Zum Philosophieren im Dreiländergarten laden die VHS Weil am Rhein und der ehemalige Lehrer am Kant-Gymnasium Martin Jösel für Sonntag, 8. September um 11 Uhr ein. Das stößt auf Interesse, hat Jösel festgestellt.
Interview: Einander zuhören statt vermeintliche Wahrheiten raushauen, entschleunigen statt stressen: Martin Jösel lädt ein zum philosophischen Gespräch.
Zum Philosophieren im Dreiländergarten laden die VHS Weil am Rhein und der ehemalige Lehrer am Kant-Gymnasium Martin Jösel für Sonntag, 8. September um 11 Uhr ein. Das stößt auf Interesse, hat Jösel festgestellt.
Philosophieren – auf den ersten Blick erscheint das kein Hit für die Hitparade zu sein. Was interessiert die Menschen daran?
Ich habe das ja Anfang des Sommers schon einmal gemacht. 20 Teilnehmer kamen zum ersten philosophischen Gespräch, was für mich eine sehr erfreuliche Zahl war. Es geht beim Philosophieren nicht nur darum, schlau über abstrakte Weisheiten zu sprechen, sondern ganz konkret um die Frage: Was macht mein Leben heute, morgen oder auch in 20 Jahren sinnvoll? Da kann die Philosophie Antworten geben. Als ehemaliger Ethiklehrer habe ich oft erlebt, dass das die Menschen – auch junge – nicht gleichgültig lässt.
Ihre Veranstaltung geht also bereits in die zweite Runde. Wer kam zur ersten?
Das war eine schöne Mischung ehemaliger Schülerinnen, Väter und Mutter ehemaliger Kant-Schüler und weiterer Teilnehmer. Sogar aus Basel war jemand dabei. Von jungen Leuten, 23 oder 24 Jahre, über das mittlere Alter bis hin zu älteren Menschen waren alle Altersgruppen vertreten. Das ist übrigens ganz im Sinne des Philosophen Epikur, der gesagt hat: „Mit dem Philosophieren soll man getrost schon in der Jugend beginnen, aber im Alter auch nicht müde davon ablassen. Denn um für seine seelische Gesundheit etwas zu tun, ist keiner zu jung oder zu alt.“ Gerade der zweite Satz ist unglaublich modern, finde ich.
Was versteht man eigentlich unter Philosophieren? Nachdenken?
Einerseits ja, so bedeutet das griechische Wort „philosophia“ ja Weisheitsliebe. Mindestens genauso wichtig wie das Nachdenken im stillen Kämmerlein ist für mich als pädagogisch tätigen Menschen aber der Austausch von Gedanken im Dialog mit anderen Menschen. Befindlichkeiten, Wünsche, Trauer oder Glücksvorstellung können dabei Thema sein. Auch dazu passt ein Satz von Epikur: „Bei einem Streitgespräch gewinnt der Unterlegene mehr, insofern er dabei hinzulernt“. Dabei geht es ums Innehalten und Zuhören, Tugenden, die heute nicht immer mehr so praktiziert werden. Da gab es bei unserem letzten Gespräch schöne Momente. Das ist für mich das Schönste: Wenn es mir als Lehrer gelingt, Kleine und Große dazu zu bringen, dass sie sich öffnen für andere Ideen. Im Gespräch mit Drittklässlern der Bärenfels-Schule in Grenzach-Wyhlen, wo ich Lesepate bin, passiert es mir immer wieder, dass ich denke: „Hoppla, das habe ich noch gar nicht so gesehen.“
Wie bringen Sie die Teilnehmer in Kontakt mit der Gedankenwelt Epikurs?
Beim ersten Mal haben wir die von Schülern gestalteten Büsten im Dreiländergarten als Ausgangspunkt genommen.
Wir haben sie betrachtet und uns gefragt: „Sind das melancholische oder sind das freundliche Menschen?“ Ein zweiter Impuls waren Gedankenschnipsel Epikurs, die ich auf kleinen Zetteln vorbereitet habe. Sie dienten als Gesprächsanregung in Kleingruppen. Dieses Gespräch möchten wir beim kommenden Termin gern fortsetzen.
Richtet sich Ihre Einladung also an die gleichen Teilnehmer? Um was geht es genau beim zweiten „Philosophischen Gespräch“?
Die, welche schon da waren, können gern wieder kommen und ihre Erkenntnisse vertiefen. Die Einladung richtet sich aber grundsätzlich an alle Interessierten. Dieses Mal soll uns ein Brief von Epikur an einen Freund unser Ausgangspunkt für Gespräche sein. Auch Epikur hat sich mit seinen Anhängern übrigens häufig in einem Garten versammelt.
Sollte Philosophie generell einen höheren Stellenwert in unserer Gesellschaft haben?
Insgesamt natürlich: ja. Ich bin froh, dass das Fach Ethik heute in der Schule deutlich wichtiger ist als noch vor wenigen Jahren. Dort werden grundlegende Fragen thematisiert, abseits der Mechanismen von Kapitalismus, Marktwirtschaft und Konsum. Gerade in der heutigen Zeit des Katastrophenjournalismus ist es wichtig, mal innezuhalten und ein Fenster zu öffnen für Inhalte jenseits der Tagesaktualität. Das erste Mal, das ich das mit Erwachsenen versucht habe, liegt acht Jahre zurück. Sich mit den Schriften der Philosophen zu befassen und sich auf ihre Gedankenwelt einzulassen Durchhaltevermögen und Geduld.
Treffpunkt ist am Sonntag, 8. September, 11 Uhr am Eingang zu den Gärten der Vergangenheit (zwischen Tatzelwurm und Westeingang des Dreiländergartens). Die Teilnahme ist gratis und ohne Anmeldung möglich. Sitzkissen oder Campingstuhl sind durchaus von Vorteil. Thema der Gesprächsrunde ist die Lebensanschauung des griechischen Philosophen Epikur.
Zur Person: Martin Jösel
1955 in Karlsruhe geboren studierte der Lehrer im Ruhestand in Freiburg und Innsbruck Germanistik, vergleichende Literaturwissenschaft, Geschichte und auch etwas Philosophie. Er war Lehrer am Lise-Meitner-Gymnasium Grenzach-Wyhlen, am Kant-Gymnasium Weil am Rhein und hat acht Jahre die Volkshochschule in Grenzach-Wyhlen geleitet. Sechs Jahre war darüber hinaus er an der Deutschen Schule in Brüssel tätig. Martin Jösel ist verheiratet und Vater zweier erwachsener Söhne
Zum 50. Jubiläum des Kant-Gymnasiums hat Jösel das Kant-Holz initiiert, auf dessen vier Seiten die vier zentralen Fragen des Philosophen Immanuel Kant eingraviert sind, und von dem in der Folge bereits rund 1200 ihren Weg zu praktisch tätigen Politikern und anderen einflussreichen Personen gefunden haben.