Weil am Rhein Für mehr Lebensqualität

Weiler Zeitung
Orstvorsteher Stefan Hofmann vor dem Märkter Stauwehr. Die zum EdF-Kraftwerk Kembs gehörende Staustufe hatte wie jede andere Flussbaumaßnahme, etwa Tullas Rheinkorrektur, Einfluss auf das Leben der Dorfbewohner. Foto: Jasmin Soltani Foto: Weiler Zeitung

Interview: Ortsvorsteher Hofmann: Für die Verkehrsinfrastruktur zahlen die Märkter einen hohen Preis / Integrierter Neubau von Feuerwehrgerätehaus und Ortsverwaltung

Frage: Herr Hofmann, als Märkt im Jahr 1975 eingemeindet wurde, hatte es die ärmste Zeit als Fischerdorf überwunden. Es hatten sich bedeutende Unternehmen angesiedelt, wie die Firma Wampfler und andere. Wie ging es dem Dorf damals? Die Eingemeindung geschah ja gegen den Willen der Bevölkerung.

Märkt hatte in weniger als 18 Jahren vor der Eingemeindung seine Infrastruktur beachtlich entwickelt. Ende der fünfziger Jahre, 1958, wurde das heutige Rathaus mit Gemeindesaal fertiggestellt. Ein neuer „Sprizischopf“ der Feuerwehr wurde 1963 eingeweiht, 1966 folgte die Einweihung des heutigen Schulhauses, 1968 ging der erste Kindergarten des Ortes in Betrieb. Es folgte 1972 die Einweihung des heutigen Waldfriedhofs, 1974 die der Abdankungshalle. Gleichzeitig entwickelten sich die Unternehmen des Industrie- und Gewerbegebietes, so dass es in Märkt zeitweise mehr Arbeitsplätze als Einwohner gab. Die selbstständige Gemeinde Märkt hatte also allen Grund stolz auf das Erreichte zu sein.

Frage: Was wurde für Märkt durch die Eingemeindung erreicht?

Der verstorbene Gemeinderat und spätere Ortschaftsrat Hans Rupp hatte mir berichtet, dass für ihn mit der Eingemeindung in erster Linie die Hoffnung auf eine Busverbindung nach Haltingen und in die Kernstadt einherging. In der Tat gibt es heute mehrere Busverbindungen. Besonders wertvoll für die Dorfgemeinschaft und den Schulsport ist die 1992 eingeweihte Altrheinhalle. Aktuell geplant ist der Neubau eines modernen Feuerwehrgerätehauses mit integrierter Ortsverwaltung und der Erweiterungsmöglichkeit für einen Jugendraum. Diese Beispiele zeigen, dass die Entwicklung des Ortes sukzessive fortgesetzt wird.

Frage: Wie würden Sie den Stellenwert von Märkt im Stadtgefüge definieren?

Es ist nicht nur das nördliche Tor zu Weil am Rhein, sondern hat einen hohen Anteil an der guten wirtschaftlichen Entwicklung von Stadt und Region. Wir haben unsere Industrie- und Gewerbebetriebe aus den 60er- und 70er-Jahren eingebracht. Später kam das Gewerbegebiet „Im Wörth“ hinzu. Bei 760 Einwohnern gibt es heute im Ort 550 Arbeitsplätze (von stadtweit rund 11 770; Anm. der Redaktion). Hinzu kommt der Beitrag für die Verkehrsinfrastruktur: Die A 5 und die Kreisstraße, die auch von den nördlichen Landkreisbewohnern als Verbindungsstrecke genutzt wird, verlaufen über Märkter Gemarkung. Das alles hat Flächen gekostet und anderweitige Entwicklungsmöglichkeiten genommen.

Frage: Es hat dem armen Dorf aber eine gewisse Prosperität beschert.

Das ist nicht von der Hand zu weisen. Aber für die Verkehrsinfrastruktur zahlen die Märkter einen hohen Preis, ohne direkt davon zu profitieren. Für den Lastwagenverkehr sind wir vor allem Durchgangs- und fast nie Zielort. Deshalb fordern wir seit Jahren ein Verbot des Lkw-Durchgangsverkehrs. Der Bau der Nordwestumfahrung in Haltingen bietet hierzu eine Chance. Es würde – außer für die Beschilderung – kein zusätzliches Geld kosten und auch Teile von Eimeldingen entlasten. Es wäre schön, wenn wir den Kreis als Trägerin der Straße dafür gewinnen könnten, auch als Zeichen, dass Bürger ernst genommen werden.

Frage: Dass Märkt als Durchfahrtstrecke – übrigens auch für Autofahrer – genutzt wird, liegt auch am täglichen Lkw-Stau auf der A5.

Es ist deshalb längst an der Zeit, die trinationale Zollanlage in Ottmarsheim voranzutreiben. Hier ist der Bund in der Pflicht. Von ihm fühlen wir uns im Stich gelassen – auch in Sachen Tempolimit von 120 Kilometer pro Stunde auf der A 5 zwischen Zollanlage und Bad Bellingen. Die Bemühungen der Stadt hat das Regierungspräsidium mit Hinweis auf die „Gesetzeslage“ abgelehnt. Nun hoffen wir auf die Initiative „Tempo 130“, die vielleicht auch hilft, die nächtliche Raserei auf der A 5 samt Höllenlärm zu reduzieren.

Frage: Die Märkter Einwohnerzahl hat seit der Eingemeindung von 560 Personen auf nun 760 zugelegt, auch dank neuer Baugebiete. Wie sehen Sie in Anbetracht des Wohnungsmangels die künftige Entwicklung?

