Weil am Rhein Eine gemeinsame Erinnerung?

Joachim Pinkawa
Historiker Prof. Dr. Gerd Krumeich war zu Gast beim Heimatverein. Foto: Joachim Pinkawa

Heimatverein: Historiker und Experte Professor Gerd Krumeich zum Thema „Erster Weltkrieg“.

Weil am Rhein - „Am 11.11. um 11 Uhr, vor hundert Jahren, schwiegen die Waffen, und die Narren sollten an diesem Tag auch eine Minute des Gedenkens innehalten“. Mit dieser provokant wirkenden Aussage und Anspielung auf die zu diesem Zeitpunkt jährliche Eröffnung der Fasnachtssaison begann Professor Dr. Gerd Krumeich im Gewölbekeller des Alten Rathauses in Alt-Weil seinen Vortrag.

Krumeich war auf Einladung des Vereins für Heimatgeschichte und Volkskunde zu Gast, und fast 100 Interessenten, denen der anerkannte Experte noch von seinem beeindruckenden Vortrag über den Ausbruch des Ersten Weltkrieges in Erinnerung war, dokumentierten eindrucksvoll das Interessen an seinen Ausführungen. Der Verein, dessen Ziel es auch ist, das Zusammenwachsen der Bewohner im Dreiländereck Deutschland – Frankreich – Schweiz zu fördern, hatte zum hundertjährigen Ende des Ersten Weltkrieges ein passendes Thema auf die Agenda gesetzt.

„La Grande Guerre nach 100 Jahren. Auf dem Weg zu einer gemeinsamen Erinnerung?“

Krumeichs kategorisch klingendes „Nein!“ erschreckte beinahe. Er relativierte jedoch diese Aussage unter Hinweis auf die Besonderheiten der Region und insbesondere des angrenzenden Elsass und seiner wechselvollen Zugehörigkeitsgeschichte.

„Eine gemeinsame Erinnerung muss historisch noch aufgearbeitet werden, wir sind auf dem Weg dazu“, erklärte der Historiker, der weltweit als einer der besten Experten zum Thema Erster Weltkrieg gilt. „Der Handschlag zwischen Frankreichs Präsidenten François Mitterrand und Bundeskanzler Helmut Kohl in Verdun am 22. September 1984 war symbolisch betrachtet ein großes Zeichen und wirklich gut für den Annäherungsprozess. Wirtschaftlich und politisch betrachtet hat die Verknüpfung tatsächlich auch gut funktioniert“, stellte Krumeich fest. Die selbst gestellte Frage nach den Menschen und ihrer Haltung im Alltag beantwortete der Experte als „Versuche miteinander auszukommen“.

„Wir versuchen Konfliktstoffe, wie die Schuldfrage zu vermeiden. Denn die feste Überzeugung in Frankreich von der alleinigen Schuld Deutschlands am Ersten Weltkrieg passt in der inzwischen historisch teilweise geänderten Sichtweise und Diskussion in Deutschland und anderen Ländern nicht zu einer überzeugenden gemeinsamen Erinnerungskultur“, beschrieb Krumeich die grundsätzliche Herausforderung. „Die deutschen und französischen Erinnerungen an den Ersten Weltkrieg zeigen, wie stark doch immer noch die Geschichtsschreibung des großen Kriegs 1914 bis 1918 von tradierten nationalen Erzählmustern beherrscht wird und darin die wichtigsten Differenzen für eine Überwindung zu finden sind“.

Krumeich konnte dazu seinen wissenschaftlich historischen Hintergrund, den er in zahlreichen erfolgreichen Büchern auch bereits belegt hat, anhand von Beispielen und Vergleichen sprachlich authentisch und verständlich deutlich machen. „Es ist modisch, von transnationalen Aktivitäten aller Art zu sprechen, also die nationalen Blickwinkel auf Gesellschaft und Geschichte zu überwinden. Aber ein solcher Wandel der Perspektive hin zu wirklichen Einsichten und internationalen Gemeinsamkeiten bleibt äußerst schwierig“, merkte Krumeich an. „Vielleicht lernen wir in unseren jeweiligen nationalen Erinnerungen dazu und können, wahrscheinlich bei der 200-jährigen Gedenkfeier, in gemeinsamer Erinnerungskultur der damaligen Ereignisse gedenken“, brachte er seine Hoffnung abschließend zum Ausdruck.

Begeisterten Applaus gab es für den Vortrag, und Dr. Uwe Kühl als Vorsitzender des Vereins für Heimatgeschichte dankte Prof. Krumeich mit einem Weinpräsent. Beim anschließenden Sektempfang wurde neben weiterführenden Diskussionen auch zwanglos geplaudert, zudem signierte Krumeich fleißig Bücher.

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