Weil am Rhein Fantasien in die Realität umsetzen

Weiler Zeitung
 Foto: Julien Lanoo

Pflanzenwelt: Kunstvoll komponierte Wildnis des Gartens von Piet Oudolf auf dem Vitra Campus kommt zur vollen Blüte

Weil am Rhein - Auf dem Vitra Campus in Weil am Rhein wachsen derzeit keine Gebäude, sondern Pflanzen in die Höhe: Zwischen dem VitraHaus und dem Produktionsgebäude von Álvaro Siza erblüht der im vergangenen Jahr vom niederländischen Gestalter Piet Oudolf angelegte, 4000 Quadratmeter große Garten aktuell in seiner ganzen Vielfalt.

Oudolf gilt als Vordenker einer Generation von Gartengestaltern, die in den späten achtziger Jahren begannen, die gängige Praxis in Frage zu stellen, weil ihr die traditionelle Landschaftsgärtnerei zu dekorativ, arbeitsaufwendig und ressourcenintensiv war, heißt es in einer Mitteilung. Sie setzen auf mehrjährige, oft selbstregenerierende Pflanzen, Stauden, Gräser, Büsche und Wiesenblumen, die als Gartenpflanzen lange ignoriert wurden, und eine ebenso unkonventionelle Anordnung der Gewächse. 

Oudolf selbst sieht sich selbst nicht als Begründer einer Bewegung. „Ich überlasse es anderen, was sie in mir sehen wollen, für einige Leute bin ich wohl einfach ein Gärtner“, wird er zitiert.

Ein Gärtner allerdings, den man in den vergangenen Jahren mit der Gestaltung von öffentlichen Gärten auf der ganzen Welt betraut hat – darunter Aufträge für die Galerie Hauser & Wirth Somerset, die Serpentine Galleries oder die Biennale in Venedig – und der mit der New Yorker „High Line“ einen neuen Diskurs über das Gärtnern in der Stadt angestoßen hat.

Das ganze Jahr ein Erlebnis bieten

„In den ersten Jahrzehnten der Entwicklung des Vitra Campus war Landschaftsgestaltung kein Thema. Erst mit der Verbindung des nördlichen Teils des Campus mit dem südlichen und den Projekten von Álvaro Siza (Siza Promenade) und Günther Vogt kam es zu landschaftsbezogenen Interventionen.

Mit dem Garten von Piet Oudolf hat der Campus eine neue Dimension erhalten, und den Besuchern eröffnet sich eine neue, stets wechselnde Erfahrung“, sagt Rolf Fehlbaum, Chairman Emeritus von Vitra.

Oudolfs Projekten gemein ist die Idee einer Landschaft, die wild und ungezähmt aussieht, ohne eine umsichtige Gestaltung in dieser Form jedoch nicht existieren könnte, heißt es. Er spielt dabei mit einer Vorstellung von Wildnis, die er in der Gesellschaft ausmacht. „Ich versuche eigentlich nur, die Fantasien der Leute in die Realität umzusetzen“, sagt er.

Seine Gärten seien jedoch ganz und gar nicht wild. Vielmehr achtet er auf eine ausgewogene Zusammensetzung oder „Community“, wie er es nennt, von Pflanzen mit unterschiedlichen Stärken und Schwächen, Blütezeiten und Lebenszyklen, so dass seine Gärten das ganze Jahr über ein Erlebnis bieten und den Zerfall ebenso akzentuieren wie die Hochsaison.

Dies setzt eine minutiöse Organisation voraus, die neben einem strengen Zeitplan und einer intensiven Suche nach den richtigen Pflanzen auch ein Bepflanzungsschema umfasst. Rund 30 000 Pflanzen, darunter Gewächse mit so geheimnisvollen Namen wie Persicaria amplexicaule „Alba“, Echinacea pallida „Hula Dancer“ oder Molinia „Moorhexe“, sind zum Einsatz gekommen.

Sie bilden das Gerüst des Gartens, bei dem weitgehend auf gebaute Strukturen verzichtet wird und der dennoch nicht der Dekoration der umliegenden Architektur dient, sondern diese ergänzt und ihr eine neue Perspektive vermittelt, wie Oudolf betont. Der Garten will die Aufmerksamkeit der Besucher von den Gebäuden auf den Boden lenken und in den Zustand einer inspirierenden Desorientierung bringen.

So wandelt man zwischen den Pflanzen auf verschlungenen Pfaden – eine strenge Geometrie mit geraden Linien und einem Kristallisationspunkt sucht man vergeblich. „Ich möchte, dass sich die Leute im Garten verlieren, statt einfach nur hindurchzulaufen“, sagt Oudolf.

Pflanzen sind für ihn mehr als eine organische Materie, mit welcher der ehemalige Barkeeper und Fischhändler seine Gärten bestückt. Seine Beziehung zur Pflanzenwelt grenzt nach eigenen Angaben an eine Besessenheit. Inzwischen kommt sein Wissen dem eines Botanikers nahe, er setzt es jedoch eher im Sinne eines Theaterregisseurs ein.

Sechs Bienenvölker auf dem Campus

Auf dem Vitra Campus werden seit 2020 auch Bienen gehalten: Neben dem Oudolf-Garten befinden sich Bienenhäuser, die mittelfristig sechs Bienenvölker beherbergen sollen. Die Bienen werden in der sogenannten kombinierten Wildbaumethode gehalten, die es ihnen erlaubt, im unteren Bereich des Bienenstocks Naturwabenbau zu betreiben.

Zwei Vitra-Mitarbeiter, die eine Imkerausbildung haben, pflegen und betreuen die Bienenvölker. Die Bienenhäuser sind in natürlichen und ökologisch verträglichen Farben bunt gestrichen – und Campus-Besucher werden gebeten, sich ihnen nur bis auf Fotodistanz zu nähern, heißt es.

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