Weil am Rhein Eine Reise nach Italien und zu sich selbst

Saskia Scherer

Erfahrung: Für den Wünschebus Südbaden stand die erste längere Fahrt an

Noch einmal am Meer sein – dieser Herzenswunsch ist für eine sterbenskranke Patientin in Erfüllung gegangen. Mit dem Wünschebus Südbaden ging es vergangene Woche nach Levanto. Ein emotionales Erlebnis.

Von Saskia Scherer

Weil am Rhein. „Wir fahren nach Italien“ – als Margret Füchsle der Frau die frohe Botschaft überbrachte, sei diese sprachlos gewesen. „Und sie spricht sonst viel“, meint Füchsle, die als Palliativ-Care-Fachkraft beim Palliativnetz Lörrach tätig ist. Zu dritt ging es auf die große Reise, mit dabei war noch Ärztin Sandra Diemand. Gemeinsam mit dem Friedlinger Arzt Mario Steffens hat sie die ärztliche Leitung und die Geschäftsführung des Palliativnetzes inne.

Doch bis zur Abfahrt gab es noch einiges zu tun: „Als erstes habe ich eine Vignette gekauft“, erinnert sich Diemand im Gespräch mit unserer Zeitung. Auch die nötigen Medikamente galt es zu organisieren, ebenso wie eine Unterkunft. Ein Hotel mit einzelnen Zimmern passte nicht, also musste es ein Appartement sein. Dieses sollte nicht weit weg vom Strand sein, aber auch nicht direkt in Cinque Terre mit den schmalen Gassen. Außerdem war eine vom Gesundheitsamt bestätigte Bescheinigung vonnöten, um mit Morphinen über die Grenze fahren zu dürfen.

Drei Frauen und ein Hund

Als alles organisiert war, ging es der Patientin schlechter. Deshalb konnte erst einen Tag vor der geplanten Abfahrt entschieden werden, ob die Tour wirklich stattfinden kann. „Es kann immer im letzten Moment sein, dass es doch nicht geht“, weiß Füchsle. Aber es klappte. Und so brachen die drei Frauen und ein Hund vor rund einer Woche auf nach Levanto. Die Begleiterinnen nahmen dafür extra Urlaub. Dass sie die Reise nicht in ihrer Arbeitszeit antraten, habe die ältere Dame besonders bewegt.

Für die Patientin war es „das schönste Erlebnis seit 15 Jahren“, wie sie sagte. Klingt wie im Hollywoodfilm – aber solch eine Reise ist auch irgendwo eine Reise zu sich selbst. „Sie glaubte wohl, am Meer wie früher zu sein. Das führte zu einer inneren Auseinandersetzung“, hat Füchsle beobachtet. „Es ist ein psychischer Prozess“, ergänzt Diemand. „Wie nehme ich mich wahr? Was kann ich nicht mehr?“ An einem fremden Ort werde das für die Menschen noch deutlicher als in der gewohnten sicheren Umgebung, meint Füchsle. „Wir als Begleitung müssen da aufmerksam sein. Wir kennen die Frau schon verhältnismäßig lange, haben uns aber noch tiefer kennengelernt.“

Es gehe nicht nur um die Fahrt, sondern auch um Gespräche und Beistand, erklärt die Ärztin. Und nicht nur, mit den Füßen im Mittelmeer zu stehen trug zum Wohlbefinden bei, sondern auch ein Marktbesuch oder immer Leute um sich zu haben. „Das hat sie sehr genossen.“

Auch die beiden Begleiterinnen ließ das Erlebnis nicht unberührt. „So etwas kommt immer an einen ran, sonst wären wir hier fehl am Platz“, betont Füchsle. „Es geht um professionelle Nähe, nicht um professionelle Distanz.“ Man bekomme vor Augen geführt, was einem wichtig ist im Leben, findet Diemand. Bewusster im Moment zu leben sei das Stichwort.

Beim Wünschebus Südbaden handelt es sich um Projekt des Palliativnetzes Lörrach, das seinen Sitz im Kesselhaus in Friedlingen hat. Sterbenskranken Menschen soll ein letzter Herzenswunsch erfüllt werden. Das Fahrzeug verfügt unter anderem über Utensilien für die medizinische Überwachung des Fahrgasts, die Schmerztherapie und die Sauerstoffversorgung.

Weil am Rhein (sas). Seit Mitte vergangenen Jahres ist der Wünschebus fertig. Im September fand die erste Fahrt statt. Ein Mann wünschte sich einen Ausflug zum Uhrenmuseum in St. Märgen. Im Gegensatz zur Reise nach Italien vergangene Woche galt es für die Palliativnetz-Mitarbeiterinnen kaum etwas zu organisieren. „Das hat er alles selbst übernommen“, erklärt Ärztin Sandra Diemand. „Das ist von Fahrt zu Fahrt unterschiedlich“, ergänzt Palliativ-Care-Fachkraft Margret Füchsle.

Rund zehn Anfragen sind für den Wünschebus bisher eingegangen, drei konnten erfüllt werden. Bei der zweiten Fahrt war ein Mann an Bord, der noch einmal einen Freund sehen wollte. Noch ausstehend ist der Besuch eines Enkels bei seiner Großmutter. Füchsle und Diemand haben aber auch schon erlebt, dass Fahrten nicht stattfinden konnten – ein Patient sagte ab, weil er nicht wollte, dass ihn draußen jeder anschaut. Und einer verstarb, bevor der letzte Herzenswunsch erfüllt werden konnte.

Über die Wunscherfüllung wird übrigens im sogenannten Ethik-Café, das unabhängig vom Palliativnetz Lörrach ist, entschieden. Dabei werden etwa der gesundheitliche Zustand berücksichtigt, aber auch, was auf dem Weg und vor Ort nötig sein wird.

Viele der Anfragen kommen laut Diemand über Bekannte, nicht von den Betroffenen. „Direkt ist aber besser.“ Schließlich gilt es viele Fragen zu klären.

Weil am Rhein (sas). Der Wünschebus Südbaden wird auf Spendenbasis finanziert. „Eine Fahrt kostet schnell mal 1000 Euro“, meint Ärztin Sandra Diemand. „Es hängt vom Wunsch ab.“ Dazu kommen Unterhalt und Wartung des Fahrzeugs. Dieses steht mittlerweile übrigens in Müllheim bei einem guten Freund in einer Halle mit Stromanschluss.

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