Weil am Rhein Geduldig und schnell muss man sein

Weiler Zeitung
Da neben Ausstellungsstücken und teilweise limitierten Sondereditionen auch Einzelteile angeboten wurden, musste man schnell handeln. Fotos: Martina Proprenter Foto: Weiler Zeitung

Schnäppchenjagd: Fabrikverkauf auf dem Vitra-Campus zieht internationale Gäste an / Gucken und kaufen

Manche haben dem Termin schon seit langem entgegengefiebert, andere sind spontan gekommen. Doch alle müssen beim Vitra-Fabrikverkauf vor allem eines: warten. Im Gewühl mit den Schnäppchenjägern.

Von Martina Proprenter

Weil am Rhein. „Die drei Stunden Warten haben sich gelohnt“, schwärmt eine Frau auf Englisch, während sie zu ihrem Auto läuft, eine große Papiertüte mit Vitralogo am Arm baumelnd. Auch ihre Begleiter tragen schwer. Zur Mittagszeit ist die Menschentraube beträchtlich angewachsen, die darauf wartet, in den Verkaufsraum des Möbelherstellers eingelassen zu werden. Die Wartezeit vertreibt man sich mit Kaffee und Tee – Snacks sind bereits ausverkauft – und Gesprächen über die zahlreichen Gebäude auf dem Campus an der Römerstraße, allesamt entworfen von international bekannten Architekten wie etwa Frank O. Gehry.

Nach einer Stunde öffnet sich schließlich das Absperrband und 20 Schnäppchenjäger drängen sich bestimmt, aber respektvoll gegenseitig aus dem Weg. Ähnlich geht es auch in der Halle weiter, über der ein lautes Stimmengewirr liegt. Da neben Ausstellungsstücken und teilweise limitierten Sondereditionen auch Einzelteile angeboten werden, muss man nun schnell sein, um sein Wunschobjekt zu ergattern.

Im Stile des Partyspiels „Reise nach Jerusalem“ laufen die Interessenten zielstrebig auf einen Stuhl zu und setzen sich schnell, bevor es ein anderer tun kann. Erst dann wird dieser genauer angeschaut, samt Blick auf das Preisschild. Sind die Stühle zu schwer, um direkt mitgenommen zu werden, wird ein Begleiter auf diesem „geparkt“, der Stuhl so reserviert. Eine Baslerin hat ihrer sitzenden Tochter auch noch ihre Tasche in die Hand gedrückt. So sind die Hände frei für kleine Hocker, die sie nun in aller Ruhe mustern kann, bevor sie drei davon übereinander stapelt und herüber trägt.

Die Sitzgelegenheiten sind hier heiß begehrt. Auch die Abgeordneten im Deutschen Bundestag sitzen seit 1999 auf Vitra-Stühlen, einer Kreation von Mario Bellini, als Spezialanfertigung in der patentierten Farbe „Reichstags-Blau“. Es ist wohl diese Mischung aus Prestige und besonderem Design, das den jährlichen Kaufrausch beim „Factory Sale“ auslöst, beworben mit bis zu 50 Prozent Nachlass. „Vitra kennt man einfach“, sagt eine Japanerin, als sie ihren kleinen Sohn im Kinderwagen vorbeischiebt. Kaufen will sie aber nichts, „nur schauen“, denn eigentlich macht sie gerade Urlaub in Zürich.

Wesentlich entspannter geht es im Nebenraum bei den Accessoires zu. In großen Holzkisten und auf Tischen ausgebreitet stehen und liegen Uhren, Holzpuppen und Kissen. Eines davon dreht eine Luxemburgerin in ihren Händen, knautscht es zusammen, prüft die Naht und lacht laut als sie merkt, dass sie dabei beobachtet wird. Sie ist gerade zu Besuch bei ihrer Tochter in Basel und spontan nach Weil gefahren. Das Gewusel hier gefällt ihr, gekommen ist sie aber vor allem wegen des Museums.

Zielgerichteter geht ein Paar aus Mannheim vor. Um 8 Uhr morgens sind sie mit ihrem VW-Bus losgefahren, mit dem Plan, einen „Grand Repos“ zu kaufen. Zwei Stunden sind sie angestanden, bis sie endlich in den Schau- und Verkaufsraum durften. „Wir haben uns in der Schlange aber sehr nett unterhalten.“ Den Lounge-Sessel hat das Paar schnell gefunden, nun diskutieren sie, ob sie auch noch einen Stuhl vom dänischen Designer Verner Panton kaufen sollen, denn: „Wir sind uns uneinig, ob sich die 20 Prozent lohnen.“

Eine Familie aus Kirchzarten sitzt auch gerade Probe. Gekommen war sie wegen einer Bank, vielleicht nehmen sie nun auch noch einen Ohrensessel mit. Die Familie hat es mit ihrer Entscheidung nicht eilig, die Kassen sind gerade eh voll belegt.

Der positiven Grundstimmung tut das aber keinen Abbruch. Kaum aus der Halle raus, ist bereits wieder eine Menschenmenge zu sehen, die geduldig darauf wartet, ein Schnäppchen zu ergattern.

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