Weil am Rhein Es geht um Prävention

Alexandra Günzschel
Der Fachverband für Prävention und Rehabilitation in der Erzdiözese Freiburg ist für den Landkreis in Lörrach im Erich-Reisch-Haus untergebracht. Foto: Alexandra Günzschel

Die Fachstelle Wohnungssicherung in Weil am Rhein will Obdachlosigkeit erst gar nicht entstehen lassen. In den zurückliegenden zehn Jahren wurde ein Wohnungsverlust in 226 Fällen verhindert.

„Obdachlosigkeit ist nur die sichtbare Spitze des Eisbergs.“ Mit diesen Worten eröffnete Stefan Heinz, Leiter der AGJ-Wohnungslosenhilfe im Landkreis Lörrach, seinen Sachstandsbericht in der öffentlichen Sitzung des Kultur-, Sport- und Verwaltungsausschusses. Der größere Teil der Arbeit bestehe in der Abwendung einer drohenden Obdachlosigkeit durch ungesicherte Wohnverhältnisse, etwa aufgrund von Mietschulden, durch Räumungsklagen oder Kündigung.

Zusammen mit den Mietern, deren Vermietern, Banken und Amtsgerichten versuchen die AGJ-Mitarbeiter in solchen Fällen nach Lösungen zu suchen, damit die Wohnung gehalten werden kann. Manchmal gehen sie mit den Betroffenen auch auf Wohnungssuche.

Seit gut zehn Jahren arbeitet die Fachstelle Wohnungssicherung Weil am Rhein mit dem AGJ-Fachverband für Prävention und Rehabilitation der Erzdiözese Freiburg zusammen. Ein Wohnungsverlust konnte seither in 226 Fällen verhindert werden. Im vergangenen Jahr hatte die Fachstelle besonders viel zu tun. Die Nachfrage ist im Vergleich zum Vorjahr um 22 Prozent auf 78 Haushalte angestiegen.

Fast die Hälfte der Wohnungen konnte gesichert werden. Für andere Mieter wurde eine alternative Wohnung gefunden, so dass sich die Situation in 92 Prozent der Fälle stabilisierte. Die gute Vernetzung im Sozialwesen und der Bekanntheitsgrad der Fachstelle machen eine rechtzeitige Intervention in vielen Fällen möglich. Hinzu kommt eine wöchentliche Sprechstunde in der Wärmestube in Friedlingen.

Dennoch mussten im vergangenen Jahr sechs Erwachsene und ein Kind in eine Obdachlosenunterkunft der Stadt eingewiesen werden. Dies sei insbesondere für Kinder belastend, die dann kein eigenes Zimmer mehr hätten, berichtete Ordnungsamtsleiterin Ellen Nonnenmacher. Oft spielten in solchen Fällen Erwerbslosigkeit, Überschuldung, psychische Probleme, Krankheit oder Behinderung zusammen. Dies wiederum gehe einher mit einem erhöhten Betreuungs- und Beratungsaufwand. Die häufig benötigten barrierefreien Wohnungen müssten von der Stadt auf dem privaten Wohnungsmarkt angemietet werden, wurde weiter mitgeteilt. Insgesamt führt der Mangel an bezahlbarem Wohnraum in Weil am Rhein zu Langzeitbelegungen in den Notunterkünften.

Gael Haab vom AGJ-Sozialdienst schilderte einen typischen Fall, in dem das Schlimmste noch einmal abgewendet werden konnte: Aufgrund des Wechsels in die Rente und eines Konsumkredits rutschte ein 68-jähriger Mann in die Mietschulden. Die Wohnungslosenhilfe führte Gespräche, stellte Einnahmen und Ausgaben gegenüber und konnte schließlich dafür garantieren, dass die Miete ab sofort wieder pünktlich überwiesen wird. Die Mietschulden wurden über ein Darlehen finanziert. Alle waren am Ende mit dieser Lösung einverstanden.

„Wohnungsnot ist ein sehr belastender Zustand“, erklärte Heinz, sozialer Wohnungsbau könne da vorbeugen. Am nationalen Plan zur Überwindung von Obdach- und Wohnungslosigkeit in Deutschland bis 2030 wurden im Gremium lautstarke Zweifel geäußert.

Von Obdachlosigkeit bedroht sind in Weil am Rhein zumeist alleinstehende Männer (30 Prozent), gefolgt von Paaren mit Kindern (26 Prozent) und alleinerziehenden Frauen (19 Prozent). Die meisten sind im mittleren Alter, aber auch bei den Senioren nehmen die Probleme zu. In fast 14 Prozent der Fälle, in denen die Fachleute helfen wollen, liegt überhaupt kein Haushaltseinkommen vor. Oftmals handelt es sich dabei um Personen, die resigniert haben, denen aufgrund von psychischen oder körperlichen Erkrankungen die Kraft fehlt, noch irgendetwas zu beantragen. Manchmal werde in Übergangsphasen aber auch zu lange gewartet, bis Sozialleistungen beantragt werden, erklärten die Experten.

Die Arbeit wird der Fachstelle jedenfalls so schnell nicht ausgehen: Von Januar bis Ende April hat die Stadtverwaltung bereits mehr Mitteilungen über drohende Zwangsräumung erhalten als im gesamten Vorjahr.

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