde, wie belebt diese verlassenen Orte waren. Spannend ist aber auch, wie sich manche Orte ändern, wie sie neu genutzt werden. Da sieht man Spuren von Sprayern oder von illegaler Müllentsorgung, alles Mögliche. Und es geht mir auch um Bewahrung und Dokumentation.

Die Fotografie und Bearbeitung ist wie eine Art Tagebuchschreiben für mich. Das hat auch mit meiner persönlichen Vergangenheit zu tun und mit dem Jetzt. Meine erste Ausbildung war bei der Deutschen Bundesbahn als Industriemechaniker. Da ist die Assoziation zu Zügen, Gleisen, Werken vorhanden. Das taucht in meinen Bildern ebenso auf wie mein Bezug zum Graffiti. Viele Arbeiten sind vom Dreiland, wo der Rhein, die Grenzsituation thematisiert werden.

Das spiegelt auch meine persönliche Geschichte wider. Schließlich habe ich hier meine Kindheit verbracht. Ich bin als Kind oft bei meinen Großeltern gewesen. Mein Opa arbeitete auf der Fähre von Friedlingen nach Frankreich. Das Hafengebiet, die Gebäude der Textilindustrie – das sind für mich Spuren der Vergangenheit, die ich immer wieder künstlerisch aufnehme, die ich dokumentiere. Es gibt aber auch Arbeiten von Reisen außerhalb der Regio.

Frage: Wie ist Ihre Herangehensweise an ein Werk: überlegt oder eher spontan?

Ein emotionaler Moment findet natürlich an dem Ort statt, an dem ich fotografiere. Im Anschluss wird das Bild im Atelier druckfertig bearbeitet. Das ist die konzentrierte, handwerkliche Ebene. Ich füge Elemente ein oder retuschiere sie, und dann entsteht aus einem Bild eine Geschichte, die wiederum von Gefühlen, Stimmungen inspiriert wird. Ich nehme beispielsweise ein Foto von meinen Kindern, von einem alten Graffiti oder einem Bagger und montiere es in eine Bildsituation hinein. Eine Art Manipulation, die vom Betrachter aber meist nicht wahrgenommen wird. Der sieht das so entstandene Bild als Wirklichkeit an. Ich spiele also mit Wahrnehmungen. Dann folgt die Belichtung, die zeitaufwendige Vorbereitung der Siebe und das Drucken – alles wieder sehr technisch. Anschließend folgt der kreative Endprozess mit Übermalung oder dem Einsatz von Wasser.

Frage: Wie sehen Sie die Zukunft der Bildenden Kunst ?

Ich befürchte, dass Kunstschaffende aus allen Bereichen es in den nächsten Monaten oder gar Jahren deutlich schwerer haben werden. Museen und Städte streichen Gelder, auch das Sponsoring vieler Firmen wird sicher zurückgefahren – gerade in der Bildenden Kunst. Ich denke, der gesamte Kulturapparat wird in den nächsten Jahren zu kämpfen haben.

 Info:  Ausstellung „Zeitwerke“ im Markgräfler Museum Müllheim: bis 4. Oktober

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