„Entwicklung“ drückt sich für mich in einer Verbesserung von Lebensqualität aus – auch durch eine verbesserte, zeitgemäße Verkehrspolitik und einen besseren öffentlichen Personennahverkehr. Bezogen auf den Zuwachs an Wohnfläche und Einwohnerzahl ist der Flächennutzungsplan der Stadt zu beachten, der bis 2022 gültig ist. Dann wird sich die Frage nach neuen Baugebieten stellen. Derzeit konzentrieren wir uns auf die Nachverdichtung innerorts. Es gibt noch freie Bauplätze, und in Bestandsbauten gibt es einen Generationswechsel, so dass sukzessive Wohnraum für neue Einwohner bereitgestellt wird. Doch weder neues Bauland noch vorhandene Bauplätze können ohne verkaufswillige Grundstückseigentümer genutzt werden. Da stoßen wir mitunter an unsere Grenzen. Zudem müssen wir die ökonomischen Aspekte beim Wohnungsbau verstärkt mit sozialen und ökologischen Aspekten verknüpfen – gerade in unserer 138 Hektar kleinen Gemarkung. Das bedeutet für mich mehr sozialverträglichen Wohnungsbau, andererseits sollten wir auch unsere naturnahen Räume schonen.

Frage: Fakt ist, die Nachfrage vor allem junger Familien nach Wohnraum ist groß. Kommt die Infrastruktur, Stichwort Kinderbetreuung und Schule, mit?

Beim Kindergarten gibt es keine freien Plätze, die Warteliste Märkter Kinder ist lang. Das ist schlimm für junge Familien. Und die Hermann-Daur-Grundschule ist voll belegt. Vor wenigen Jahren sollte sie geschlossen werden, überlebte nur mittels jahrgangsübergreifender Klassen in Kooperation mit Ötlingen. Jetzt ist sie dreizügig. Wir müssen die Entwicklung beobachten und gegebenenfalls Handlungsmöglichkeiten ins Auge fassen.

Frage: Was steht für die nahe und ferne Zukunft in Märkt auf der Wunschliste?

Wichtig ist uns der integrierte Neubau von Feuerwehrgerätehaus und Ortsverwaltung. Wir warten die Feuerwehrbedarfsplanung ab, aber ich hoffe, dass unsere Grundstücksverhandlungen für den Neubau dann auch erfolgreich abgeschlossen werden können. Von hoher Priorität ist und bleibt zudem die Verringerung der Verkehrsbelastung. Dabei setzen wir langfristig auch auf den Ausbau des Weiler Autobahndreiecks zum Vollanschluss.

Frage: Ungeachtet aller Entwicklung ist die Lage in Märkt auch die: der öffentliche Nahverkehr ist mangelhaft, Einkaufsmöglichkeiten fehlen, ebenso Post-, Bankfilialen und sonstige Dienstleister. Womöglich fehlt bald auch ein Gasthaus. Welche Gründe gibt es für junge Leute, nach Märkt zu ziehen?

Vielleicht, dass es attraktiv sein kann, im Großraum Basel, aber eben in einer ruhigeren, nicht städtischen Ecke zu wohnen. Ich habe immer wieder Anfragen von Interessenten, insbesondere von ehemaligen Märktern, die zurück wollen. Sicherlich ist die Nähe zu den Arbeitsplätzen in Basel, Weil am Rhein und Lörrach ein wichtiger Aspekt, und dass die Preise für Wohnraum in Märkt niedriger sind als in Zentrumsnähe. Grundschule und Kindergarten sind vorhanden. Und es besteht, unter anderem als Ergebnis einer Bürgerinitiative, auch eine morgendliche Verbindung für Schüler, Studenten und Arbeitnehmer nach Eimeldingen zu den Bus- und Bahnanschlüssen nach Freiburg, Basel und Lörrach.

Frage: Wie sieht es mit der Integration der Neubürger aus?

Bei den Familien sind Kindergarten und Schule wichtige Partner. Darüber knüpfen Eltern Kontakte. Wertvolle Arbeit leisten auch die Vereine mit ihrem Angebot, den Festen und Veranstaltungen. Allen voran das Fischerfest, aber auch das Maibaumsetzen, das führt Menschen zusammen. Hinzu kommt unser Neujahrsempfang, und mir ist auch die Teilhabe der Grundschule am politischen Leben wichtig. Deshalb beteilige ich die Schüler an der Gestaltung des Volkstrauertags.

Frage: Märkt ist also noch kein Schlafdorf?

Ein gewisser Rückzug ins Private ist spürbar, aber auch eine gute Portion Nachbarschaftshilfe. Ein lebendiges Dorfleben zu ermöglichen, ist eine Aufgabe für alle. Die Vereine haben einen gewichtigen Anteil. Die Politik muss die Sorgen der Menschen ernst nehmen und ihre Anliegen unterstützen. Aber letztlich haben es die Bürger selbst in der Hand, ob Märkt ein lebendiges Zuhause ist, in dem man gerne wohnt.

850 Jahre Märkt

Als flächenmäßig kleinster Ortsteil der Stadt feiert Märkt seine 850-jährige urkundliche Ersterwähnung. Der Rhein, einst Wirtschaftsfaktor und Schicksalsader, liegt weitab jenseits der Autobahn. Vom einstigen Fischerdorf zeugt nur der Anker im Wappen des 1975 eingemeindeten Ortes, dem Stadt und Region einiges an Infrastruktur, Gewerbe- und Naherholungsflächen verdanken, wie Ortsvorsteher Stefan Hofmann im Gespräch mit Jasmin Soltani schildert.

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