Weil am Rhein Friedlinger spürt Pflegekraft-Mangel am eigenen Leib

Weiler Zeitung
Steffen Tschinkel benötigt dringend eine Pflegeleistung. Foto: Marco Fraune Foto: Weiler Zeitung

Notlage: Steffen Tschinkel findet keinen Pflegedienst / Einweisung ins Krankenhaus droht / IKK classic: „Unglaublich schwierig“

Von Marco Fraune

Weil am Rhein. An den Rollstuhl gefesselt weiß Steffen Tschinkel nicht, wie es weitergehen soll. Seit mittlerweile sechs Tagen kommt kein Pfleger mehr in seine Wohnung. Der bisherige hat gekündigt und der Pflegedienst findet keine neue Fachkraft, die einspringen kann. Daher erhielt Tschinkel vom Dienstleister die Kündigung der Pflegedienstleistung.

Der 57-Jährige sitzt nun in seiner Friedlinger Wohnung und kann ohne die von einer Fachkraft ausgeübten Handgriffe nicht auf Toilette gehen. „Die einzige Option ist, dass der Arzt mich ins Krankenhaus überweist, kurz bevor mein Darm platzt.“ Dass ein Aufenthalt im Krankenhaus die Krankenkasse deutlich teurer kommt, sei der eine Irrsinn. Den anderen sieht er in der für ihn persönlich belastenden Situation – die räumliche Trennung von seiner Frau sowie die Sorge, im Krankenhaus liegend alleine gelassen zu werden mit seiner misslichen Situation.

„Ich kann nicht mehr schlafen“, schildert Schinkel am Küchentisch seine Situation. In den Kühlschrank mag er nicht greifen. Stattdessen isst er nur etwas Obst. „Schlimmer geht es nicht mehr“, lässt er einen Einblick in sein Seelenleben zu. „Bei mir kann es tödlich verlaufen.“

Den Mangel an Pflegekräften in einigen Fachbereichen, der im Dreiländereck noch stärker ausgeprägt ist als in Württemberg, spürt der 57-Jährige am eigenen Leib. „Ich habe alle Hebel in Bewegung gesetzt“, schildert er die erfolglose Suche nach einem neuen Pflegedienst. Dabei würde seine Krankenkasse IKK classic die täglich halbstündige Leistung doch zahlen. Selbst beim Sozialministerium in Berlin habe er schon angerufen. „Doch helfen können die mir auch nicht.“ Seine voll berufstätige Frau, die zudem noch ihren Vater pflegt und den Haushalt schmeißt, könne die Handgriffe nicht leisten. „Meine Frau hatte bisher keinen Erfolg. Sie hat Tränen in den Augen.“

Landratsamt ist alarmiert

Robert Müller, der sich als Leiter der Stabsstelle Planung und Steuerung im Landratsamt auch um die Kreispflegeplanung und den Pflegestützpunkt des Kreises kümmert, hat bisher ergebnislos versucht, für Steffen Tschinkel eine Lösung zu finden. „Er hat einen Anspruch auf Behandlungspflege und kann diesen nicht einlösen.“ Seit Ende Januar hat Müller versucht, ein Krisengespräch mit heimischen Pflegediensten und der Krankenkasse zu veranstalten, doch ohne Erfolg. Sogar das Bundesversicherungsamt und der Landkreistag seien über den Fall informiert, wobei die Krankenkasse hier zuständig sei. Doch von dieser habe er bisher nur gehört, dass man nichts ändern könne. Eine Antwort des Bundesvorstands der IKK classic stehe aus, doch diese müsse sich Gedanken machen. „Auf Tauchstation zu gehen, ist nicht die richtige Lösung.“ Notfalls müsse der 57-Jährige zum Hausarzt gehen, wenn die Pflegeleistung nicht ambulant erbracht werden könne, sondern nur im Krankenhaus.

Im Raum Lörrach einen Pflegdienst mit freien Kapazitäten zu finden, sei „unglaublich schwierig“, erklärt Bettina Uhrmann, Pressesprecherin der IKK classic. Die Kasse habe versucht, einen Pflegedienst zu finden, doch eben ohne Erfolg. „Es liegt wohl an der Grenzregion.“ Die IKK classic beschäftige keine Pflegekräfte, sondern könne nur Geld zur Verfügung stellen. „Er bekommt die Leistungen, die er will. Wir haben aber keinen Pflegedienst gefunden.“ Ein Patentrezept für eine Lösung habe sie nicht. Erst einmal gelte es, sich zeitnah mit dem Landratsamt, dem Pflegestützpunkt und dem Versicherten zusammenzusetzen, um eine Lösung zu finden.

Die Nachfrage nach Pflegeleistungen sei größer als das Angebot, weiß Müller. „Das macht die Sache so schwierig. Wir haben einen Mangel“, schildert der Pflege-Experte. Müller sieht den Bedarf an Fachkräften. Steffen Tschinkel sorgt sich daher nicht nur um sich, sondern auch um andere Bürger. „Ich werde in Zukunft nicht der einzige sein, der das Problem hat, Pflegekräfte zu finden.“

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