Weil am Rhein Die tragische Lebensgeschichte eines Ötlingers

Weiler Zeitung
Werner Adams liest aus seinem Buch „Ich war nie, wie ich hätte sein sollen“. Foto: Renata Buck Foto: Weiler Zeitung

Der Berner Autor Werner Adams erzählt in der Dorfstube vom Schicksal seines Urgroßvates

Weil am Rhein-Ötlingen (rb). Zur einer Autorenlesung mit Bezug zu Ötlingen hatte der Verein zur Förderung der Dorfstube im Anschluss an seine Mitgliederversammlung den 1944 in Zürich geborenen Autor Werner Adams eingeladen. Der Berner las aus seinem Buch „Ich war nie, wie ich hätte sein sollen“ (2012).

Gebannt folgten die Anwesenden Kapiteln aus der Lebensgeschichte von Daniel Müller, dem Ururgroßvater des Autors, der 1817 in Ötlingen als Sohn eines Schuhmachers mit kleiner Landwirtschaft geboren wurde und dessen Leben keinen glücklichen Verlauf genommen hat.

Eher den Lehrerberuf als ein Handwerkerleben, wie vom Vater geplant, strebt der wissbegierige junge Daniel an. Zutreffend ist wohl die Warnung seines Lehrers, er trage zu seiner Begabung auch den Hang zur Überheblichkeit und zum Leichtsinn in sich. Früh plant er mit einem Freund die Ausreise nach Amerika, wird aber um sein Reisegeld betrogen und verliert sich an ein Lotterleben in verschiedenen Städten Europas, das seine Gesundheit ruiniert.

In die Psychiatrie eingeliefert

Als kranker, gebrochener, Mann, der seine Frau Marie und die vier Kinder im Aargau sich selbst überlassen hat, kehrt er 1850 voller Schuldbewusstsein ins Elternhaus nach Ötlingen zurück. Nach heftigen Auseinandersetzungen mit Vater und Bruder und einem Selbstmordversuch fällt er in Depressionen und wird 1851 in die psychiatrische Heil- und Pflegeanstalt Illenau bei Achern eingeliefert.

Adams gibt Einblicke in das Leben in dieser zu ihrer Zeit wegweisend modernen Einrichtung, in der man seelisch gestörte Menschen nicht einfach wegsperrte, sondern sie in ländlicher Umgebung zu heilen versuchte. Musik, Theaterspielen und Leibesübungen waren Mittel dazu.

Über die Nachfolgeeinrichtung in Emmendingen und das Staatsarchiv Freiburg ist der Autor als Nachfahre Daniel Müllers an dessen Krankenakten gelangt. Auch hat er erschütternde persönliche Briefe an Müllers Frau gefunden, in denen der Patient, der immer wieder von schizophrenen Wahn- und Panikattacken gequält wurde, sie für seine Unfähigkeit, seiner Familie gerecht zu werden, um Verzeihung bittet.

Diese Briefe wurden von der Klinik nie abgeschickt. Werner Adams hat seine Erkenntnisse aus Akten und Briefen zu einem eindrucksvollen historisch-biografischen Roman verarbeitet. „85 Prozent davon sind Tatsachen, nur 15 Prozent habe ich an freier Gestaltung dazugegeben“, sagte er.

Die Einbettung in historische Zusammenhänge – als Daniel nach Hause zurückkehrt, sind die napoleonischen Kriege keine zehn Jahre vorbei, auch die Erinnerung an den Großvater, der als Grenadier nach Karlsruhe ging, ist noch wach – und die Authentizität der Darstellung von Daniels Bewusstseinszuständen geben dem Roman Leben.

Einfühlsam und schön sind auch die Schilderungen ländlichen Lebens, wenn Daniel sich in seinem Bewusstseinswechsel zwischen Realität und Vergangenheit an die Weinernte in seiner Kindheit erinnert. Im Jahr 1859 stirbt er in Illenau im Alter von 42 Jahren an Lungentuberkulose, ohne seine Familie wiedergesehen zu haben.

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