Seine Gärten seien jedoch ganz und gar nicht wild. Vielmehr achtet er auf eine ausgewogene Zusammensetzung oder „Community“, wie er es nennt, von Pflanzen mit unterschiedlichen Stärken und Schwächen, Blütezeiten und Lebenszyklen, so dass seine Gärten das ganze Jahr über ein Erlebnis bieten und den Zerfall ebenso akzentuieren wie die Hochsaison.
Dies setzt eine minutiöse Organisation voraus, die neben einem strengen Zeitplan und einer intensiven Suche nach den richtigen Pflanzen auch ein Bepflanzungsschema umfasst. Rund 30 000 Pflanzen, darunter Gewächse mit so geheimnisvollen Namen wie Persicaria amplexicaule „Alba“, Echinacea pallida „Hula Dancer“ oder Molinia „Moorhexe“, sind zum Einsatz gekommen.
Sie bilden das Gerüst des Gartens, bei dem weitgehend auf gebaute Strukturen verzichtet wird und der dennoch nicht der Dekoration der umliegenden Architektur dient, sondern diese ergänzt und ihr eine neue Perspektive vermittelt, wie Oudolf betont. Der Garten will die Aufmerksamkeit der Besucher von den Gebäuden auf den Boden lenken und in den Zustand einer inspirierenden Desorientierung bringen.
So wandelt man zwischen den Pflanzen auf verschlungenen Pfaden – eine strenge Geometrie mit geraden Linien und einem Kristallisationspunkt sucht man vergeblich. „Ich möchte, dass sich die Leute im Garten verlieren, statt einfach nur hindurchzulaufen“, sagt Oudolf.
Pflanzen sind für ihn mehr als eine organische Materie, mit welcher der ehemalige Barkeeper und Fischhändler seine Gärten bestückt. Seine Beziehung zur Pflanzenwelt grenzt nach eigenen Angaben an eine Besessenheit. Inzwischen kommt sein Wissen dem eines Botanikers nahe, er setzt es jedoch eher im Sinne eines Theaterregisseurs ein.
Sechs Bienenvölker auf dem Campus
Auf dem Vitra Campus werden seit 2020 auch Bienen gehalten: Neben dem Oudolf-Garten befinden sich Bienenhäuser, die mittelfristig sechs Bienenvölker beherbergen sollen. Die Bienen werden in der sogenannten kombinierten Wildbaumethode gehalten, die es ihnen erlaubt, im unteren Bereich des Bienenstocks Naturwabenbau zu betreiben.
Zwei Vitra-Mitarbeiter, die eine Imkerausbildung haben, pflegen und betreuen die Bienenvölker. Die Bienenhäuser sind in natürlichen und ökologisch verträglichen Farben bunt gestrichen – und Campus-Besucher werden gebeten, sich ihnen nur bis auf Fotodistanz zu nähern, heißt es.